Securvital 2/23 - April/Juni 2023
Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen
Gefährdete Ressource
Unser Wasser
Lange galt die Trinkwasserversorgung in Deutschland als
gesichert. Doch sinkende Grundwasserspiegel und zunehmende
Verschmutzung alarmieren Experten. Höchste Zeit, das
lebenswichtige Gut besser zu schützen.
von Astrid Froese
Wie kostbar das Lebenselement Wasser ist, das lässt sich an manchen Orten spielerisch entdecken. So im Wildpark Eekholt im Norden Hamburgs. Große und kleine Besucher kommen aus dem Staunen nicht heraus, wenn sie die Holzkästen aufklappen, die zwischen kleinen Wasserläufen an Bäumen aufgehängt sind. In den Kästen können sie nachlesen, welch gigantische Mengen Wasser für die Herstellung einzelner Alltagsprodukte benötigt werden. Bis zu mehrere Tausend Liter für ein einziges Produkt. Mit der interaktiven Ausstellung möchte die Naturerlebnisstätte für den Wert des kostbaren Gutes sensibilisieren. Und bringt damit Familien ein Thema näher, das auch viele Experten immer stärker beschäftigt.
Sauberes Trinkwasser ist das wichtigste Lebensmittel von allen. Ob Mensch, Tier oder Pflanze: Kein Lebewesen kommt ohne Wasser aus. Jeder menschliche Körper besteht zu einem großen Teil aus Wasser. Da er es immer wieder ausscheidet, braucht er regelmäßig Nachschub. Rund zwei Liter sollte ein Erwachsener pro Tag trinken. Zusammen mit dem Wasser für Kochen, Duschen, Waschen und Putzen ergibt sich ein Bedarf von durchschnittlich 120 Litern Wasser pro Person und Tag.
Allerdings ist der tatsächliche Verbrauch wesentlich höher. Sogenanntes »virtuelles« oder »unsichtbares« Wasser bezeichnet den Teil an Süßwasser, der für die Produktion von Lebensmitteln, Kleidung und anderen industriellen Gütern anfällt. Rechnet man zum Beispiel das Wasser mit ein, das für die Pflege einer Kaffeepflanze, die Ernte und den Transport bis in den Handel aufzuwenden ist, ð fallen für eine Tasse Kaffee anteilig rund 140 Liter Wasser an. Dies entspricht fast einer gefüllten Badewanne. Der Anbau von Baumwolle, ihre Verarbeitung und Färbung schlagen bei einem einzigen T-Shirt mit circa 2500 Litern Wasser zu Buche. Und für ein Kilogramm Rindfleisch weisen die Berechnungen sogar 15.000 Liter Wasser aus. Richtwerte, die eindrücklich zeigen, wie wichtig unsere Konsumentscheidungen für die weltweiten Wasservorräte sind.
In Deutschland wird Trinkwasser laut Umweltbundesamt zu 70 Prozent aus Grund- und Quellwasser gewonnen. Der Rest stammt vor allem aus See- und Talsperren sowie aus Flusswasser. Seinen jeweiligen Geschmack erhält Trinkwasser aus den Mineralien, die sich aus dem Untergrund im Wasser lösen.
Wer in Deutschland den Wasserhahn aufdreht, dem fließt klares, sauberes und vielfach gereinigtes Wasser entgegen. Da Krankheitserreger im Trinkwasser schnell viele Menschen infizieren könnten, wird das Wasser beim Gewinnen, Aufbereiten und Verteilen streng geschützt, um eine mögliche Verunreinigung zu verhindern.
Auch das Grundwasser als wichtigste Quelle für die
Trinkwasserversorgung wird systematisch kontrolliert. Zulässige
Grenzwerte für kritische Stoffe, wie sie die EU für alle
Mitgliedsländer vorschreibt, dürfen nicht überschritten werden.
Mögliche Schadstoffe wie Schwermetalle, Pflanzenschutzmittel oder
Medikamentenrückstände gilt es schnellstmöglich zu
identifizieren.
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Interessenkonflikte
Die zunehmende Verknappung von Trinkwasservorkommen führt zu
Konflikten um die Nutzungsrechte für Quellen und
Versorgungssysteme - nicht nur global. So hatten beispielsweise
Berlin und Rostock vor Jahren ihre kommunale Wasserversorgung in
die Hände privater Konsortien gegeben, um ihre Finanzen zu
sanieren. Die neuen Versorger erhöhten die Wasserpreise für die
Verbraucher und sparten an der Erhaltung der Infrastruktur.
