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WISSENSCHAFT/018: Wissenschaftler werben für schadstofffreies New York bis 2030 (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. März 2013

Umwelt: Wissenschaftler werben für schadstofffreies New York bis 2030

von Stephen Leahy



Uxbridge, Kanada, 20. März (IPS) - So wie jeden Morgen schieben sich die energie- und geräuscharmen Pkws durch die Straßen von Manhattan. Tausende von Menschen sind unterwegs und lauschen verzückt dem Frühlingsgezwitscher der Vögel, die sich auf den glitzernden und rußfreien Wolkenkratzern niedergelassen haben. Die Luft ist klar und rein.

Was nach Science Fiction klingt, könnte bis 2030 Wirklichkeit werden, ist Mark Jacobson, Energieexperte an der 'Stanford University', überzeugt. Tatsächlich ließe sich seiner Meinung nach der gesamte Energiebedarf des Bundesstaates New York mit Wind-, Wasser- und Sonnenkraft decken. Dies geht aus einer neuen Studie hervor, die der Wissenschaftler zusammen mit Kollegen erstellt hat.

"New York mit grüner Energie zu betreiben ist nicht nur machbar, sondern nachhaltig und preiswert und würde Menschenleben retten und die Gesundheitskosten verringern", betont Jacobson im IPS-Gespräch. Jedes Jahr sterben im Bundesstaat New York 4.000 Menschen an den Folgen der Luftverschmutzung. Die jährlichen Gesundheitskosten schlagen mit 33 Milliarden Dollar zu Buche.

"Auf Wind-, Wasser- und Sonnenkraft umzustellen, würde die Energiekosten stabilisieren und Arbeitsplätze schaffen. Gleichzeitig ließen sich die Klimaschäden verringern", erläutert Jacobson. Dem Expertenplan zufolge ließen sich 40 Prozent des New Yorker Energiebedarfs durch vor Ort erzeugte Windenergie, 38 Prozent durch Sonnenkraft und der Rest durch eine Mischung aus Wasser-, Geothermie-, Gezeiten- und Wellenstrom generieren.

Alle Fahrzeuge würden mit Strombatterien und/oder Brennstoffzellen angetrieben. Der Einsatz von Luft-Wasser-Wärmepumpen könnte Privathaushalte und Büros wahlweise beheizen oder kühlen. Solarheißwasservorheizer würden für warmes Wasser sorgen, und geothermische Wärmepumpen, Wärmetauscher und elektrische Widerstandsheizungen würden Erdgas und Erdöl überflüssig machen. Die in Industrieprozessen benötigten hohen Temperaturen ließen sich mit Hilfe von Strom und der Verbrennung von Wasserstoff erzeugen.


Technologien vorhanden

Alle diese Energiegewinnungsprozesse lassen sich den Wissenschaftlern zufolge bereits mit den vorhandenen Technologien realisieren. Die neuesten Elektroautos können inzwischen 300 Kilometer zurücklegen, bevor die Batterien wieder ans Netz müssen. Die Kosten für den Bau von Biostromanlagen, Wärmepumpen und andere Gerätschaften hätten sich angesichts sinkender Gesundheits- und Benzinkosten binnen zehn bis 15 Jahren amortisiert. Da grüner Strom zudem weitaus effizienter ist, dürften die Verbraucher mit einem Rückgang der Strompreise um 37 Prozent rechnen.

"Auch Elektroautos sind fünf Mal energieeffizienter als benzinbetriebene Autos und Busse", unterstreicht Jacobson. Sie setzen 90 Prozent in Antriebsenergie um, die herkömmlichen Verbrennungsmotoren hingegen nur 20 bis 25 Prozent. Die Energieeffizienz von Kraftwerken, die mit Kohle und Erdöl betrieben werden und zu allem Übel die Luft verpesten und die Erde erwärmen, liegt bei 33 Prozent.

Die Kosten der Verschmutzung durch fossile Brennstoffe werden weitgehend unterschätzt, wie neue Forschungsergebnisse zeigen. So gehen kanadische Wissenschaftler davon aus, dass jeder einzelne Pkw und jeder Lastwagen pro Jahr Gesundheitskosten in Höhe von 300 bis 800 Dollar verursacht.

"Nicht nur die Verringerung der Emissionen, die von Fahrzeugen und Kraftwerken verursacht werden, sondern auch die Nicht-Reduzierung der Emissionen kostet Geld", meint Amir Hakami, Wissenschaftler an der 'Carleton University' in Ottawa. "Unsere Untersuchungen legen nahe, dass es auf lange Sicht viel teurer kommt, die Verschmutzung zu ignorieren."

In Fällen, in denen die Sonne nicht scheint und auch der Wind nicht ausreicht, gibt es der Untersuchung zufolge mannigfaltige Alternativen. Alle Stromnetze hängen von einer Vielzahl von Stromquellen ab. Die kanadischen Wissenschaftler betonen, dass auch die herkömmlichen Kraftwerke und die AKWs bisweilen über Monate oder Jahre abgeschaltet werden, damit sie repariert werden können.


Stiefkind Energieeffizienz

Um die Umstellung New Yorks auf grünen Strom zu erleichtern, zu beschleunigen und kostengünstiger zu gestalten, muss nach Ansicht von Jacobson an der Verbesserung der Energieeffizienz gearbeitet werden.

Tatsächlich fließe die Mehrheit der Forschungsgelder in Projekte, die auf Energiegewinnung setzten, berichtet Charlie Wilson vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalysen im australischen Laxenberg.

Dabei ließen sich durch die Herstellung von kostengünstigen und hocheffizienten Kühlschränken die Stromkosten erheblich einsparen und die CO2-Emissionen verringern, so Wilson. Auch bei Gebäuden gebe es ein riesiges Energieeinsparpotenzial. Doch da Politiker an der Umrüstung von Gebäuden wenig interessiert seien, gäben sie die öffentlichen Gelder lieber für neue Kraftwerke aus.

"Auch von den Märkten ist in dieser Richtung wenig Gutes zu erwarten, da Energie in vielen Ländern viel zu billig ist", erläutert Wilson. Es wird seiner Ansicht nach nicht leicht sein, hier gegenzulenken. "Denn die Produzenten fossiler Brennstoffe und Energie sind gleichzeitig die weltweit größten Konzerne, die über einen enormen politischen Einfluss verfügen."


"Politik am Zug"

"Führungsstärke ist notwendig, um bis 2030 für ein sauberes, gesundes und schadstofffreies New York zu sorgen", meint Jacobson. "Ich bin mir sicher, dass die Öffentlichkeit zu 100 Prozent hinter der Idee stünde, wüsste sie Bescheid."

"Wirtschaftlich macht der Plan auf jeden Fall Sinn", meint Anthony Ingraffea, Professor für Ingenieurswissenschaften an der 'Cornell University' und Mitautor der Studie. "Jetzt ist die Politik am Zuge." (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.journals.elsevier.com/energy-policy/
http://ehp.niehs.nih.gov/1205561/
http://www.ipsnews.net/2013/03/visions-of-a-sustainable-pollution-free-new-york-by-2030/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 20. März 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. März 2013