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PROTEST/083: Pazifik - Insulaner machen mobil gegen australische Kohleindustrie (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. Oktober 2014

Pazifik: Insulaner machen mobil gegen australische Kohleindustrie

von Suganthi Singarayar


Bild: © Catherine Wilson/IPS

Die Hälfte der zehn Millionen Pazifikinsulaner leben auf ihren Inseln auf einem 1,5 Kilometer breiten Küstenstreifen
Bild: © Catherine Wilson/IPS

Sydney, 24. Oktober (IPS) - Mit ihrer kürzlich durchgeführten Blockade des weltgrößten Kohlehafens Newcastle in Australien haben Aktivisten die internationale Aufmerksamkeit auf die verheerenden klimatischen Auswirkungen der Verbrennung fossiler Treibstoffe gelenkt. Doch um eine 180-Grad-Wende herbeizuführen, bedarf es mehr als diese Einzelaktion.

Am 17. Oktober waren auch 30 'Pazifische Klimakrieger' aus zwölf Ländern und Gebieten wie den Fidschis, Tuvalu, Tokelau, Mikronesien, Vanuatu, den Salomonen, Tonga, Samoa und Papua-Neuguinea nach Newcastle gekommen, um sich mit ihren Kanus an den Protesten hunderter australischer Umweltschützer zu beteiligen. Neun Stunden lang blockierten sie mit ihren Kajaks und Surfbrettern die Hafenausfahrt. Mitorganisator der Demonstration zu Wasser war die US-Gruppe 350.org mit Sitz in den USA.

Küstenerosion, der Anstieg der Meere, Überschwemmungen, Stürme, die Umsiedlung von Insulanern, die Kontaminierung der Frischwasserressourcen und die Zerstörung von Feldern und landwirtschaftlichen Erzeugnissen sind nur ein Teil der Übel, auf die sich die rund zehn Millionen Inselbewohner des Pazifiks gefasst machen müssen. Die Hälfte von ihnen lebt innerhalb eines 1,5 Kilometer breiten Küstenstreifens. Für sie ist die fossile Treibstoffindustrie die größte Bedrohung.

Allein die Kohleproduktion ist für 44 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich, wie das 'Center for Climate and Energy Solutions' (C2ES) berichtet hat. Doch nicht ein einziger kleiner Inselstaat ist für diese dreckige Industrie verantwortlich. Australien hingegen ist das fünftgrößte Kohleproduktionsland der Welt nach China, den USA, Indien und Indonesien.


Solidarität der Australier gesucht

Die Weltkohlevereinigung schätzt, dass Australien im letzten Jahr 459 Millionen Tonnen Kohle produziert hat, von denen 383 Millionen Tonnen exportiert wurden. Mit der Wahl Australiens für ihre Proteste wollten die Pazifischen Klimakrieger die Aufmerksamkeit der australischen Bevölkerung gewinnen, damit diese sie im Kampf gegen die fossile Treibstoffindustrie unterstützt.

Arianne Kassman, Klimakriegerin aus Papua-Neuguinea (PNG), erklärte gegenüber IPS: "Die Ausweitung der fossilen Treibstoffindustrie bedeutet die Zerstörung des gesamten Pazifiks." Wie sie weiter erklärte, haben die Inselbewohner des Pazifiks jeden Tag Gelegenheit, die Auswirkungen des Klimawandels live zu beobachten. "Während andere Menschen nur davon hören oder lesen oder sich Videos anschauen, können wir uns mit eigenen Augen davon überzeugen, wie der Meeresspiegel ansteigt."

Logoitala Monise aus Tuvalu, einem tiefliegenden polynesischen Inselstaat zwischen Australien und Hawaii, berichtete, dass ihre Heimat mit klimabedingten Auswirkungen wie riesigen Gezeitenwellen, Küstenerosion und den Menschen vor Ort bislang unbekannten Dürren konfrontiert werde.

2011 wurde der Notstand ausgerufen, nachdem es auf den Inseln sechs Monate lang nicht geregnet hatte. Wie Monise erklärte, sind die Menschen jedoch auf den Regen dringend angewiesen. Sie nutzten ihn zum Trinken und Waschen und tränkten damit ihre Tiere.

Dürren treten inzwischen immer häufiger auf, was wiederum zu dem Verlust von Vieh und Pflanzen führt und mit dem Ausbruch von Krankheiten einhergeht. Alle diese Dinge seien direkte Auswirkungen des Klimawandels, meinte sie.

In anderen Teilen des Pazifiks haben die sich verändernden Klimamuster negativen Einfluss auf die traditionellen Lebensweisen der Menschen. Familien werden auseinandergerissen und viele sehen sich gezwungen, nach Übersee zu gehen. Tatsächlich war der erste Mensch, der für sich den Titel eines 'Klimaflüchtlings' in Anspruch nehmen wollte, ein Einwohner Kiribatis. Neuseeland jedoch verweigerte dem Mann Asyl.


Angst, zu Klimaflüchtlingen zu werden

Monise zufolge war der Hauptgrund, warum sie nach Australien gereist sei, der Wunsch, auf die Folgen des Klimawandels aufmerksam zu machen. "Uns Pazifikinsulanern geht es darum, in Frieden in unseren Ländern leben zu können. Wir wollen nicht zu Klimaflüchtlingen werden."

