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PROTEST/078: Pacific Rim vs. El Salvador - Zivilgesellschaft kämpft für Bergbau-Verbot (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2014
Wer die Netze hat, hat die Macht? Infrastrukturen und Nachhaltigkeit

Pacific Rim vs. El Salvador
Zivilgesellschaft kämpft für Bergbau-Verbot in El Salvador

Von Saúl Baños



303 Organisationen aus 31 Ländern wandten sich im April 2014 in einem offenen Brief an den Präsidenten der Weltbank, Jim Yong Kim, um El Salvador in seiner Verteidigung gegen eine Millionen-Klage des Bergbau-Konzerns Pacific Rim Cayman LLC zu unterstützen. Eine der Forderungen: Schiedsgerichte der Weltbank dürfen nicht länger dafür benutzt werden, demokratische Prozesse und souveräne, staatliche Entscheidungen zu unterminieren.


El Salvador, das kleinste Land Zentralamerikas, ist für den Bergbau denkbar ungeeignet: 87 % des Territoriums gelten Studien des salvadorianischen Umwelt- und Wirtschaftsministeriums zufolge als Umweltrisikozonen, 40 % des Bodens sind stark erosionsgefährdet. Hinzu kommt, dass Wasser bereits jetzt knapp und von schlechter Qualität ist. Die wenigen Trinkwasserschutzzonen des Landes sind von Bergbaukonzessionen bedroht. Dasselbe gilt für die Flüsse, deren Wasserqualität oft ohnehin schon miserabel ist. Dieses Szenario der Umweltzerstörung wird dadurch verschärft, dass El Salvador anerkanntermaßen an vierter Stelle der Länder steht, die weltweit am stärksten von der Klimaerwärmung betroffen sind.

Bisher kein einziges Bergbauprojekt

Bisher bildet El Salvador einen klaren Gegenpol zum Rest Zentralamerikas und sogar Lateinamerikas: Kein einziges großes Bergbauprojekt konnte umgesetzt werden. Dies ist einerseits der Position der Regierung von Ex-Staatspräsident Mauricio Funes (2009-2014) sowie nationaler und internationaler institutioneller Unterstützung zu verdanken, sicher aber auch dem Widerstand sozialer Organisationen, die sich bereits seit 2005 dem Bergbau in El Salvador widersetzen.

Die institutionellen Barrieren gegen Bergbau-Großprojekte im Land selbst sind allerdings schwach: Das Wassergesetz ist in der vergangenen Legislaturperiode kaum vorangekommen. Auch in der Ratifizierung von Artikel 69 der Verfassung, welcher das Menschenrecht auf Wasser und Ernährung garantiert, hat sich wenig bewegt, ebenso wie in der Frage des Einsetzens von Umweltgerichten.

Druck der Gegenseite

Und der Druck der Gegenseite ist groß: Da sind zum einen die Finanzprogramme der USA wie FOMILENIO I und II, zum anderen die diversen Freihandels- und Assoziierungsabkommen, deren Umsetzung in staatliche Politik nach Auffassung zum Beispiel des Runden Tisches gegen den Erzbergbau (Mesa Nacional frente a la Minería Metálica de El Salvador) durchaus eine Grundlage für die Genehmigung großer Bergbauprojekte schaffen kann.

Der Widerstand gegen die Minenprojekte fand und findet dabei einerseits trotz immer wieder auftretenden gegensätzlichen Positionen generell in der vergangenen Regierung ebenso wie in der neuen unter Staatspräsident Salvador Sánchez Cerén (seit 1. Juni 2014 im Amt), einen Verbündeten. Gleichzeitig ist aber der Einfluss der großen Konzerne auf die staatliche Politik in ganz Zentralamerika unübersehbar. Längst untergräbt er die Souveränität der Staaten und die Selbstbestimmung der Völker. In El Salvador fungieren beispielshalber die Botschaften der USA und Kanadas als Türöffner für die Investitionen transnationaler Unternehmen und speziell der Bergbau-Konzerne. Diese wiederum üben auch direkt Druck auf die Regierungen aus.

Erpressung gegen Staaten

So fordern etwa die kanadische Pacific Rim und die US-amerikanische Commerce Group insgesamt mehr als 400 Millionen Dollar von El Salvador vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID), einem Schiedsgericht der Weltbank. Die rechtliche Basis hierfür ist das nationale Investitionsgesetz El Salvadors, das erst im Juli 2013 so modifiziert wurde, dass es für derartige Streitfälle nicht mehr benutzt werden kann. (Anm. d. Ü.: Pacific Rim versucht seit einem Jahrzehnt die Genehmigung für die Ausbeutung eines "El Dorado" genannten Goldvorkommens im Norden von El Salvador zu bekommen.)

Begleitet werden derlei Erpressungsversuche gegenüber Staaten meist durch Aktionen auf lokaler Ebene: Die Unternehmen versuchen die betroffenen Gemeinden zu beeinflussen, sie lassen - auch ohne Genehmigung - Maschinen auffahren und schüren Konflikte zwischen lokalen Minengegner_innen und -befürworter_innen. Das geht so weit, dass in El Salvador in diesem Zusammenhang vier Todesopfer aus der Umweltschutzbewegung zu beklagen sind.

