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WALD/124: REDD+ Ein umfassender Ansatz für Menschen, Wald und Klima (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2013
Markt oder Staat - Wer gibt den Ton an?

REDD+
Ein umfassender Ansatz für Menschen, Wald und Klima

von Hermine Kleymann



Jährlich verliert die Erde durch Waldzerstörung 13 Millionen Hektar Wald - eine Fläche so groß wie Österreich und die Schweiz zusammen. 90 Prozent der Entwaldung findet in den Tropenwaldländern statt. Die Waldvernichtung hat verheerende Auswirkungen auf das Klima. Aus ihr resultieren bis zu 20 Prozent aller Treibhausgasemissionen weltweit. Um die Erderwärmung unter der kritischen Schwelle von zwei Grad Celsius zu halten, muss die Waldvernichtung jetzt gestoppt werden. Im Jahr 2005 wurde deshalb die Klimarelevanz der Wälder folgerichtig vom UN-Prozess unter der Klimarahmenkonvention aufgegriffen und wird seitdem Schritt für Schritt in einen Mechanismus überführt, der Finanzierung für reduzierte Entwaldung und Waldschädigung durch die Industrieländer bereitstellt und somit Anreize schafft, durch Walderhalt Emissionen zu vermindern, kurz: REDD+.(1)


REDD+ eröffnet die Chance, durch Waldschutz Klimaschutz zu erzielen. Das ist aber noch nicht alles. Es geht dabei um viel mehr als nur die vermiedene Tonne CO2 finanziell zu honorieren. Es geht insbesondere um die Stärkung von nationalen Verwaltungsstrukturen und Landrechten, um die Schaffung von Lebensgrundlagen, den Erhalt von Naturwäldern und die Förderung von Umweltintegrität.(2) Es geht auch darum, die internationale Nachfrage und Konsummuster, die auf illegaler und nicht nachhaltiger Waldnutzung basieren, einzudämmen beziehungsweise aufzulösen. All dies ist das Potenzial von REDD+. Unter einer Bedingung: alle machen mit!


Meilensteine einer Bilanz von REDD+

Der erst fünf Jahre alte REDD+ Mechanismus hat bereits einige signifikante Erfolge zu vermelden, die es verdienen exemplarisch hervorgehoben zu werden und an denen jetzt unbedingt weiter gearbeitet werden muss.


International bis lokal: REDD+ bringt Akteure und Ressourcen auf allen Ebenen zusammen

International - Seit 2008 wurden den Entwicklungsländern rund 7,2 Milliarden US Dollar für die Ausarbeitung ihrer REDD+ Programme von der internationalen Gebergemeinschaft zugesagt. Mehr als 40 REDD+-Länder sind dabei nationale und sektorübergreifende Programme zu entwickeln, die die zerstörerische Entwaldung und die daraus resultierenden Emissionen beenden sollen. Zahlreiche multilaterale und bilaterale Initiativen haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Entwicklungsländer in diesen Bemühungen zu unterstützen.(3)

Regional - REDD+ ist an die jeweiligen Gegebenheiten und lokalen Bedürfnisse anpassungsfähig. So sieht auf regionaler Ebene COICA, die Indigenendachorganisation des Amazonasbeckens, die mehr als 2,7 Millionen Indigene repräsentiert, in REDD+ ein innovatives Instrument, 170 Millionen Hektar bewaldete indigene Territorien, verteilt auf neun Länder, zu schützen. Nach dem »Indigenous REDD Proposal« steht die Finanzierung all jener Aktivitäten im Vordergrund, die auch in der Vergangenheit dazu geführt haben, dass der Wald in diesen Gebieten geschützt bleibt, insbesondere die Sicherung der Land(nutzungs)rechte, der Förderung der Ökosystemdienstleistungen des Waldes und die Entwicklung der Menschen vor Ort.

