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WASSER/139: Interview - Wassermanagement in Entwicklungs-und Industrieländern (spektrum - Uni Bayreuth)


spektrum - Universität Bayreuth
8. Jahrgang. Ausgabe 1. November 2012

Wasser, ein knappes Gut
Zum Wassermanagement in Entwicklungs- und Industrieländern

Interview mit Dr. Ines Dombrowsky von Nora Marie Zaremba



Zaremba: Wie sinnvoll ist die Unterscheidung zwischen westlichen Ländern und Entwicklungsländern in Wasserfragen?

Dombrowsky: Wasserknappe Länder sind ökonomisch betrachtet gar nicht unbedingt die ärmsten Länder. Man muss nämlich unterscheiden zwischen physischer und ökonomischer Wasserknappheit. Von physischer Wasserknappheit betroffen sind auch Industriestaaten wie der Südwesten der USA sowie aufsteigende Schwellenländer wie Teile von China oder die arabische Halbinsel. Entwicklungsländer, darunter viele Länder in Subsahara-Afrika, sind eher von ökonomischer Wasserknappheit betroffen. Viele Menschen in Entwicklungsländern haben keinen Zugang zu erschwinglichem Wasser in ausreichender Menge und Güte. Diese Missstände sind auf finanzielle und institutionelle Gründe sowie fehlende Kapazitäten zurückzuführen - sie fallen in den Bereich Wasser-Governance.

Zaremba: Warum sind denn die Wasserprobleme der Entwicklungsländer auch die der westlichen Welt?

Dombrowsky: Zu allererst müssen indirekte Wasserflüsse in beide Richtungen betrachtet werden. Hier spielt das Thema "Virtuelles Wasser" eine große Rolle. Dabei kann der Konsum von Produkten in Industriestaaten, die in wasserknappen Ländern hergestellt wurden, dort lokal die Wasserknappheit oder Verschmutzung verstärken. Aber Industriestaaten können durch Lebensmittelexporte in wasserarme Entwicklungsländer die Wasserknappheit dort auch abschwächen. Denn dann wird dort weniger Wasser für die Landwirtschaft benötigt. Zum Beispiel hat Ägypten in der Vergangenheit relativ große Mengen Getreide aus den USA importiert, also sogenannte virtuelle Wasserimporte.

Zaremba: Lebensmittelexporte der Industriestaaten in wasserarme Regionen können also helfen. Müssen wir aber generell unseren westlichen Lebensstil ändern, damit sich die Wasserproblematik global entspannt?

Dombrowsky: Ich sehe das nicht so. Wie wir hier unser Wasser im Alltag nutzen, hat einen lokalen Effekt. Global betrachtet spielt nicht unser Wasserverbrauch, sondern unser Konsumverhalten die tragende Rolle. Das liegt am virtuellen Wassergehalt in Nahrungsmittel oder Kleidern. Durch unser Konsumverhalten haben wir den eigentlichen Einfluss auf globale Wasserressourcen.

Zaremba: Das schränkt uns möglicherweise in unserem Konsum ein, davon sind wir direkt betroffen. Aber sonst: Warum kann es uns nicht gleichgültig sein, wenn es woanders auf der Welt immer trockener wird?

Dombrowsky: Intakte Wasserökosysteme in Entwicklungsländern können für uns einen Existenzwert haben. Wir mögen aus einer Region in einem Entwicklungsland zwar keinen direkten Nutzen ziehen, weil wir ganz woanders wohnen, aber die Existenz dieser Region ist uns wichtig und deshalb sind wir auch bereit, für seinen Erhalt zu zahlen. Ein weiteres Argument, warum die Probleme der Entwicklungsländer uns etwas angehen, ist unser Anreiz zur Unterstützung, auch aus dem Interesse heraus, zwischenstaatliche Konflikte um Wasser zu verhindern.

"Global betrachtet (...) spielt unser Konsumverhalten die tragende Rolle."