Im November 2013 wurde Pacific Rim Cayman LLC an die australische Oceana Gold verkauft, inklusive dem Recht mit der Klage vor dem Weltbankschiedsgericht ICSID gegen El Salvador fortzufahren. Dies hat zur Folge, dass der Staat nun nicht mehr einer relativ unerfahrenen Firma gegenübersteht, sondern einem Konzern, der selbst schon kundgetan hat, dass er große Kapazitäten und Erfahrungen in der Durchsetzung von derlei Projekten habe. Betroffene in Ländern, wo die Oceana Gold bereits tätig ist (Anm. d. Ü.: wie etwa den Philippinen) werfen dem Unternehmen zahlreiche Menschenrechtsverletzungen vor. Derzeit stellt der salvadorianische Staat mehrere Millionen Dollar aus der Staatskasse bereit, um sich in dem ICSID-Verfahren zu wehren.

Rolle des Parlaments

Während die Betroffenen in den Gemeinden, Umweltverbänden und sozialen Organisationen ein totales Verbot des Bergbaus in El Salvador fordern, hatte das Parlament im August 2012 einen Gesetzesvorschlag für dessen "zeitweilige Aussetzung" auf den Weg gebracht, von dem seitdem nicht mehr viel zu hören war. Es drängt sich der Eindruck auf, dass der Vorschlag hauptsächlich dazu taugte, dem zivilgesellschaftlichen Widerstand den Wind aus den Segeln zu nehmen und die Bergbau-Gegner_innen an den Rand der Debatte zu drängen. Die sozialen Organisationen legten dem Parlamentsausschuss für Umweltfragen und Klimawandel Ende 2013 einen neuen Gesetzesvorschlag für ein Verbot vor. Die Debatte darüber ging dann allerdings im Wahlkampf für die Präsidentschaftswahl im Januar und März 2014 unter, in dem das Thema keinerlei Rolle spielte.

Debatte muss neu angefacht werden

Obwohl der landesweite Runde Tisch gegen den Bergbau, das Wasserforum, die Nationale Umweltallianz und andere übereinstimmen, dass die bisherige, verfahrene Diskussion um das Verbotsgesetz und das Wassergesetz sie ihren eigentlichen Zielen, wie dem Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung und dem nachhaltigen Umgang mit den Naturgütern des Landes, nicht näher gebracht hat, werden sie weiterhin versuchen, die parlamentarische Arbeit zu beeinflussen, die öffentliche Debatte über das Verbot des Bergbaus neu anzufachen und zusätzliche Bündnispartner_innen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene zu gewinnen. Auch die Arbeit mit den betroffenen Gemeinden soll verstärkt werden.

Indes haben auch Hilfswerke wie Cáritas und Catholic Relief Services und die Zentralamerikanische Universität UCA das Thema wieder aufgenommen. Die staatliche Schlichtungsstelle für die Verteidigung der Menschenrechte hat eine gemeinsame, einheitliche Umweltagenda vorgeschlagen. Der Ombudsman David Morales hat sich für die vorrangige Verabschiedung des Wasser- und des Bergbauverbotsgesetzes ausgesprochen und strebt einen Prozess vor dem Interamerikanischen Gerichtshof wegen möglicher Verletzung der Rechte der Bevölkerung auf eine gesunde Umwelt, auf Wasser und Ernährung an.

Neue Regierung könnte sich für ein Verbot einsetzen

Eine gewisse Hoffnung setzen die sozialen Organisationen letztlich aber doch auf die neue FMLN-Regierung, namentlich auf die neue Umweltministerin Lina Pohl und Vizeminister Ángel Ibarra. Letzterer hat sich als langjähriger Umweltaktivist stets entschieden für ein Verbot des Erzbergbaus in El Salvador eingesetzt. Pohl hatte bei einem Treffen mit Bergbaugegner_innen am 24. Mai geäußert, sie werde sich dafür einsetzen "das derzeitige Moratorium beizubehalten und Lösungen für die Umweltgefahren zu finden, die von den über 48 grenznahen Bergbauprojekten in den Nachbarländern Guatemala und Honduras ausgehen" (Anm. d. Ü.).


Autor Saúl Baños ist Mitarbeiter der Studienstiftung für angewandtes Recht (FESPAD) und Mitglied des Rundes Tisches gegen den Erzbergbau in El Salvador (Mesa Nacional frente a la Minería Metálica de El Salvador - MNFMM).

Zusammenfassung, redaktionelle Bearbeitung und Übersetzung: Andrea Lammers, Ökumenisches Büro für Frieden und Gerechtigkeit e.V., München.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Verseucht mit Zynaid und Schwermetallen: Der Rio San Sebastián im Osten El Salvadors.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2014, Seite 28-29
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juli 2014