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WASSER/267: Gefährdete Ressource (Securvital)


Securvital 2/23 - April/Juni 2023
Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen

Gefährdete Ressource
Unser Wasser
Lange galt die Trinkwasserversorgung in Deutschland als gesichert. Doch sinkende Grundwasserspiegel und zunehmende Verschmutzung alarmieren Experten. Höchste Zeit, das lebenswichtige Gut besser zu schützen.

von Astrid Froese


Wie kostbar das Lebenselement Wasser ist, das lässt sich an manchen Orten spielerisch entdecken. So im Wildpark Eekholt im Norden Hamburgs. Große und kleine Besucher kommen aus dem Staunen nicht heraus, wenn sie die Holzkästen aufklappen, die zwischen kleinen Wasserläufen an Bäumen aufgehängt sind. In den Kästen können sie nachlesen, welch gigantische Mengen Wasser für die Herstellung einzelner Alltagsprodukte benötigt werden. Bis zu mehrere Tausend Liter für ein einziges Produkt. Mit der interaktiven Ausstellung möchte die Naturerlebnisstätte für den Wert des kostbaren Gutes sensibilisieren. Und bringt damit Familien ein Thema näher, das auch viele Experten immer stärker beschäftigt.

Sauberes Trinkwasser ist das wichtigste Lebensmittel von allen. Ob Mensch, Tier oder Pflanze: Kein Lebewesen kommt ohne Wasser aus. Jeder menschliche Körper besteht zu einem großen Teil aus Wasser. Da er es immer wieder ausscheidet, braucht er regelmäßig Nachschub. Rund zwei Liter sollte ein Erwachsener pro Tag trinken. Zusammen mit dem Wasser für Kochen, Duschen, Waschen und Putzen ergibt sich ein Bedarf von durchschnittlich 120 Litern Wasser pro Person und Tag.

Unglaublicher Verbrauch

Allerdings ist der tatsächliche Verbrauch wesentlich höher. Sogenanntes »virtuelles« oder »unsichtbares« Wasser bezeichnet den Teil an Süßwasser, der für die Produktion von Lebensmitteln, Kleidung und anderen industriellen Gütern anfällt. Rechnet man zum Beispiel das Wasser mit ein, das für die Pflege einer Kaffeepflanze, die Ernte und den Transport bis in den Handel aufzuwenden ist, ð fallen für eine Tasse Kaffee anteilig rund 140 Liter Wasser an. Dies entspricht fast einer gefüllten Badewanne. Der Anbau von Baumwolle, ihre Verarbeitung und Färbung schlagen bei einem einzigen T-Shirt mit circa 2500 Litern Wasser zu Buche. Und für ein Kilogramm Rindfleisch weisen die Berechnungen sogar 15.000 Liter Wasser aus. Richtwerte, die eindrücklich zeigen, wie wichtig unsere Konsumentscheidungen für die weltweiten Wasservorräte sind.

In Deutschland wird Trinkwasser laut Umweltbundesamt zu 70 Prozent aus Grund- und Quellwasser gewonnen. Der Rest stammt vor allem aus See- und Talsperren sowie aus Flusswasser. Seinen jeweiligen Geschmack erhält Trinkwasser aus den Mineralien, die sich aus dem Untergrund im Wasser lösen.

Wer in Deutschland den Wasserhahn aufdreht, dem fließt klares, sauberes und vielfach gereinigtes Wasser entgegen. Da Krankheitserreger im Trinkwasser schnell viele Menschen infizieren könnten, wird das Wasser beim Gewinnen, Aufbereiten und Verteilen streng geschützt, um eine mögliche Verunreinigung zu verhindern.

Kostbares Grundwasser

Auch das Grundwasser als wichtigste Quelle für die Trinkwasserversorgung wird systematisch kontrolliert. Zulässige Grenzwerte für kritische Stoffe, wie sie die EU für alle Mitgliedsländer vorschreibt, dürfen nicht überschritten werden. Mögliche Schadstoffe wie Schwermetalle, Pflanzenschutzmittel oder Medikamentenrückstände gilt es schnellstmöglich zu identifizieren.

