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WALD/007: Wald ist nicht gleich Wald - Defizite des REDD-Rettungsplans (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. November 2010

Klima: Wald ist nicht gleich Wald - Defizite des REDD-Rettungsplans

Von Stephen Leahy


Uxbridge, Kanada, 24. November (IPS) - In der Hoffnung auf 'grünes Gold' durch milliardenschwere Emissionszertifikate haben Länder wie Brasilien nach Meinung von Experten die Abholzung ihrer Wälder bereits deutlich verringert. Auf der bevorstehenden UN-Klimakonferenz im mexikanischen Cancún wollen nun Vertreter von rund 200 Staaten abschließend über ein durchaus umstrittenes internationales Modell für den Emissionsrechtehandel beraten.

Das neue Instrument REDD (Reduktion von Emissionen aus Entwaldung und Schädigung von Wäldern) basiert auf der Funktion von Wäldern als Kohlendioxidspeicher. Beobachter sehen das Modell als einzigen gangbaren Weg, um jährlich zehn Milliarden bis 30 Milliarden US-Dollar für den Erhalt der Wälder zusammenzubringen. Das Fällen von Bäumen trägt bisher 15 bis 20 Prozent zum globalen Ausstoß von Treibhausgasen bei. Der Waldschwund treibt außerdem das Artensterben und die Zerstörung der Ökosysteme voran.

Im Rahmen von REDD können Industrieländer ihre eigenen CO2-Emissionen dadurch ausgleichen, dass sie für den Erhalt der tropischen Wälder zahlen. So können etwa Betreiber von Stahlfabriken und Kohlekraftwerken auf dem freien Markt Emissionszertifikate erwerben und dadurch ihre Klimabilanz verbessern. Die Unterstützer des Modells fordern außerdem, dass der Norden zu einer Reduzierung seiner Schadstoffausstöße verpflichtet werden müsse.

Bäume nehmen bei der Fotosynthese Kohlendioxid auf, reinigen dadurch die Luft und begrenzen die Temperaturen auf der Erde. Wenn ein Wald abgeholzt wird, geht nicht nur ein wichtiger CO2-Speicher verloren. Auch der größte Teil des bereits absorbierten Klimagases wird dadurch freigesetzt.


REDD hat noch viele Lücken

Theoretisch betrachtet schützt REDD also die Wälder, bewahrt die Artenvielfalt, reduziert den Ausstoß von Treibhausgasen und verschafft der Bevölkerung in Entwicklungsländern einen finanziellen Ausgleich. In der Praxis zeigt das Modell allerdings noch starke Defizite. Naturwälder würden bisher nicht durch REDD geschützt, kritisierte Peg Putt von der US-Umweltorganisation 'Wilderness Society'. Selbst das verbesserte Schema REDD+, das einen besonderen Schwerpunkt auf den Schutz der Biodiversität lege, könne nicht alle Lücken schließen.

"Garantien für einen vollständigen Schutz der Wälder gehören bisher nicht zum Inhalt von REDD", sagte Putt Ende Oktober am Rande der zehnten Vertragsstaatenkonferenz der Konvention über biologische Vielfalt im japanischen Nagoya. "Länder der Europäischen Union und Kanada definieren zudem die industrielle Holzverwertung als nachhaltiges Waldmanagement", beanstandete er.

Über die genaue Definition eines Waldes wird weiterhin intensiv debattiert. Wie der Wissenschaftler Toshinori Okuda von der Universität im japanischen Hiroshima erklärte, spricht man bisher dann von einem Wald, wenn der Baumbestand mindestens zehn Prozent eines Gebietes umfasst.

Viele Staaten wollen auf der Klimakonferenz vom 29. November bis 10. Dezember in Cancún erreichen, dass auch Plantagen als Wälder gelten und somit für den Emissionshandel genutzt werden können. Andererseits wehren sich genau diese Länder gegen Strafen für das Abholzen natürlicher Wälder, an deren Stelle neue Pflanzungen entstehen. Da die Artenvielfalt in Plantagen sehr begrenzt ist, werden sie als 'grüne Wüsten' betrachtet.

Laut Okuda ist es außerdem schwierig und kostspielig, genau zu bestimmen, wie viel CO2 über welchen Zeitraum in einem Wald gespeichert wird. "Die Einkünfte aus dem Emissionshandel werden nicht ausreichen, um alle Untersuchungen sachgemäß durchzuführen", warnte er. Um langfristige Beobachtungen, das Waldmanagement und Verhandlungen über Landnutzungen zu finanzieren, seien zusätzliche Mittel notwendig.

Wälder setzten Sauerstoff frei, reinigten und filterten Wasser, verhinderten Überschwemmungen und böten vielen Arten ein Habitat und Nahrung, sagte der japanische Forscher. Wie diese natürlichen Leistungen wirtschaftlich zu bewerten seien, müsse jedoch noch festgelegt werden.


Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung missachtet

"Staatliche Abkommen lassen außerdem für gewöhnlich den Standpunkt der Bevölkerung am Ort außer acht", kritisierte Imam Basuki vom indonesischen 'Centre for International Forestry Research' (CIFOR). Hunderte Millionen Menschen auf der Welt hätten Rechte auf die Nutzung von einem Drittel bis einer Hälfte aller Wälder. "Schutzmaßnahmen und eine neue Landnutzung müssen auf die Bedürfnisse dieser Menschen Rücksicht nehmen", forderte Basuki im Gespräch mit IPS.

Wälder sind demnach nicht nur eine Ansammlung von Holz und Kohle, sondern auch heilige Orte, deren Biodiversität das Überleben der lokalen Gemeinschaften sichert. Auf Borneo beispielsweise nutzen die Waldbewohner regelmäßig rund 1.400 der 2.000 bekannten Pflanzenarten. Einige Spezies seien für sie unersetzbar und nirgendwo anders zu finden.

Die einheimische Bevölkerung besitzt allerdings in den meisten Fällen keine Landtitel. Beobachter befürchten nun, dass die durch REDD generierten Einkünfte zu einer regelrechten Jagd nach Land führen könnten. Selbst dort, wo die Besitzverhältnisse geklärt sind, drohen den Anwohnern Nachteile. Da die Unternehmen, die Emissionszertifikate erwerben, Garantien für einen nachhaltigen Schutz der Wälder erwarten, könnten die Menschen am Ort daran gehindert werden, dort künftig weiterhin Brennholz zu sammeln oder Wild zu erlegen.


Waldverlust in Asien besonders groß

Laut Ferry Silk, der für den Botanischen Garten in Xishuangbanna in der chinesischen Provinz Yünnan arbeitet, schreitet die Entwaldung vor allem in Asien stark voran. Am schlimmsten betroffen seien Neuguinea, Borneo und Sumatra. In der Region sterben auch mehr Arten als anderswo auf der Welt aus. Die Hälfte aller Säugetiere und 60 Prozent der Fischarten sind demnach bedroht.

Michael Sweatman von der US-Umweltorganisation 'WILD Foundation' kritisierte indes, dass die Vorbereitung von REDD viel zu lange gedauert habe. Schwierige Details hätten bereits vor zehn Jahre geklärt werden können, meinte er. Sweatman forderte deshalb Übergangsregelungen, um ohne weitere Verzögerungen die Finanzierung von Projekten in geschützten tropischen Wäldern und angrenzenden Gebieten sicherzustellen. (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://unfccc.int/2860.php
http://www.wwf.de/themen/waelder/klima-wald/redd/
http://wilderness.org/
http://www.cifor.cgiar.org/
http://www.wild.org/
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=53648


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 24. November 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. November 2010