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SOZIALES/012: Sierra Leone - Bergbau im Naturschutzgebiet, Indigenenführer verpachtet Regenwald (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. Dezember 2011

Sierra Leone: Bergbau im Paradies der Schmetterlinge - Indigenenführer verpachtet Regenwald

von Meena Bhandari


Freetown, 30. Dezember (IPS) - Im Gola-Regenwald im westafrikanischen Sierra Leone entzweit der undurchsichtige Deal eines Indigenenführers mit dem britischen Bergbaukonzern 'Sable Mining' die Einheimischen. Die Regierung spricht von einem illegalen Landverkauf und lässt die Modalitäten eines Pachtvertrages prüfen, der dem Unternehmen für die nächsten 50 Jahre ungeachtet eines bestehenden Verbotes den Abbau von Bodenschätzen erlaubt.

Sierra Leones Präsident Ernest Bai Koroma hatte Anfang Dezember 75.000 Hektar des malerischen Gola-Regenwaldes wegen seiner riesigen Artenvielfalt, darunter allein 600 Schmetterlingsarten, zum Nationalpark erklärt.

Noch vor Jahresende wollen Angehörige der Tonkia-Gemeinde ihren Chief Goway Sama wegen des umstrittenen Pachtvertrags vor Gericht bringen, weil er auf eigene Faust und ohne Rücksprache mit ihnen das Land ihrer Vorfahren illegal vermarktet hat. "Als oberster Hüter unseres Traditionslandes darf er es nicht anderen überlassen", betonte Alfred Williams von der Vereinigung der Tonkia-Nachfahren gegenüber IPS.

Williams hatte nach eigenen Angaben erst über die Börsennachrichten erfahren, dass Sable Mining im Mai dem Bergbauunternehmen 'Red Rock Mining' 80 Prozent der Anteile an einem 200 Quadratkilometer großen Regenwaldgebiet abgekauft hatte, das zu den Bagla-Bergen gehört. "Der Deal macht nur den Stammesführer reich, die Tonkia hingegen bleiben arm, ohne Schulen, Krankenhäuser und Jobs für unsere jungen Leute", kritisierte er.

Doch die Gemeinschaft der armen Tonkia ist zerstritten. Etliche erhoffen sich vom Bergbau schnellere und bessere Verdienstmöglichkeiten als von der Umsetzung des staatlichen Förderprogramms zum Schutz des Gola-Regenwalds. Als eine hochrangig besetzte Regierungsdelegation bei den Tonkia anrückte, um sie über das Projekt zu informieren, wurden die Gäste mit Protestplakaten empfangen. Man solle sich die Nöte der einheimischen, sozial ausgegrenzten Bevölkerung anhören, bevor man über ihre Köpfe hinweg über Naturschutzprojekte entscheide, forderten die aufgebrachten Demonstranten.

Der Aktivist Augustine Sannoh von der zivilen Organisation 'East Kenema' klagte: "Trotz eines noch ausstehenden Gerichtsverfahrens mobilisiert Sama eine kleine Gruppe von Befürwortern des Bergbaus, weil er weiß, dass Jagd und Bergbau im Regenwald wirtschaftlich mehr hergeben als Holzsammeln und Fischfang für den privaten Bedarf."

"Wir haben das Gola-Regenwald-Projekt (GFP) bereits mit dem Bau von Straßen, Brücken, Abflusskanälen und medizinischen Zentren unterstützt", berichtete Guy Marris vom GFP. Große Hoffnungen setze man zudem auf den Einstieg in den internationalen Emissionshandel. "Der intakte Regenwald als CO-Senke könnte Millionen US-Dollar einbringen", betonte er.

Nach Presseberichten hatte Sierra Leones Regierung 2005 und 2007 bereits Bergbaulizenzen vergeben, denen das Forstministerium allerdings nicht zugestimmt hat, betonte die Ministeriumsmitarbeiterin Kate Garnett.


Bodenschätze im Wert von 150 Milliarden Dollar

Internationale Bergbaukonzerne werfen seit Jahren begehrliche Blicke auf den an Erzen und Mineralien reichen Regenwald von Gola. Der Wert der Vorkommen wird auf 150 Milliarden Dollar geschätzt. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht in der legalisierten Nutzung und dem Export der reichen Ressourcen eine Chance, das Land wirtschaftlich wieder auf die Beine zu bringen. Die Rede ist von einer für 2012 geschätzten Wachstumsrate von über 50 Prozent.

Doch Jonathan Sharkar, der im Bergbauministerium für die Vorkommen von Mineralien zuständige Abteilungsleiter, versicherte: "Wir hatten noch nie mit Sable Mining Africa zu tun. Der Konzern hat bei uns keine Bergbaulizenzen beantragt."

Ein auf Anonymität bestehender Sprecher des Unternehmens bestätigte gegenüber IPS, man besitze bislang keine Bergbaulizenz für die im Regenwald gelegenen Bagla-Berge. Früher hatte Sable Mining allerdings erklärt, Dokumente, die den Landerwerb bestätigen, seien dem staatlichen Grundbuchamt vorgelegt worden. Die Regierung in Freetown hat diese Behauptung zurückgewiesen. (Ende/IPS/mp/2011)


Links:
http://www.golarainforest.org
http://conservationsl.org/projects/gola-forest-program
http://www.globalwitness.org
http://www.ipsnews.net/print.asp?idnews=106284

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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Dezember 2011