Daraufhin beendeten die Kommunen die Verträge und wurden wieder
selbst tätig. Auch in Frankreich und England findet man solche
Beispiele. Wasserressourcen unterstehen als öffentliches Gut
einem besonderen Schutz vor kommerziellen Interessen. Die
Vereinten Nationen erkannten 2010 das Recht auf Zugang zu
sauberem Wasser als Menschenrecht an.
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Grundwasservorkommen versorgen nicht nur den Menschen. Gerade die
oberen Schichten nähren auch Pflanzen und speisen wichtige
Ökosysteme wie Wälder, Feuchtbiotope und Flüsse mit dem
lebenswichtigen Nass.
Bislang gilt Deutschland - bis auf wenige regionale Ausnahmen - als reich an Grundwasser. Das vergleichsweise feuchte Klima führt in der Regel zur Neubildung in den Wintermonaten, wenn ein erheblicher Teil der Niederschlagsmenge in den Boden sickert. Im Sommer, wenn die höheren Temperaturen mehr Wasser verdunsten lassen und auch die Pflanzen mehr aufsaugen, nehmen die Vorräte ab - ein gesundes Gleichgewicht also.
Bleibt der Regen jedoch in erheblichem Maße aus - wie es beispielsweise in den trockenen Jahren 2018 bis 2020 und 2022 der Fall war -, zeigt sich, dass auch hierzulande die Pegel deutlich sinken können. Mit sichtbaren Folgen. Für den Schiffsverkehr wie auf dem Rhein, wo die Schiffe wegen des Niedrigwassers nur noch mit geringerer Ladung fahren konnten. Für die Forstwirtschaft wie im Falle der großen Waldbrände in Sachsen und Brandenburg. Für die Landwirtschaft in Form von verdorrten Feldern und Missernten. Und für Gemeinden, die ihre Bevölkerung zum Wassersparen aufrufen mussten.
Dass es sich dabei nicht um Ausnahmen handelt, zeigen alarmierende Satellitendaten der NASA und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) aus dem Frühjahr 2022. Aus ihnen geht hervor, dass Deutschland in den vergangenen 20 Jahren mehrere Milliarden Kubikmeter Wasser pro Jahr aus Böden, Vegetation, Gewässern und Grundwasser verloren hat - insgesamt so viel wie die Wassermenge des Bodensees. Damit zählt Deutschland zu den Weltregionen mit dem höchsten Wasserverlust.
Experten befürchten daher eine künftige Verknappung des Grundwassers. Diese wird zwangsläufig eintreten, wenn Trockenperioden weiter zunehmen und gleichzeitig die Entnahmen durch landwirtschaftliche Bewässerung und industrielle Nutzung steigen.
»Zentral- und Westeuropa ist eine der Weltregionen, die mit zunehmender globaler Erwärmung vermehrt von Bodenwasser- und Grundwassertrockenheit betroffen sein wird«, prognostiziert Prof. Dr. Sonia Seneviratne von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Dies betreffe vor allem Deutschland, Frankreich und die Schweiz und bedeute ein größeres Trockenheitsrisiko für die Landwirtschaft und die Ökosysteme.
Besonders in Norddeutschland sowie in Nordrhein-Westfalen (NRW),
Thüringen und Bayern fallen nach Angaben des Recherchenetzwerks
Correctiv die Grundwasserstände bereits erheblich. In NRW,
Thüringen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sinkt der Pegel
sogar an jeder dritten Messstelle. Und auch wenn die sinkenden
Grundwasserspiegel im Vergleich zu Kalifornien oder Indien nach
Ansicht von Experten noch nicht akut beunruhigend seien, als
Warnung möchten sie sie dennoch verstanden wissen. Die permanente
Verfügbarkeit von Wasser zu jeder Zeit und für jeden Zweck könnte
jedenfalls auch laut dem Bundesumweltministerium künftig keine
Selbstverständlichkeit mehr sein.
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So kann jeder das Wasser schützen
Schon kleine Empfehlungen helfen dabei, sorgsam mit der
Lebensgrundlage Wasser umzugehen:
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Wie ernst ein solches Szenario werden kann, zeigt besonders der Blick auf Regionen, in denen seit Längerem mehr Grundwasser genutzt, als natürlich nachgebildet wird. Hier sinken die Stände dramatisch. Laut Brot für die Welt hat sich die globale Wasserentnahme in den vergangenen 50 Jahren mehr als verdreifacht. Bei weiter steigender Tendenz.
