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PROTEST/085: Solidarität des australischen Volkes gefragt - Offener Brief eines 'Klimakriegers' (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. Oktober 2014

Pazifik:
Solidarität des australischen Volkes gefragt - Offener Brief eines 'Klimakriegers'

von Kaio Tiira Taula


Bild: © Jeff Tan/350.org

Die Pazifischen Klimakrieger hatten am 17. Oktober mit ihren Kanus an einer Blockade der Schiffe im australischen Kohlehafen Newcastle teilgenommen
Bild: © Jeff Tan/350.org

Mehrere Pazifikinsulaner, die sich selbst als 'Pazifische Klimakrieger' bezeichnen, fanden sich im Oktober in Australien ein, um gegen die dortige Kohlepolitik zu protestieren. Kohle ist ein fossiler Brennstoff, der erheblich zum Klimawandel beiträgt. Zu den Folgen gehört der Anstieg der Meere, der die kleinen Inselstaaten in ihrer Existenz bedroht. In einem offenen Brief bittet Kaio Tiira Taula, ein Klimakrieger aus Tuvalu, das australische Volk um Unterstützung bei dem Vorhaben, die Regierung in Canberra zu einer Kehrtwende in ihrer Energiepolitik zu bewegen.

Tuvalu, 29. Oktober (IPS) - Das Schicksal meines Landes liegt in Ihren Händen. Das war die Botschaft, die [der Chefunterhändler] Ian Fry als Vertreter Tuvalus auf der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen vor fünf Jahren übermittelt hatte. So lautet auch die Botschaft, die wir, die Pazifischen Klimakrieger, dem australischen Volk mitbringen wollten.

Wir kamen nach Australien, um als Vertreter von zwölf unterschiedlichen pazifischen Inselstaaten und -regionen, der Heimat von zehn Millionen Menschen, die australische Bevölkerung zu bitten, Pläne ihrer Regierung zu vereiteln, die australischen Kohleexporte zu verdoppeln und zum größten Gasexporteur der Welt aufzusteigen.

Wir wollen, dass Australien (und andere industrialisierte Länder, die ebenfalls auf fossile Brennstoffe bauen) begreifen, dass es für jedes Kilo Kohle, das sie ausgraben, oder jeden Gasschacht, den sie legen, auf den Inseln jemanden gibt, der sein Zuhause verliert.

Meine Heimat ist Tuvalu. Sie besteht aus drei Inseln und sechs Atollen und befindet sich auf halber Strecke zwischen Hawaii und Australien. Tuvalu ist das viertkleinste Land der Welt. Die meisten der 11.000 Einwohner leben seit Generationen dort.

Tuvalu und viele unserer Nachbarinseln leben von geborgter Zeit. Denn den Erwartungen zufolge wird der Klimawandel mehr als 300 Millionen Menschen weltweit noch vor 2050 heimatlos machen. Die Vertreibung ist bereits in Gang. So sind tausende meiner Landsleute aufgrund von riesigen Gezeitenwellen und Nahrungsmittelengpässen im Zuge lang anhaltender Dürren zum Umzug gezwungen.

Eine Familie sorgte bereits für internationale Aufmerksamkeit, als sie mit dem Hinweis auf den Klimawandel [vergeblich] Asyl für Neuseeland beantragte.

Abgesehen von der menschlichen Dimension dieser Entwicklung drohen Kultur und Vielfalt einer über tausende Jahre gewachsenen Zivilisation und Geschichte ausradiert zu werden. Und es gibt nichts, was wir dagegen tun könnten. Uns bleibt lediglich die Hoffnung, dass Sie und Ihr Land erkennen, wie wichtig es ist, dass unsere Insel über der Wasseroberfläche bleibt, und dass Sie die Entscheidung treffen, sich von fossilen Brennstoffen zu verabschieden.

Das ist der Grund, warum ich mit den Klimakriegern als Vertreter meines Landes und meiner Region nach Australien gekommen bin.

Seit Jahren versuchen unsere politischen Entscheidungsträger vergeblich, Politikern, Diplomaten und anderen, die bereit sind, ihnen zuzuhören, unsere Botschaft zu übermitteln. Doch den Wirtschaftswachstumsargumenten wurde stets mehr Bedeutung geschenkt als dem Argument unseres Überlebens. Als Gesandter [meines Landes und meiner Region] bitte ich das australische Volk, die Lage von mehr als 11.000 Menschen in Tuvalu, von Millionen weiteren Pazifikinsulanern und Einwohnern tief liegender Staaten, die durch den Klimawandel ausgelöscht werden könnten, zu berücksichtigen.

Während meines Aufenthalts in Australien habe ich immer wieder gehört, wie wichtig die australische Kohleindustrie ist, dass sie Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum schafft, doch sind es letztendlich wir in den Inselstaaten, die den Preis in Form von Land-, Kultur- und Existenzverlust bezahlen. Das ist kein fairer Preis, wenn man bedenkt, dass wir nichts von dieser Industrie haben.

Deshalb erzürnt es mich zu hören, dass Kohle gut für die Menschheit und die Armutsbekämpfung sei. Von der Kohle profitieren nur die Reichen. Hingegen sind es die Armen wie wir, die leiden werden. Deshalb ist es wirklich beleidigend, sich anhören zu müssen, dass einflussreiche Konzerne, die Kohle fördern und verbrennen, im Interesse der Weltarmen handelten.

Das australische Volk hat die Macht, um über das Schicksal meines Landes und anderer Pazifikstaaten zu entscheiden. Sie müssen Ihrer Regierung sagen, dass Sie sich gründlich mit der Angelegenheit auseinandergesetzt haben und dem menschlichen Leben den Vorrang vor der Förderung und dem Export von Kohle geben. Tun Sie das nicht, müssen Sie bereit sein, Ihre Grenzen zu öffnen, um die Flut von Klimaflüchtlingen aufzunehmen, die vor Ihrer Schwelle erscheinen werden. (Ende/IPS/kb/2014)


Link:
http://www.ipsnews.net/2014/10/opinion-the-front-line-of-climate-change-is-here-and-now-2/

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IPS-Tagesdienst vom 29. Oktober 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Oktober 2014