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Interessenkonflikte
Die zunehmende Verknappung von Trinkwasservorkommen führt zu Konflikten um die Nutzungsrechte für Quellen und Versorgungssysteme - nicht nur global. So hatten beispielsweise Berlin und Rostock vor Jahren ihre kommunale Wasserversorgung in die Hände privater Konsortien gegeben, um ihre Finanzen zu sanieren. Die neuen Versorger erhöhten die Wasserpreise für die Verbraucher und sparten an der Erhaltung der Infrastruktur. Daraufhin beendeten die Kommunen die Verträge und wurden wieder selbst tätig. Auch in Frankreich und England findet man solche Beispiele. Wasserressourcen unterstehen als öffentliches Gut einem besonderen Schutz vor kommerziellen Interessen. Die Vereinten Nationen erkannten 2010 das Recht auf Zugang zu sauberem Wasser als Menschenrecht an.
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Grundwasservorkommen versorgen nicht nur den Menschen. Gerade die oberen Schichten nähren auch Pflanzen und speisen wichtige Ökosysteme wie Wälder, Feuchtbiotope und Flüsse mit dem lebenswichtigen Nass.

Bislang gilt Deutschland - bis auf wenige regionale Ausnahmen - als reich an Grundwasser. Das vergleichsweise feuchte Klima führt in der Regel zur Neubildung in den Wintermonaten, wenn ein erheblicher Teil der Niederschlagsmenge in den Boden sickert. Im Sommer, wenn die höheren Temperaturen mehr Wasser verdunsten lassen und auch die Pflanzen mehr aufsaugen, nehmen die Vorräte ab - ein gesundes Gleichgewicht also.

Bleibt der Regen jedoch in erheblichem Maße aus - wie es beispielsweise in den trockenen Jahren 2018 bis 2020 und 2022 der Fall war -, zeigt sich, dass auch hierzulande die Pegel deutlich sinken können. Mit sichtbaren Folgen. Für den Schiffsverkehr wie auf dem Rhein, wo die Schiffe wegen des Niedrigwassers nur noch mit geringerer Ladung fahren konnten. Für die Forstwirtschaft wie im Falle der großen Waldbrände in Sachsen und Brandenburg. Für die Landwirtschaft in Form von verdorrten Feldern und Missernten. Und für Gemeinden, die ihre Bevölkerung zum Wassersparen aufrufen mussten.

Dass es sich dabei nicht um Ausnahmen handelt, zeigen alarmierende Satellitendaten der NASA und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) aus dem Frühjahr 2022. Aus ihnen geht hervor, dass Deutschland in den vergangenen 20 Jahren mehrere Milliarden Kubikmeter Wasser pro Jahr aus Böden, Vegetation, Gewässern und Grundwasser verloren hat - insgesamt so viel wie die Wassermenge des Bodensees. Damit zählt Deutschland zu den Weltregionen mit dem höchsten Wasserverlust.

Beunruhigende Prognosen

Experten befürchten daher eine künftige Verknappung des Grundwassers. Diese wird zwangsläufig eintreten, wenn Trockenperioden weiter zunehmen und gleichzeitig die Entnahmen durch landwirtschaftliche Bewässerung und industrielle Nutzung steigen.

»Zentral- und Westeuropa ist eine der Weltregionen, die mit zunehmender globaler Erwärmung vermehrt von Bodenwasser- und Grundwassertrockenheit betroffen sein wird«, prognostiziert Prof. Dr. Sonia Seneviratne von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Dies betreffe vor allem Deutschland, Frankreich und die Schweiz und bedeute ein größeres Trockenheitsrisiko für die Landwirtschaft und die Ökosysteme.

