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FORSCHUNG/310: Forschung für eine integrierte Klimaschutz- und Klimawandelpolitik (UFZ-Spezial)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Spezial Dezember 2009: In Sachen Klimawandel

Forschung für eine integrierte Klimaschutz- und Klimawandelpolitik


Um die Erderwärmung langfristig auf zwei Grad zu beschränken, bedarf es einer großen weltweiten Kraftanstrengung. Die globalen Kohlenstoffemissionen müssten ab dem kommenden Jahr (2010) stetig sinken statt wie bislang stetig zu steigen. Nur wenn sie im Jahr 2050 noch halb so hoch sind wie 1990, kann das klimapolitische Ziel des Treffens der großen Industrienationen (G8) mit den Schwellenländern Brasilien, Indien, China und Mexiko in L'Aquila im Sommer 2009 gelingen. Und selbst wenn die Trendwende beim weltweiten Kohlendioxidausstoß gelänge, müssten wir auf dem langen Weg zur Klimastabilisierung mit Temperaturanstiegen von bis zu 4 Grad Celsius im weltweiten Durchschnitt rechnen. Die Anpassung an den Klimawandel wird damit zu einer globalen Notwendigkeit.

Anpassung an den Klimawandel bedeutet, dass wir unsere Verletzlichkeit gegenüber den Folgen der Erderwärmung verringern. Während wir uns in Deutschland besser für Hitze- und Starkregenereignisse rüsten müssen, geht es in anderen Ländern vornehmlich darum, Gefahren aus dem Meeresspiegelanstieg, extremen Wasserknappheiten und dem Verlust empfindlicher Ökosysteme wie Korallenriffen zu begegnen. Die Länder des Südens werden die Hauptlast der Folgen der Erderwärmung tragen, während die Länder des Nordens davon sogar vorübergehend profitieren. Aber mit der zunehmenden Erderwärmung werden sich auch diese Vorteile in ihr Gegenteil verkehren, so dass wir langfristig weltweit mit negativen Folgen des Klimawandels rechnen müssen.


Globaler Wandel - Regionale Wirkung

Die Wirkungen des Klimawandels zeigen sich auf regionaler Ebene. Beispiel Deutschland: Bei einem Business-As-Usual-Szenario müssen je nach Emissionsszenario und Klimamodelltyp zwischen 2 bis 3,5 Grad Celsius Temperaturanstieg bis 2100 in Kauf genommen werden. Diese Erwärmung wird sich hauptsächlich in der Variabilität der Niederschlagsmengen und einer Zunahme von extremen Wetterereignissen wie Überflutungen und Stürmen auswirken. Allerdings sind die Prognoseunsicherheiten für diese Klimafolgen sehr groß. Deshalb ist noch ein erheblicher Modellierungs- und auch Monitoringaufwand zur Überprüfung und Verbesserung der Modellvorhersagen zu betreiben, um zu fundierteren Prognosen des regionalen Klimawandels zu kommen. Das gilt erst recht für die ökologischen und ökonomischen Folgen des Klimawandels und besonders für die verletzlichen Regionen dieser Welt wie Zentralasien, den Mittleren Osten oder viele Megastädte, in denen soziale und ökonomische Randbedingungen wie Bildungsstand und ungleiche Einkommen zur Bewältigung von Klimawandelfolgen zu beachten sind.


Anpassung - Die notwendige Antwort auf den Wandel

Hier bestehen noch große Forschungslücken und erhebliche Unsicherheiten, da viele unterschiedliche natürliche und sozioökonomische Faktoren im Zusammenhang zu betrachten sind. Darin sieht das UFZ seine Aufgabe: In der systemischen Erforschung von regionalen Klimawandelfolgen in Deutschland und den besonders verletzlichen Regionen dieser Welt, um Konzepte aufzustellen, mit denen die Folgen des Klimawandels bewältigt werden können. Ziel aller Anpassungsmaßnahmen sollte es sein, Gefahren und Schäden für Ökosysteme, die menschliche Gesundheit sowie Infrastrukturen zu minimieren. Doch welche Anpassungsoptionen haben wir und welche sind die richtigen? Wie lassen sich Synergien und Konflikte vernünftig abwägen, um direkte oder indirekte negative Folgen vermeintlich sinnvoller Anpassungsmaßnahmen zu vermeiden? Beispiel: Die extensive Nutzung von Bioenergie als Strategie zur Senkung der Treibhausgasemissionen macht uns anfälliger gegen Klimaschwankungen, erhöht also die gesellschaftliche Verletzlichkeit. Die Schaffung von städtischen Grünkorridoren dagegen bindet Kohlenstoff und verbessert das Stadtklima. Adaptation (Klimaanpassung) und Mitigation (Klimaschutz) stehen insoweit nicht im Gegensatz zueinander. Das eine ohne das andere griffe jeweils zu kurz. Was wir brauchen, ist eine integrierte Klimaschutz- und Klimawandelpolitik.

