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RESSOURCEN/025: Guyana - Quecksilbereinsatzverbot geplant, Regierung will Gnadenfrist für Goldsucher (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. November 2012

Guyana: Regionalverbot für Quecksilbereinsatz geplant - Regierung will Gnadenfrist für lokale Goldsucher

von Bert Wilkinson



Georgetown, Guyana, 27. November (IPS) - In der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá verhandeln derzeit lateinamerikanische Regierungsvertreter über ein rechtsverbindliches Verbot für den Einsatz von Quecksilber. Doch Guyana will sich um eine Sonderbehandlung bemühen. So soll ein solches Verbot im Land solange ausgesetzt werden, bis den Goldsuchern vergleichbare alternative Fördermethoden zur Verfügung stehen.

Seit dem Anstieg der internationalen Goldpreise in den letzten fünf Jahren hat sich Gold zum guyanischen Exportschlager gemausert und die einstigen Säulen der Exportwirtschaft wie Zucker, Bauxit und Reis in den Schatten gedrängt.

Die hohen Preise führten ferner dazu, dass kanadische, australische, US-amerikanische, chinesische und brasilianische Firmen Hunderte Millionen US-Dollar in das Land pumpen, um das Edelmetall im großen Stil abzubauen. Der britische Eroberer Sir Walter Raleigh hatte in Guyana das sagenhafte 'El Dorado' vermutet.

Das guyanische Gnadengesuch ist Thema einer Revisionskonferenz des UN-Umweltprogramms (UNEP) vom 26. bis 29. November in Bogotá, an dem Vertreter der Regierung, Geschäftsleute und Aktivisten teilnehmen, um über ein regionales Quecksilbereinsatzverbot zu verhandeln.

Kleine Goldschürfer vermischen das Flüssig-Metall mit dem goldhaltigen Erzgestein. Dabei bildet sich ein Amalgam. Wird es erhitzt, verdampft das Quecksilber und übrig bleibt das Gold. Allerdings ist das auf diese Weise freigesetzte Quecksilber extrem belastend für Mensch und Natur.

Der Kontakt mit dem giftigen Metall verseucht Luft, Böden und Flüsse. Gelangt die Chemikalie über die Gewässer in die menschliche Nahrungskette, drohen Nierenschäden, Arthritis, Gedächtnisverlust, Fehlgeburten, psychotische Reaktionen und Atemnot, aber auch neurologische Schäden und sogar der Tod. Studien zufolge sind weltweit bis zu 15 Millionen Goldsucher dem giftigen Metall direkt ausgesetzt.


600 Millionen Golddollar in diesem Jahr

In diesem Jahr wird das Edelmetall die guyanische Wirtschaft um 600 Millionen Dollar bereichern. Das ist sechs Mal mehr, als Zucker erwirtschaftet. Regierungsvertretern zufolge könnte es noch mehr sein, würde nicht die Hälfte der nationalen Jahresproduktion in Höhe von 640.000 Feinunzen in Nachbarländer wie Suriname und Brasilien verschoben.

Der Delegation des nach Bogotá gereisten Ministers für natürliche Ressourcen, Robert Persaud, gehören auch Goldsucher und Quecksilberlieferanten an. Wie Persaud vor seiner Abreise erklärt hatte, sind 100.000 Guyaner von dem Sektor abhängig. Deshalb müsse für sein Land der Status quo erhalten bleiben, bis sich eine ebenso effiziente Methode der Goldgewinnung gefunden habe.

"Wir importieren große Mengen Quecksilber nach Guyana. Doch gehen wir mit dem Quecksilber verantwortungsvoll um", versicherte der Sprecher der Vereinigung der Goldsucher, Tony Shields. "Wir verwenden weitaus weniger Quecksilber als etwa Brasilianer. Wenn wie keine Gnadenfrist erhalten, wird die Industrie sterben."

Shields zufolge werden die Schürfer im Fall einer drohenden Einschränkung oder eines Verbots von Quecksilber Vorräte anlegen. Denn die meisten schwören auf Quecksilber als effektivste Methode der Goldgewinnung, auch wenn ihre Gesundheit leidet.

Eine jüngste Untersuchung des Guyana-Büros der Umweltorganisation WWF hat bei den Bergleuten, die tagtäglich mit dem Flüssigmetall in Berührung kommen, hohe Quecksilberwerte festgestellt. Das Gleiche galt für Juweliere und Ladenbesitzer im Dschungel, die im Umgang mit dem Rohgold Quecksilberdämpfe einatmen. Viele Goldsucher zahlen ihre Einkäufe vor Ort in Gold.

Kritikern zufolge hat das Wachstum der Branche noch weitere Schattenseiten. So ist die Mordrate im Land von zehn auf 50 Fälle im Jahr gestiegen. Doch am schlimmsten ist die Wasserverseuchung. So berichtet die 'Amerindian People's Association' (APA), die die Situation von neun indigenen Dschungelvölkern dokumentiert, täglich mit Klagen überzogen zu werden, wonach die Gewässer von den Tieren nicht mehr aufgesucht werden.


Auf der Suche nach weniger verseuchtem Wasser

Außerdem berichten Anrainer, dass sie selbst kilometerweit laufen müssten, um ihr Wasser und ihren Fisch aus den weniger kontaminierten Gebirgsbächen zu holen. "Die Situation ist ernst, doch nichts wird dagegen unternommen", meint die APA-Sprecherin Jean LaRose im IPS-Gespräch.

Guyanas Bergbaukommission und WWF haben in den letzten Monaten versucht, die Goldsucher vom Einsatz alternativer Schürfwerkzeuge zu überzeugen, die ohne Quecksilber auskommen. Doch Branchenvertreter winken ab. Das flüssige Metall sei für die Goldgewinnung am effektivsten.

In der Zwischenzeit sitzen etliche große kanadische Unternehmen in den Startlöchern, um mit der großflächigen Produktion in den malariainfizierten Amazonasgebieten zu beginnen. Sie werden aller Voraussicht nach mit Zyanidlauge arbeiten, um das Gold vom Erz zu scheiden. Das Verfahren verseucht ebenfalls die Umwelt. (Ende/IPS/kb/2012)


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http://www.ipsnews.net/2012/11/guyana-seeks-to-shield-gold-miners-from-mercury-ban/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. November 2012