Besonders in Norddeutschland sowie in Nordrhein-Westfalen (NRW), Thüringen und Bayern fallen nach Angaben des Recherchenetzwerks Correctiv die Grundwasserstände bereits erheblich. In NRW, Thüringen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sinkt der Pegel sogar an jeder dritten Messstelle. Und auch wenn die sinkenden Grundwasserspiegel im Vergleich zu Kalifornien oder Indien nach Ansicht von Experten noch nicht akut beunruhigend seien, als Warnung möchten sie sie dennoch verstanden wissen. Die permanente Verfügbarkeit von Wasser zu jeder Zeit und für jeden Zweck könnte jedenfalls auch laut dem Bundesumweltministerium künftig keine Selbstverständlichkeit mehr sein.

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So kann jeder das Wasser schützen

Schon kleine Empfehlungen helfen dabei, sorgsam mit der
Lebensgrundlage Wasser umzugehen:
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  • Wer bewusst konsumiert, indem er Kleidung möglichst lange trägt, ab und zu auf Fleisch verzichtet, öfter mal duscht statt badet und Leitungswasser statt Mineralwasser trinkt, trägt bereits erheblich zum Schutz der Wasserreserven bei.
  • Auch im Haushalt lässt sich viel bewirken. So rät das Umweltbundesamt, wassersparende Armaturen und Toilettenspülungen einzubauen, alte Geräte wie Wasch- und Spülmaschinen gegen sparsame Modelle auszutauschen und zur Erwärmung von Wasser, wenn möglich, Sonnenkollektoren zu nutzen. Garten- und Balkonpflanzen können mit Regen- statt mit Trinkwasser gegossen werden.
  • Besonders wichtig ist, das Abwassersystem nicht mit Chemikalien zu belasten: Reste von Altöl und Wandfarben gehören in den Sondermüll, abgelaufene Medikamente in die Apotheke, Kosmetikpads mit Nagellackentferner in den Restmüll und Putzwasser in die Toilette, nicht in den Straßengully. Nützliche Hinweise dazu geben Verbraucherzentralen und Umweltschutzverbände.

Blick ins Ausland

Wie ernst ein solches Szenario werden kann, zeigt besonders der Blick auf Regionen, in denen seit Längerem mehr Grundwasser genutzt, als natürlich nachgebildet wird. Hier sinken die Stände dramatisch. Laut Brot für die Welt hat sich die globale Wasserentnahme in den vergangenen 50 Jahren mehr als verdreifacht. Bei weiter steigender Tendenz.

»Die wasserintensive Landwirtschaft muss strenger kontrolliert und reguliert werden, besonders wenn Grundwasser genutzt wird«, fordert Ingrid Jacobsen von Brot für die Welt. »Es ist höchste Zeit, die Landwirtschaft an Wasserknappheit und Klimawandel anzupassen.« Dies betrifft vor allem Regionen, die Landwirtschaft für den Export betreiben.

In Andalusien, wo Landwirte Tomaten, Zucchini und Gurken für ganz Europa anbauen, werden die einst reichlich vorhandenen Grundwasservorräte bereits knapp. Genauso im brasilianischen Cerrado, wo Soja, Zuckerrohr, Mais und Eukalyptus für den internationalen Handel mit Biokraftstoffen, Futtermitteln und Zellstoff gepflanzt werden.

Zum Verbrauch für die Landwirtschaft kommt der wasserintensive Abbau von Rohstoffen wie Lithium oder Gold hinzu. Auch er verschlingt enorme Grundwasserreserven und lässt das lebenswichtige Gut für die Bevölkerung knapp werden. Dass Unternehmen das allgemeine Grundwasser nutzen, um ihren privaten Profit zu steigern, wollen immer mehr Menschen weltweit nicht mehr hinnehmen und klagen dagegen. Auch in Deutschland kommt es immer häufiger zu Protesten und Verfahren durch betroffene Gemeinden und Umweltverbände. Denn auch hierzulande stößt vielen auf, dass Konzerne jährlich viele Millionen Kubikmeter Wasser verbrauchen, sich Vorräte sichern und Getränkekonzerne Grundwasser günstig aus der Erde fördern, um es abgefüllt in Flaschen um ein Vielfaches teurer zu verkaufen.