Zaremba: Was sind denn eigentlich die Hauptprobleme der Entwicklungsländer beim Thema Wassernutzung?

Dombrowsky: Wasserprobleme der Entwicklungsländer sind zu unterscheiden in physische und ökonomische Wasserknappheit. Weiterhin spielt das Problem der Wassersicherheit eine Rolle. Oft wird ja nur von Wasserknappheit geredet, aber zu viel Wasser, durch Überflutungen und andere Extremwetterereignisse, kann auch zu einer Gefahr werden. Weiterhin kommt das Problem der Basissanitärversorgung hinzu, wie fehlende oder unzureichende Abwasserentsorgung. Mit der richtigen Technologie könnten viele dieser Probleme gelöst werden.

Entwicklungsländer sind aber über diese genannten Probleme hinaus häufig von Governance-Problemen betroffen. Als Forschungseinrichtung untersuchen wir solche Governanceprozesse in Entwicklungsländern, also die beteiligten Akteure, ihre Entscheidungsprozesse und Institutionen und inwiefern diese einem nachhaltigen Wassermanagement zuträglich sind.

Zaremba: Brauchen unterschiedliche Regionen unterschiedliche Konzepte von Wassermanagement?

Dombrowsky: Erneut muss hier zwischen physischer und ökonomischer Wasserknappheit unterschieden werden. In reichen, aber wasserarmen Ländern können beispielsweise Meerwasserentsalzungsanlagen gebaut werden, wenn sie dort ökonomisch Sinn machen. Darüber hinaus müssen aber Anreize zum Wassersparen getroffen werden. Entwicklungsländer, die von ökonomischer Wasserknappheit betroffen sind, brauchen eine funktionierende Wasser-Governance und finanzielle und technische Hilfe in der Wasserversorgung, wie den Bau von Brunnen und entsprechender Wassersysteme.

Zaremba: Wasser als kommerzielles Gut und als Menschenrecht: Braucht Wasser einen Preis?

Dombrowsky: Wasser braucht dann einen Preis, wenn es als Dienstleistung angeboten wird und diese mit Kosten, zum Beispiel dem Bau und Betrieb entsprechender Leitungssysteme, verbunden ist. Ein minimaler Verbrauch sollte günstig oder kostenfrei sein, damit ein Mensch sein Grundbedürfnis auf Wasser stillen kann. Ich würde dann davon sprechen, dass das Menschenrecht auf Wasser gewährleistet ist. Natürlich treten Konflikte auf. Die Wasserversorgung soll kostendeckend sein, damit die Kosten der Bereitstellung gedeckt sind. Wasser soll aber auch für die Armen erschwinglich bleiben. Und natürlich muss mögliche Wasserknappheit berücksichtigt werden, es muss also effizient verteilt werden. Es ist nicht leicht einen Ansatz zu finden, der diesen drei Anforderungen gerecht wird.

Zaremba: Welche Lösungsansätze gibt es?

Dombrowsky: In vielen Entwicklungsländern wird der sogenannte "Increasing Block Tariff" (IBT) angewandt. Beim IBT richtet sich der Wasserpreis nach der Verbrauchsmenge. Im untersten Block, als Beispiel nenne ich hier einen Wasserverbrauch im Bereich null bis drei Kubikmeter pro Monat, ist der Wasserpreis pro Kubikmeter relativ niedrig. Wird dieser Verbrauch überschritten, rutscht der Verbraucher in den nächsten Block mit einem höheren Preis pro Kubikmeter. Beim IBT geht es darum, hauptsächlich die Kosten für die Wasserbereitstellung zu decken und Wasser für arme Bevölkerungsschichten erschwinglich zu halten. Aber gerade im untersten Verbrauchsblock gibt es zu wenig Anreize zum Wassersparen.

Zaremba: Was wäre denn eine Alternative zum IBT?