National - Ausgearbeitete nationale REDD+-Strategien können bereits Länder wie etwa Mexiko, Kolumbien, Guyana oder die Demokratische Republik Kongo (DRC) vorweisen. Diese Strategien beinhalten unter anderem die institutionelle Verankerung von REDD+, Kontrollmechanismen zur Überwachung der Entwaldung, neue Gesetze, insbesondere die Klärung von Landrechten und Methoden zur Bekämpfung von Entwaldungstreiber. Mexiko hat sich in seiner Strategie das ambitionierte Ziel gesetzt die Entwaldung bis zum Jahr 2020 zu stoppen. In Kolumbien ist REDD+ als Säule in der nationalen Entwicklungsstrategie integriert. In Guyana sind die REDD+-Waldschutzaktivitäten wichtiger Bestandteil der sektorübergreifenden nationalen emissionsarmen Entwicklungsstrategie.

Subnational - Übergang zur Umsetzung der nationalen Strategie, haben viele Länder bereits angefangen REDD+-Projektansätze in Verwaltungsstrukturen auf subnationaler Provinz- oder Bundeslandebene einzubetten (sogenannter »jurisdictional approach«), so unter anderem in Indonesien, der Demokratischen Republik Kongo (DRC), Laos, Peru oder Brasilien. Die DRC hat dafür eine mehr als zwölf Millionen Hektar große Fläche ausgewiesen, auf der ein Emissionsreduktionsprogramm ausgerollt werden soll, das insbesondere die Entwaldungstreiber der Brandrodung und Brennholzgewinnung adressiert und alternative Landnutzungs- und Entwicklungsmöglichkeiten anbietet. Diese Verknüpfung mit übergeordneten Verwaltungsstrukturen ist aus dreierlei Gründen zu begrüßen: zum einen wird ein integrierter Berechnungsrahmen auf subnationaler(4) und nationaler Ebene aufgebaut, der alle Emissionsreduktionen auf Projektebene umschließt und somit das Risiko einer doppelten Verrechnung dieser Reduktionen ausschließt. Darüber hinaus wird das Risiko der Verlagerung der Entwaldung auf andere Gebiete kontrollierbarer und letztlich wird gewährleistet, dass auch die Lokalregierungen REDD+ in ihre politische Planung aufnehmen.

Lokal - Auch auf lokaler Ebene kann REDD+ Erfolgsgeschichten erzählen, vorausgesetzt REDD+ wird als Katalysator für Teilhabe, Konsultation, Klärung von Landrechten und Entscheidungsprozesse eingesetzt, die ganz klar das Rückgrat von REDD+ bilden. So konnten zum Beispiel in der DRC durch erste Landnutzungsplanungen anhand von sogenannten »community mapping« Landnutzungskonflikte mit benachbarten Stämmen beigelegt werden, da Landrechte geklärt wurden.(5) Durch die Bildung lokaler REDD+-Komitees, wurde den mexikanischen Waldgemeinschaften erfolgreich eine Stimme im politischen Entscheidungsprozess verliehen. Ähnliche Komitees sind auch in Peru zu finden. Wichtig ist auch, dass die Waldbevölkerung selbst entscheidet, wie und in welcher Form sie die Vorteile von REDD+ sich zu Nutze machen möchte. So konnten beispielsweise das Socio Bosque Programm in Ecuador, oder Community REDD+ Projekte in Kenia und Uganda(6) nur deshalb Erfolg haben, weil die Bevölkerung Aktivitäten identifiziert hat, die ihnen erlauben, sich nachhaltig zu entwickeln ohne dies auf Kosten der Wälder zu tun.


REDD+ Finanzierung

Der internationalen Aufmerksamkeit für REDD+ ist es zu verdanken, dass innerhalb von fünf Jahren 7,2 Milliarden US Dollar für das Programm zugesagt wurden. Dies ist einmalig in der Geschichte der Naturschutzfinanzierung. Noch nicht ausgezahlte Anteile dieser Gelder müssen jetzt dringend effektiv programmiert werden.