Noch stärker als die Menge des verfügbaren Grundwassers besorgt Fachleute in Deutschland derzeit allerdings seine Qualität. Lange galten die tiefen Grundwasserreserven durch die darüberliegenden Bodenschichten als geschützt. Doch immer häufiger zeigt sich, dass die Fähigkeit der Böden überschätzt wurde, den Eintrag von Schadstoffen zu verhindern. Stickstoff und Pestizide aus der Landwirtschaft gefährden die Beschaffenheit des Wassers erheblich. Genauso wie Verunreinigungen durch Industrie und Verkehr.

Besonders die Vorkommen unter landwirtschaftlich genutzten Flächen sind Belastungen ausgesetzt. Nährstoffeinträge aus stickstoffhaltiger Düngung tragen maßgeblich zur Nitratbelastung des Grundwassers bei. Wegen seines laschen Umgangs mit den zu hohen Nitratwerten drohte Deutschland zuletzt sogar eine Klage der EU-Kommission. Nun müssen die Bundesländer mit Nitrat belastete Gebiete nach einheitlichen Standards ausweisen. Doch auch die Belastung durch großflächig eingesetzte Pflanzenschutzmittel gibt laut Umweltbundesamt Anlass zur Sorge.

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Virtuelles Wasser
Durchschnittlicher Wasserverbrauch in der Herstellung von Lebensmitteln und Konsumgütern, in Litern

Blatt A4-Papier: 10
Tasse Tee: 30
Tasse Kaffee: 140
1kg Erdbeeren: 200
1 Liter Bier: 300
1 Liter Orangensaft: 1.020
Tafel Schokolade: 1.020
Baumwoll-T-Shirt: 2.500
Jeans: 11.000
1kg Rindfleisch: 15.000
Computer: 20.000
Auto: 400.000
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Endlich handeln

Wenn die Wasserversorgung auch in Zukunft gesichert sein soll, muss das Grundwasser besser geschützt werden. Vor Verschmutzung. Vor übermäßiger Nutzung. Vor Profitstreben. Gefragt ist da vor allem die Politik. Denn mit dem Wasserschutz ist es wie mit anderen Klimazielen auch: Die Maßnahmen, die es bräuchte, sind bekannt. Eine ökologisch verträgliche Landwirtschaft. Eine Begrenzung industrieller Wasserentnahmen. Ein Ende der Wasserprivatisierung. Renaturierung von Mooren und Flussauen. Weniger Versiegelung von Flächen. Eine bessere Speicherung von Regenwasser, um nur einige zu nennen. Sie müssen nur umgesetzt werden.

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

  • Die sinnvollste und zugleich günstigste Art, den Garten zu bewässern, ist die Nutzung von gesammeltem Regenwasser.
  • Frisches Leitungswasser kann in Deutschland nahezu überall unbedenklich getrunken werden.
  • Nicht alle Mineralwasser sind reich an Mineralstoffen. Ein Mindestgehalt ist vorgeschrieben.
  • Gülle und Dünger aus der Landwirtschaft belasten die Grundwasservorkommen.

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Quelle:
Securvital 2/23 - April/Juni 2023, Seite 6-10
Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen
Herausgeber: SECURVITA
Gesellschaft zur Entwicklung alternativer Versicherungskonzepte mbH
Lübeckertordamm 1-3, 20099 Hamburg
Telefon: 040/38 60 80-0, Fax: 040/38 60 80-90
E-Mail: mail@securvita.de
Internet: www.securvita.de

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 21. April 2023

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