Doch haben sie mit einer sehr einflussreichen Industrie zu tun, die nicht so schnell klein beigibt. Davon konnten sich die Inselkrieger selbst überzeugen, als sie nach Maules Creek in der Nähe von Boggabri im Gunnedah-Becken von New South Wales (NSW) fuhren, wo 'Whitehaven Coal' ein 767 Millionen Dollar teures Kohleprojekt betreibt. Immer wieder kommt es zu Protesten gegen die Mine, die die Artenvielfalt und die Trinkwasserquellen bedroht.

Die Menschen in Maules Creek weisen darauf hin, dass der Leard-Wald, in dem die Maules-Creek-Mine liegt, ein 8.000 Hektar großer Biodiversitäts-Hotspot ist. Schon jetzt können die Artenvielfaltsverluste nicht mehr wettgemacht werden.

Doch solche Einwände stoßen auf taube Ohren. Kohle ist Australiens zweitgrößtes Exportprodukt nach Eisenerz. Sie sei für das australische Wohlergehen entscheidend, betont der australische Ministerpräsident Tony Abbott. Wie er am 20. Oktober bei der Eröffnung der Caval-Ridge-Mine im zentralen Queensland, einem Joint venture zwischen dem australisch-britischen Rohstoffkonzern BHP Billiton und Mitsubishi, erklärte, wird die Mine der lokalen Wirtschaft von Moranbah 30 Millionen Dollar einbringen, während die regionale, bundesstaatliche und nationale Wirtschaft ebenfalls von etlichen Millionen Dollar profitieren soll.


Reiche Kohlereserven

Abbott fügte hinzu: "Es ist eine großartige Industrie und wir können auf eine großartige Partnerschaft mit Japan zurückblicken. Kohle ist entscheidend für den Wohlstand Australiens. Energie ist das, was wir für den Wohlstand brauchen, und Kohle ist die wichigste Energiequelle der Welt. Sie wird noch Jahrzehnte lang reichen."

Ein weiteres Projekt, das im Juli gebilligt wurde, ist die Carmichael-Mine im Galilee-Becken in Queensland. 'Greenpeace Australia' zufolge umfasst es sechs Übertage- und fünf Untertageminen und wird dafür sorgen, dass 20.000 Hektar natives Buschland verloren gehen.

In einem Meinungsbeitrag für 'ABC Online' hat der Greenpeace-Kampagnenleiter festgehalten, dass durch die Verbrennung der Kohle aus der Mine jedes Jahr und für die Dauer von 90 Jahren 130 Millionen Tonnen CO2 in die Erdatmosphäre abgegeben werden. Das entspricht der Menge (131 Millionen Tonnen) CO2, die durch den staatlichen Direkten Aktionsplan kompensiert werden soll.

Der Weltklimarat hat bereits darauf hingewiesen, dass der derzeitige Anteil von CO2 in der Atmosphäre viel höher ist als dies in den letzten drei Millionen Jahren der Fall war. Die Emissionen werden weiter zunehmen, es sei denn, dass es weltweit zu einer Veränderung der Produktions- und Verhaltensweisen kommt.


Aufklärung

Aufklärung ist wichtig, um eine breite internationale Lobby gegen die Kohleproduktion aufzubauen. Und die Pazifischen Klimakrieger wollen ihrerseits ihr Bestes geben, um die Menschen in ihren Heimatländern für das Problem zu sensibilisieren.

Kassman zufolge sind 90 Prozent aller Menschen, die in den ländlichen Gebieten von PNG leben, ohne Zugang zu Bildung. Doch sei man sich bewusst, dass das Meer ansteigt, die Küstenregionen erodieren und die Nahrungsmittelpflanzen sich veränderten, ohne dass man genau wisse warum.

Wie sie erklärte, ist '350 PNG', die Organisation, die mit '350.org' verbündet ist, in der Lage, in einem Land mit mehr als 800 Sprachen ein Bewusstsein dafür zu schaffen. Es gelte junge Leute zu schulen und als Wissensmultiplikatoren in andere Gemeinden zu schicken.

PNG gehört zu den Ländern der Welt mit dem geringsten CO2-Ausstoß. Doch hat die Eröffnung der Flüssiggasanlage von 'Exxon Mobile PNG' den Fußabdruck inzwischen vertieft. Lokale Bemühungen werden nicht reichen, um genügend Druck auf die großen Verschmutzer auszuüben. "Wir lernen von unseren Eltern, das Richtige zu tun", sagte der Klimakrieger Mikaele Maiava, der auf der Insel Tokelau zu Hause ist, auf einer Pressekonferenz am 11. Oktober. "Wir sind zwar durch das Meer getrennt, doch haben wir die gleiche Mutter Erde unter unseren Füßen."

Wie er weiter betonte, repräsentieren er und seine Mitstreiter nicht nur die derzeitige Generation von Pazifikinsulanern, sondern auch die kommenden Generationen. Er forderte die internationale Gemeinschaft auf, sich im Kampf gegen den katastrophalen Klimawandel gegenseitig beizustehen. (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/10/pacific-islanders-take-on-australian-coal/

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Oktober 2014