Anpassungspolitiken finden heute bereits auf unterschiedlichen Ebenen statt. Die Vereinten Nationen erörtern bereits seit dem Umweltgipfel von Rio (1992) internationale Maßnahmen zur Stärkung der Anpassungsfähigkeit in besonders verletzlichen Regionen dieser Welt. Zwei Prozent der Umsätze des so genannten Clean Development Mechanism (CDM) fließen bereits heute in einen Fonds für Anpassungsmaßnahmen in den besonders verletzlichen Ländern der Welt. Das ist aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Gemessen am weltweiten Bedarf von mindestens 9 bis 41 Milliarden US-Dollar pro Jahr (Angaben der Weltbank) sind die Mittel aus der CDM-Steuer (zirka 180 Millionen in 2009) selbst bei optimistischer Zukunftsprognose für den CDM bei weitem nicht ausreichend. Zusätzliche Mittel wurden von den G8 z. B. für die Länder Afrikas versprochen, aber es ist fraglich, ob das Mittel sind, die tatsächlich zusätzlich zur offiziellen Entwicklungshilfe fließen oder nur ohnehin gemachte Hilfszusagen ersetzen. Auch der Mitteltransfer der Hilfe für Afrika gestaltet sich zäh. Hier müssen auf der Klimakonferenz COP 15 in Kopenhagen neue, effektive Instrumente gefunden werden, um den gewaltigen zukünftigen Finanzierungsbedarf in den Ländern des Südens decken zu können.


Global denken

Die globale Finanzkrise macht deutlich, welche enormen Mittel in sehr kurzer Frist international koordiniert mobilisiert werden können, wenn die Gefahren für die Weltwirtschaft erkannt sind. Der Klimawandel ist wie die Finanzkrise ein systemisches Risiko für die Weltwirtschaft - wenn auch auf längere Sicht. Es wäre ein Gebot politischer Klugheit und Fairness gegenüber zukünftigen Generationen, dass wir schon heute die vorsorgenden finanziellen Maßnahmen ergreifen, um uns global für den Klimawandel in der Zukunft zu rüsten. Den Finanzsektor trifft nach den Rettungsaktionen des Jahres 2008 hierbei eine besondere Verantwortung. Eine Tobin-Steuer (benannt nach dem US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler James Tobin, der 1972 eine sehr niedrige Steuer auf sämtliche internationale Devisengeschäfte vorschlug, um die kurzfristige Spekulation auf Währungsschwankungen einzudämmen) von nur 0,01 Prozent auf alle grenzüberschreitenden Finanztransaktionen allein könnte hier ein weltweites Aufkommen von 125 Milliarden Dollar pro Jahr erbringen. Damit kämen wir in die Größenordnung der tatsächlichen benötigten Finanzmittel für die Anpassung an den Klimawandel. Ein solcher grüner "New Deal" wäre nachhaltiger und scheint gegenwärtig politisch greifbarer als eine internationale Auktion von CO2-Emissionsrechten unter UN-Hoheit. Ansonsten bleibt uns nur das Hoffen auf die Philanthrophie. Rückversicherer und andere internationale Unternehmen, die ihre globale Verantwortung verstanden haben, können durch neue Formen des "Fundraising" (z.B. ein Rating von Anpassungsprojekten in Entwicklungsländern nach Synergiepotenzialen) systematisch zu Spendenaktionen motiviert werden.


Regional handeln

Die Europäische Union (EU) hat mit ihrer Anpassungsstrategie aus dem Jahr 2009 den Anstoß zu einem Prozess gegeben, auf Länderebene geeignete Strategien in den verschiedenen Sektoren und Regionen auszuarbeiten und einen Prozess der politischen Willensbildung in den Ländern sowie auf der Ebene der Kommunen anzustoßen. Eine erste Bestandsaufnahme zeigt: Noch fehlt es an geeigneten Monitoring- und Indikatorensystemen, um den Erfolg der Anpassungsmaßnahmen effektiv und regelmäßig zu kontrollieren und die Anpassungspolitiken zwischen Europäischer Gemeinschaft, nationalen Regierungen, Regionen und Gemeinden wirksam zu koordinieren. Synergien suchen und Konflikte vermeiden ist auch hier die Zauberformel der nächsten Zeit. Zu einer wirksamen Strategie der Anpassung im Multiebenen- und Multisektorensystem der Europäischen Gemeinschaften kommen wir nur, wenn rechtliche, politische und ökonomische Synergien mit den Zielsetzungen in den Sektoren (z.B. Gesundheitspolitik, Verkehr, Landwirtschaft) und auf den unterschiedlichen Ebenen gesucht bzw. Konflikte vermieden werden. Sonst bleibt es bei bloßen Absichtserklärungen. Die EU kann auch in dieser Frage globale Führungsqualitäten zeigen.     Reimund Schwarze


UFZ-Ansprechpartner:
Prof. Dr. Reimund Schwarze
Dept. Ökonomie
Telefon: 0341 /235-1607
e-mail: reimund.schwarze@ufz.de
mehr Informationen:
www.ufz.de/index.php?de=15992


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Tausende Klimaanlagen, um sich Abkühlung in Büros und Wohnungen zu verschaffen - so könnte Anpassung an den Klimawandel aussehen, wenn die Sommer länger und heißer werden. Doch als wahre Stromfresser sind Klimaanlagen zugleich Klimasünder, die den Klimawandel weiter vorantreiben.


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Quelle:
UFZ-Spezial Dezember 2009: In Sachen Klimawandel, S. 4-5
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Dezember 2009