Die Finanzierung für REDD+ wird in Zukunft aus mehreren Quellen stammen - öffentlich, privat, fondbasiert oder marktbasiert. Die Entwicklungsländer können selbst entscheiden, welche Finanzierung sie bevorzugen. Wichtig ist, dass auch Anreize geschaffen werden, die Wälder und ihre Kohlenstoffreserven zu schützen, also »conservation« als eine Aktivität im Plus von REDD+ zu fördern. Da insbesondere die Kongobeckenländer noch viel Wald aufweisen, könnte eine rein emissionsbasierte (unter anderem marktbasierte) Finanzierung dort falsche Anreize setzen und die Länder zum Abholzen bewegen um von REDD+ zu profitieren. Was wir aus dem aktuellen Beispiel des EU-Kohlenstoffmarktes gelernt haben ist, dass insbesondere die Verknappung von Zertifikaten durch starke Emissionsreduktionsziele der Industrieländer die Grundlage für einen stabilen Preis pro Tonne Kohlenstoff ist. Unter den gegebenen Emissionsreduktionszusagen sind wir weit davon entfernt in Zukunft einen soliden Marktmechanismus zu haben, der dazu noch fähig sein soll, zusätzliche REDD+-Zertifikate aufzunehmen. Nicht zuletzt aus diesem Grund, muss REDD+ ein Finanzierungsfenster im Green Climate Fond erhalten.


Way Forward: Stärkung und Weiterentwicklung kluger Ansätze

Die oben beschriebenen Ansätze sind gut, sofern sie auch gut umgesetzt werden und erfolgreiche Aktivitäten auf lokaler Ebene den nationalen Rahmen formen. Negativbeispiele auf Projektebene hätten vermieden werden können, hätten die Projektentwickler auf die »Stimmen im Wald« gehört. Deshalb ist jetzt wichtig, dass sinnvolle und erfolgreiche Initiativen die Programmierung noch ausstehender Finanzierung beeinflussen. Dies ist eine spannende und herausfordernde Aufgabe, die jedoch viel Fingerspitzengefühl und Engagement von allen Akteuren erfordert. Weitere - insbesondere öffentliche - Gelder müssen jetzt dringend zugesagt werden, da die Anschubfinanzierung Ende 2012 ausgelaufen ist. Es muss weiterhin sichergestellt werden, dass der Großteil dieser Gelder bei den Menschen in den Wäldern ankommt. REDD+ ist noch lange kein perfekt ausgearbeiteter Mechanismus und noch gibt es viele Schlupflöcher, die es zu schließen gilt. Dennoch bietet REDD+ den Entwicklungsländern eine einmalige Chance. Als NGOs haben wir die Aufgabe aus dieser Chance das bestmögliche herauszuholen um gemeinsam mit allen Partnern einen soliden REDD+-Mechanismus mit einem starken Rückgrat aus Governance und Safeguards zu entwickeln. Für das Klima, die Menschen und die Natur - Alle zusammen!


Die Autorin ist seit 2010 Referentin für REDD Politik beim WWF in Berlin. Derzeit arbeitet Hermine Kleymann im WWF Regionalbüro für Zentralafrika in Kamerun an der Umsetzung von REDD+ in den Kongobeckenländern.


Anmerkungen

(1) Reduced Emissions from Deforestation and Degradation; + = conservation of forest carbon stocks, sustainable management of forest and enhancement of forest carbon stocks.

(2) Siehe COP 16 und COP 17 Entscheidungen zu REDD.

(3) So u.a. die REDD+ Partnerschaft, FCPF, UN-REDD, FIP, die Internationale Wald- und Klimainitiative der Norweger (NICFI), oder auch die deutsche Internationale Klimainitiative des BMU und das Early Mover Program der KfW und GIZ.

(4) Subnational nur solange es noch keinen nationalen Rahmen gibt.

(5) Siehe DRC-Case Study, http://www.panda.org/forestclimate.

(6) http://redd-net.org/files/Benefit%20Sharing%20Toolkit.pdf.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2013, S. 10-11
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
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Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juni 2013