Dombrowsky: Ökonomisch effizienter und besser aus ökologischer Sicht ist das Modell des Einheitspreises mit Subventionen, der sogenannte "Uniform Tariff with rebate". Bei diesem Modell wird unabhängig vom Wasserverbrauch immer derselbe Preis pro Kubikmeter gezahlt, der so gesetzt sein muss, dass er die Knappheit des Wassers widerspiegelt. Dann haben alle denselben Anreiz zum Sparen. Arme Bevölkerungsschichten bekommen eine finanzielle Kompensation, um ihr Grundbedürfnis auf Wasser befriedigen zu können. Allerdings ist damit nicht automatisch gewährleistet, dass auch die Kosten der Bereitstellung gedeckt werden.

Zaremba: Was sind die Anreize für nachhaltiges Wassermanagement aus Sicht des Staates?

Dombrowsky: Der Staat sollte ein Interesse daran haben, den aktuellen Bedarf zu decken, aber auch Wasser als Ressource für nachkommende Generationen zu sichern. Das ist natürlich in der Praxis nicht immer so. Aus einem Projekt in der Mongolei kann ich berichten: Dort wurde der Ausbau des Bergbaus massiv gefördert, was mit erheblichen negativen Auswirkungen auf das Wasser verbunden ist. Wasser soll in die Wüste Gobi transportiert werden. Neben dem hohen Wasserverbrauch verschmutzen verschiedene Rückstände das Wasser. Aber auch hier tut sich etwas. Mitarbeiter der dortigen Wasserverwaltung haben sich dafür eingesetzt, dass mit der Ressource Wasser zukünftig besser umgegangen wird. Es wurden schon einige entsprechende Gesetzesänderungen verabschiedet.

Zaremba: Welche Länder betreiben ein vorbildliches Wassermanagement?

Dombrowsky: Ein Vorbild könnte Südafrika darstellen. Hier wird das Menschenrecht auf Wasser explizit in der Verfassung formuliert. Wasserrechte und Landrechte sind voneinander getrennt. So haben nicht zwangsläufig jene mit viel Landbesitz auch viele Wassernutzungsrechte, sondern diese Wassernutzungsrechte werden vom Staat vergeben. Dann können Gerechtigkeitskriterien und ökonomische und ökologische Kriterien berücksichtigt werden. Ferner gibt es geregelte ökologische Mindestabflüsse für Gewässer. Es gibt sogenannte Flussgebietsorganisationen, die konkurrierende Nutzungsinteressen auf der Flussgebietsebene ausgleichen sollen. Natürlich ist die Umsetzung all dieser Maßnahmen nicht einfach. Aber es ist zumindest ein vorbildlicher Ansatz.

Zaremba: Tragen denn UN-Konferenzen zum besseren Umgang mit Wasser bei?

Dombrowsky: Indirekt können Beschlüsse internationaler Konferenzen sicherlich zu einem besseren Umgang mit Wasser beitragen. Beispielhaft ist die Rio-Konferenz von 1992. Dort wurde die Agenda 21 verabschiedet, und mit ihr das Konzept des Integrierten Wasserressourcenmanagements, IWRM genannt, beschlossen. Beim IWRM kommt es darauf an, einen Ausgleich der drei Dimensionen effiziente Wasserallokation, soziale Wassersicherung und ökologischer Schutz der Ressource Wasser zu schaffen.

"Wasser soll [...] auch für die Armen erschwinglich bleiben"

Zaremba: Könnten Sie ein praktisches Beispiel für IWRM benennen, so wie es die Agenda 21 vorsieht?

Dombrowsky: IWRM ist ein sehr abstraktes Konzept, für das es viele verschiedene Definitionen gibt. In der Mongolei werden derzeit Flussadministrationen und Flussgebietsräte eingerichtet, um das Wasser integriert auf der Ebene von Einzugsgebieten zu bewirtschaften. Das wird üblicherweise als IWRM-Ansatz verstanden. Allerdings würden manche erst von IWRM sprechen, wenn das auch entsprechend umgesetzt ist.

Zaremba: Ihre Prognose zum Abschluss: Wie verändert der Klimawandel das Thema Wasser? Was muss hier unternommen werden?