»Die wasserintensive Landwirtschaft muss strenger kontrolliert und reguliert werden, besonders wenn Grundwasser genutzt wird«, fordert Ingrid Jacobsen von Brot für die Welt. »Es ist höchste Zeit, die Landwirtschaft an Wasserknappheit und Klimawandel anzupassen.« Dies betrifft vor allem Regionen, die Landwirtschaft für den Export betreiben.
In Andalusien, wo Landwirte Tomaten, Zucchini und Gurken für ganz Europa anbauen, werden die einst reichlich vorhandenen Grundwasservorräte bereits knapp. Genauso im brasilianischen Cerrado, wo Soja, Zuckerrohr, Mais und Eukalyptus für den internationalen Handel mit Biokraftstoffen, Futtermitteln und Zellstoff gepflanzt werden.
Zum Verbrauch für die Landwirtschaft kommt der wasserintensive Abbau von Rohstoffen wie Lithium oder Gold hinzu. Auch er verschlingt enorme Grundwasserreserven und lässt das lebenswichtige Gut für die Bevölkerung knapp werden. Dass Unternehmen das allgemeine Grundwasser nutzen, um ihren privaten Profit zu steigern, wollen immer mehr Menschen weltweit nicht mehr hinnehmen und klagen dagegen. Auch in Deutschland kommt es immer häufiger zu Protesten und Verfahren durch betroffene Gemeinden und Umweltverbände. Denn auch hierzulande stößt vielen auf, dass Konzerne jährlich viele Millionen Kubikmeter Wasser verbrauchen, sich Vorräte sichern und Getränkekonzerne Grundwasser günstig aus der Erde fördern, um es abgefüllt in Flaschen um ein Vielfaches teurer zu verkaufen.
Noch stärker als die Menge des verfügbaren Grundwassers besorgt Fachleute in Deutschland derzeit allerdings seine Qualität. Lange galten die tiefen Grundwasserreserven durch die darüberliegenden Bodenschichten als geschützt. Doch immer häufiger zeigt sich, dass die Fähigkeit der Böden überschätzt wurde, den Eintrag von Schadstoffen zu verhindern. Stickstoff und Pestizide aus der Landwirtschaft gefährden die Beschaffenheit des Wassers erheblich. Genauso wie Verunreinigungen durch Industrie und Verkehr.
Besonders die Vorkommen unter landwirtschaftlich genutzten Flächen sind Belastungen ausgesetzt. Nährstoffeinträge aus stickstoffhaltiger Düngung tragen maßgeblich zur Nitratbelastung des Grundwassers bei. Wegen seines laschen Umgangs mit den zu hohen Nitratwerten drohte Deutschland zuletzt sogar eine Klage der EU-Kommission. Nun müssen die Bundesländer mit Nitrat belastete Gebiete nach einheitlichen Standards ausweisen. Doch auch die Belastung durch großflächig eingesetzte Pflanzenschutzmittel gibt laut Umweltbundesamt Anlass zur Sorge.
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Virtuelles Wasser
Durchschnittlicher Wasserverbrauch in der Herstellung von
Lebensmitteln und Konsumgütern, in Litern
Blatt A4-Papier: 10
Tasse Tee: 30
Tasse Kaffee: 140
1kg Erdbeeren: 200
1 Liter Bier: 300
1 Liter Orangensaft: 1.020
Tafel Schokolade: 1.020
Baumwoll-T-Shirt: 2.500
Jeans: 11.000
1kg Rindfleisch: 15.000
Computer: 20.000
Auto: 400.000
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Wenn die Wasserversorgung auch in Zukunft gesichert sein soll,
muss das Grundwasser besser geschützt werden. Vor Verschmutzung.
Vor übermäßiger Nutzung. Vor Profitstreben. Gefragt ist da vor
allem die Politik. Denn mit dem Wasserschutz ist es wie mit
anderen Klimazielen auch: Die Maßnahmen, die es bräuchte, sind
bekannt. Eine ökologisch verträgliche Landwirtschaft. Eine
Begrenzung industrieller Wasserentnahmen. Ein Ende der
Wasserprivatisierung. Renaturierung von Mooren und Flussauen.
Weniger Versiegelung von Flächen. Eine bessere Speicherung von
Regenwasser, um nur einige zu nennen. Sie müssen nur umgesetzt
werden.
Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
*
Quelle:
Securvital 2/23 - April/Juni 2023, Seite 6-10
Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen
Herausgeber: SECURVITA
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E-Mail: mail@securvita.de
Internet: www.securvita.de
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 21. April 2023
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