Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

WASSER/048: Indien - Flussinsel Majuli vor dem Untergang, Flut treibt Bodenerosion voran (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. Dezember 2011

Indien: Flussinsel Majuli vor dem Untergang - Flut treibt Bodenerosion voran

von Ranjita Biswas

Abfahrt zur Insel Majuli - Bild: © Ranjita Biswas/IPS

Abfahrt zur Insel Majuli
Bild: © Ranjita Biswas/IPS

Majuli, Indien, 12. Dezember (IPS) - Majuli im Osten Indiens war früher eine der größten bewohnten Flussinseln der Welt. Häufige Überschwemmungen lassen das im Brahmaputra-Strom gelegene Eiland jedoch immer weiter schrumpfen.

Voll besetzte Fähren, die vom Hafen Neamatighat aus starten, bringen Scharen von Besuchern nach Majuli, wo Feiern zu Ehren der hinduistischen Gottheit Vishnu stattfinden. Musik, Gesang und Theateraufführungen ziehen viele neugierige Zuschauer an. Die Insel ist ein Zentrum der jahrhundertealten Vaishnava-Kultur.

Beobachter fühlen sich in Majuli weit entfernt vom Zeitalter der Globalisierung, das Indien mit Shopping-Malls und anderen Auswüchsen der Konsumkultur überzieht. Die meisten Straßen dort sind unbefestigt, und die Menschen leben vorwiegend von der Landwirtschaft.

Doch der Schein der Idylle trügt. Der mächtige Brahmaputra-Strom hat bereits einen großen Teil der Insel weggespült. Viele Klöster sind inzwischen auf das Festland umgezogen. Es wird befürchtet, dass Majuli mit seinen historischen Kultstätten irgendwann in den Fluten untergehen wird.

Zahlen der Regierung von Assam belegen, dass sich die Fläche von Majuli von 1.246 Quadratkilometern 1950 auf nur noch 480 Quadratkilometer im Jahr 2001 verkleinert hat. "Als ich ein Kind war, hatte die Insel die doppelte Größe", erinnert sich der 61-jährige Kanak Bharali, der im Auniatoi-Kloster lebt.


Inselbewohner ziehen auf das sichere Festland

"Viele Wohlhabende sind in die Stadt Jorhat in Assam gezogen", sagt Ruplekha Borah, die an der Landwirtschaftsuniversität in Jorhat lehrt, im Gespräch mit IPS. "Die Bildungschancen für Kinder und die Infrastruktur sind hier besser."

Die Insel wurde auch durch den Sozialaktivisten Sanjoy Ghose bekannt, der für die Entwicklung ländlicher Regionen kämpfte. 1997 wurde er von Rebellen der 'United Liberation Front of Asom' (ULFA) ermordet. Seine Leiche wurde niemals gefunden.

Die Landerosion auf Majuli ist Teil eines größeren Klimaproblems. Das Tal von Assam, durch das das Brahmaputra fließt, wird in regelmäßigen Abständen überschwemmt. Um den Fluss am Übertreten seiner Ufer zu hindern, sind über die Jahre unterschiedliche Techniken angewandt worden.

Der Brahmaputra entspringt in Tibet und fließt später mit den im Himalaja entspringenden Flüssen Lohit und Dibong zusammen. Von Ostindien aus führt er weiter nach Bangladesch, wo er Jamuna genannt wird.

Wegen seiner vielen Nebenflüsse bringt der Brahmaputra viel Schlamm in das Tal von Assam. Im Laufe des Jahres hat sich das Flussbett stark angehoben. Von einem Ausbaggern des Flusses raten Experten aus praktischen Gründen ab. Immerhin ist der Fluss allein in Assam 650 Kilometer lang.

Binoy Dowrah, ein älterer Bewohner der Stadt Dibrugarh, erinnert sich an das große Erdbeben von 1950, das ebenfalls zu einem Anstieg des Flussbettes führte. In Dibrugarh, wo der Brahmaputra am breitesten ist, hob sich das Flussbett um mindestens drei Meter. Überschwemmungen und Bodenerosion waren die Folge.

Um den Fluss im Zaum zu halten, ließ die Regierung des Bundesstaates an den Ufern der Insel Majuli Deiche bauen. Weitere Befestigungsmaßnahmen sind geplant. "Das größte Problem sind die Schlammablagerungen in dem Fluss. Wir müssen daher eine langfristige Strategie entwickeln", sagt Nibaran Baruah von der Behörde für Wasserressourcen (WRD) in Assam. Allerdings müsse mit erheblichen Kosten gerechnet werden.


Wiederaufforstung kann Erosion aufhalten

Andere Experten empfehlen die Wiederaufforstung von Gebieten am Oberlauf des Brahmaputra. Mriganka Deka, der ebenfalls für WRD arbeitet, verwies auf ein ähnliches Programm, das in China im Stromgebiet des Huang-ho auf einer Länge von fast 3.000 Kilometern umgesetzt wurde. Nach Einschätzung von Deka wäre ein solches Projekt in Indien nur mit internationaler Unterstützung denkbar.

Ein weiteres Mittel gegen die Überschwemmungen wären die Anlage von Auffangbecken für Hochwasser und die Befestigung der Ufer. Auch wäre ein Flutwarnsystem sinnvoll, um die Anrainer rechtzeitig vor Überschwemmungen zu warnen. Die Asiatische Entwicklungsbank stellt etwa 114 Millionen US-Dollar für ein Projekt des Bundesstaates Assam zur Eindämmung von Überschwemmungen und Erosion von Flussufern bereit. Die Gesamtkosten werden auf 142 Millionen Dollar geschätzt. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.aau.ac.in/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106136

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 12. Dezember 2011
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Dezember 2011