Dombrowsky: Extremwetterereignisse werden zunehmen. In manchen Regionen wird es mehr regnen, und in manchen Regionen wird sich das Problem der Wasserknappheit zusätzlich verschärfen. Darauf muss in der Weise reagiert werden, dass die Forschung zum Wassermanagement verschiedene hydrologische Szenarien aufgreift. Im Wassermanagement müssen langfristig flexiblere Ansätze verfolgt werden.


ZUR PERSON

Dr. Ines Dombrowsky
Die Umwelt-Ökonomin Dr. Ines Dombrowsky leitet seit 2010 die Abteilung "Umweltpolitik und Ressourcenmanagement" am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) in Bonn. Zuvor forschte sie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig zum Management grenzüberschreitender Flüsse (Elbe, Jordan, Nil, Rhein). Sie war für die World Bank in der "Nile Basin Initiative" aktiv und für die GTZ im Nahen Osten tätig. Ihre Arbeitsgebiete sind die Institutionen-, Umwelt- und ökologische Ökonomik, Wasser-Governance und grenzüberschreitendes Gewässermanagement, die Institutionalisierung von integriertem und adaptivem Wasserressourcenmanagement in der Modellregion Mongolei sowie Anpassungen an den Klimawandel.


Nora Marie Zaremba studierte Politik- und Wirtschaftswissenschaften in Bonn, danach arbeitete sie ein Jahr lang in einem Bildungsprojekt in Südindien und erfuhr dort tagtäglich, wie wichtig das Thema Umwelt für nachhaltige Entwicklung ist. Derzeit studiert sie den Masterstudiengang Global Change Ecology an der Universität Bayreuth.

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INFOS

Wasser-Governance
Der Begriff "Wasser-Governance" beschränkt sich nicht auf die nationale Gesetzgebung eines Staates im Bereich der Wassernutzung. Vielmehr umfasst "Wasser-Governance" auch all jene Entscheidungsprozesse politischer, ökonomischer und sozialer Akteure wie Regierung, Privatsektor und Zivilbevölkerung darüber, wie lokale Wasserressourcen genutzt und verwaltet werden, sowie die formalen und informellen Regeln (Institutionen), nach denen diese ablaufen.


Physische und ökonomische Wasserknappheit
Physische Wasserknappheit liegt vor, wenn in einer Region nicht genug Wasser vorhanden ist, um den Bedarf zu decken, bzw. wenn vorhandene Wasserressourcen zu mehr als 75 Prozent genutzt werden, was beispielsweise häufig in Trockengebieten der Fall ist. Von ökonomischer Wasserknappheit wird gesprochen, wenn ein Land eigentlich genug Wasservorräte besitzt, aber aus sozioökonomischen oder politischen Problemen Defizite in der Wasserversorgung bestehen.


IWRM
Mit dem Prinzip des Integrierten Wasserressourcenmanagements (IWRM) soll eine nach Menge und Güte nachhaltige Bewirtschaftung der miteinander in Wechselwirkung stehenden oberirdischen Gewässer, der Grundwasserleiter und gegebenenfalls auch der Küstengewässer geleistet werden. Dies soll die soziale und wirtschaftliche Entwicklung sowie die Funktionsfähigkeit lebenswichtiger Ökosysteme sichern.


Wassermindestbedarf (definiert durch WHO)
Die Weltgesundheitsorganisation setzt den täglichen Mindestbedarf an sauberem Wasser für Trinken und Kochen auf 7,5 Liter und für Trinken, Kochen und Hygiene auf mindestens 20 Liter an. Für Wäschewaschen, Gartenbau etc. wird dann weiteres Wasser benötigt.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Brunnen in Marokko, Afrika.
- Nachhaltiger Umgang mit der Ressource Wasser: Am Kharaa-Fluss in der Mongolei wird IRWM getestet.

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Quelle:
spektrum, Ausgabe 1, November 2012, S. 22 - 25
Herausgeber: Universität Bayreuth
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juli 2013