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WASSER/096: Nahost - Entsalzungsanlage für den Gazastreifen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 31. August 2012

Nahost: Entsalzungsanlage für den Gazastreifen

von Thalif Deen



Stockholm, 31. August (IPS) - Mit Unterstützung der Europäischen Union, der Vereinten Nationen und arabischer Geber will die Palästinensische Autonomiebehörde den Bau einer Wasserentsalzungsanlage im Gazastreifen zu Kosten von einer halben Milliarde US-Dollar vorantreiben.

Am Rande einer internationalen Konferenz zum Thema Wasser, die vom Internationalen Wasserinstitut Stockholm (SIWI) ausgerichtet wurde, kündigte Shaddad Attili, Minister und Chef der palästinensischen Wasserbehörde, die Pläne für die Entsalzungsanlage an, die den Palästinensern das dringend benötigte Trinkwasser liefern soll. 1,6 Millionen Palästinenser seien derzeit von einer der wichtigsten Ressourcen angeschnitten, die der Mensch zum Überleben brauche.

Wenn die internationale Staatengemeinschaft vor einer drohenden globalen Wasserkrise in naher Zukunft warnt, wird selten auf die derzeitigen Nöte der Palästinenser in den von Israel besetzten Territorien hingewiesen. Mehr als 90 Prozent des Wassers im von Israel abgeriegelten Gazastreifen ist für den menschlichen Konsum ungeeignet. Einen Zugang zu sicherem Trinkwasser gibt es nicht.

Die geplante Entsalzungsanlage ist das erste Vorhaben, das einstimmig von den 43 Mitgliedern der Union für das Mittelmeer (UfM) gebilligt wurde. Es handelt sich um das bisher größte Infrastrukturprojekt im Gazastreifen. Die Bauarbeiten sollen Anfang 2013 beginnen und bis 2016 abgeschlossen werden.


EIB und UNEP an Projekt beteiligt

Finanziert wird die Anlage in erster Linie von arabischen und europäischen Gebern, die 2009 auf der Konferenz im ägyptischen Sharm el-Scheikh über den Wiederaufbau des Gazastreifens entsprechende Zusagen gemacht hatten. Die Europäische Investitionsbank (EIB) leistet technische Hilfe, während das UN-Umweltprogramm UNEP das Konzept als einzige langfristige Alternative für die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung der Region unterstützt.

Eine Kerngruppe aus internationalen Finanzinstitutionen, der unter anderem die EIB, die Weltbank und die Islamische Entwicklungsbank angehören, plant einen Projektfonds, um die für den Bau benötigten Finanzmittel zu kanalisieren.

Nach Ansicht von Rafiq Husseini, der als stellvertretender Generalsekretär der UfM für Umwelt und Wasser zuständig ist, hat das Projekt "weitreichende regionale Auwirkungen". Jeder sei sich der "humanitären, politischen und auf Entwicklung bezogenen Bedeutung" bewusst.

Ob sich das Vorhaben letztlich realisieren lässt, wird allerdings von Israel abhängen. Das Land wird beschuldigt, die Beschränkung der Wasserzufuhr als politische Waffe gegen die Palästinenser einzusetzen. Zwischen 2001 und 2011 zerstörte Israel zudem Infrastrukturen im Wert von etwa 61 Millionen Dollar, darunter Flughäfen, Schulen, Wohnhäuser, Waisenhäuser und Kläranlagen.

Rund 36 Millionen Dollar der Gesamtfinanzierung wurden von der Europäischen Union getragen. Darin enthalten sind Beiträge von Frankreich, den Niederlanden, Großbritannien und Irland.

Auf die Frage nach einem möglichen israelischen Luftangriff auf eine solche Entsalzungsanlage entgegnete Husseini, die Risiken für die Bevölkerung wären höher, wenn die Anlage nicht gebaut würde.

In einem am Sitz der Vereinten Nationen in New York veröffentlichten Bericht hatte die Ständige Beobachtermission für Palästina 2010 die faire Verteilung von Wasser als entscheidenden Faktor für die künftige Stabilität und Friedenssicherung in der Region bezeichnet. "Wasser steht im Zentrum des palästinensisch-israelischen Friedensprozesses und ist einer der permanenten Statusfragen neben den Punkten, die sich auf Jerusalem, die Grenzen, die Flüchtlinge, die Siedlungen und die Sicherheit beziehen."

Nach der Besetzung der Palästinensergebiete 1967 übernahm Israel die Kontrolle über alle Süßwasserquellen und verletzte damit das Völkerrecht. Damit habe sich das Land den alleinigen Zugang zu oberirdischem Gewässern und unterirdischen Aquiferen in den besetzten Gebieten einschließlich Ost-Jerusalem sowie zum Flusssystem des Jordans gesichert, heißt es in dem Report.


Gewalt seitens Israels hat für Palästinenser auch wirtschaftliche Folgen

Im Juli hatte das UN-Sonderkomitee, das sich mit dem Vorgehen Israels befasst, auf die schrecklichen Lebensbedingungen in den Palästinensergebieten hingewiesen. Der Wassermangel ist längst nicht das einzige Problem. Nach einem Besuch im Gazastreifen äußerte sich das dreiköpfige Gremium besorgt über die Zerstörung der palästinensischen Infrastrukturen durch Israel, die fortgesetzte Gewalt israelischer Siedler und die wirtschaftlichen Folgen dieser Übergriffe für die Palästinenser.

Der Vorsitzende des Ausschusses, der srilankische UN-Botschafter Palitha Kohona, kritisierte die "Massengefangennahme der Palästinenser, die routinemäßige Zerstörung von Wohnhäusern, die Vertreibung der Bevölkerung, die verbreitete Gewalt israelischer Siedler gegen Palästinenser sowie die Blockade, die die Menschen von Schmuggelaktivitäten abhängig gemacht hat". Laut Kohona münden diese Praktiken Israels in einer Strategie, die die Palästinenser entweder von ihrem Land vertreibt oder an den äußersten Rand drängt. Damit könne ein System der ständigen Unterdrückung aufrecht erhalten werden. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.siwi.org/
http://www.ufmsecretariat.org/en/
http://www.eib.org/
http://www.unep.org/
http://www.ipsnews.net/2012/08/despite-possible-attacks-gaza-plans-half-billion-dollar-desalination-plant/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. September 2012