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FORSCHUNG/328: Tauender Permafrostboden in der Ostsibirischen See setzt Klimagas Methan frei (idw)


Schwedischer Forschungsrat / The Swedish Research Council - 05.03.2010

Russische und schwedische Forscher berichten über signifikante Methanemissionen aus dem tauenden Meeresgrund in der Arktis nördlich von Sibirien


Aus einem Gebiet der Ostsibirischen See, das viermal so groß ist wie Schweden, tritt das starke Treibhausgas Methan in die Atmosphäre aus. Der Permafrostzustand des Meeresbodens wurde bislang als effektive Dämmung für die enormen Mengen an Methan in der Region angesehen, die, einmal freigesetzt, zu einer plötzlichen weltweiten Kimaerwärmung führen könnten.

Eine umfassende Studie in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsjournals Science, die von Forschern der Russischen Akademie der Wissenschaften, der Universität Alaska in den USA und von Örjan Gustafsson von der Universität Stockholm durchgeführt wurde, zeigt auf, daß zum gegenwärtigen Zeitpunkt 8 Millionen Tonnen Methan aus dem Gebiet in die Atmosphäre entweichen. Der aktuelle Gasstrom entspricht dem Ausmaß, das zuvor für die gesamten Weltmeere veranschlagt wurde, wenn er auch derzeit nicht zu einer akuten Veränderung des atmosphärischen Gleichgewichts in Bezug auf Methan beiträgt.

Die russisch-schwedische Forschungsexpedition, die Internationale Sibirische Schelfstudie (ISSS), die vor wenig mehr als einem Jahr abgeschlossen wurde, ist die bislang umfassendste Exkursion in die unzugänglichen und, trotz der Tatsache, daß sie das weltgrößte Küstenmeer bilden, wenig erforschten Gewässer der Nordostküste Sibiriens. Klimamodelle legen nahe, daß ein Anstieg des Methangehalts der Atmosphäre um nur ein Prozent der Menge, die nach Schätzungen im gefrorenen Meeresboden lagert, ausreichen würde, um eine merkliche Klimaerwärmung zu verursachen. Frühere Perioden jäher Klimaerwärmung in der geologischen Erdgeschichte, hat man mit einer plötzlichen Freisetzung von Methan aus dem Meeresboden in Verbindung gebracht.

Während der ISSS-Expedition wurden Methanmessungen an über hundert Stellen am Meeresboden, in unterschiedlichen Wassertiefen und in der Luft darüber vorgenommen. In Verbindung mit Meßdaten früherer Expeditionen, die von den russischen Leitern der Studie, Natalia Schachowa und Igor Semiletow, geleitet worden waren, zeigt sich, daß die Methankonzentrationen in 80 Prozent der Proben vom Meeresboden und in mehr als der Hälfte der Proben des Oberflächenwassers und der Luft erhöht sind. In Gebieten mit bis zu hundertfachen Konzentrationen über den natürlichen Vergleichswerten, dokumentierte die ISSS-Expedition mit Hilfe von seismischen Instrumenten und Sonarmessungen Vorkommen von Methanschloten auf dem Meeresboden und ganze Felder von Methanblasen, die so rasch an die Meeresoberfläche stiegen, daß die Zeit für sie nicht ausreichte, um sich im Meerwasser aufzulösen.

"Die ostsibirischen Küstenmeere sind eine Ausdehnung der sibirischen Tundra, die geflutet wurde, als die Gletscher zum Ende der letzen Eiszeit schmolzen und die Meeresspiegel anstiegen. Das Tauen der Permafrostböden in den letzten 5.000 bis 8.000 Jahren, seit sie geflutet wurden, könnte zum großen Teil natürliche Ursachen haben, wie geothermische Wärme von unten (durch Risse in der Erdkruste) oder Wärme vom darüber befindlichen Meerwasser", erklärt Örjan Gustafsson, Professor für Biogeochemie an der Universität von Stockholm und Leiter der schwedischen Forschergruppe an Bord sowie einer der Autoren des Artikels. "Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Beitrag des Menschen zur Erwärmung der Arktis - mit einer verlängerten Sommerperiode ohne Eis und mit erwärmtem Wasser sowie mit einem wachsenden Zustrom wärmeren Flußwassers - der Tropfen sein könnte, der das Faß zum Überlaufen brachte, beziehungsweise die Temperaturen im Permafrostmeeresboden über den Schmelzpunkt ansteigen ließ.", meint Professor Gustafsson.

Professor Gustafsson betont, die Berechnungen zeigten, daß die derzeitige Situation keinen ausdrücklichen Grund zur Sorge gebe, weil die Emissionen den Gehalt des Methans in der Atmosphäre nicht wesentlich beeinflußten. Er unterstreicht die Wichtigkeit einer ausführlicheren Erforschung der Methanemissionen aus den sibirischen Küstenmeeren, um das Risiko erhöhter Methanströme in der Zukunft besser einschätzen zu können.

"Es ist wichtig, mehr darüber zu erfahren, wie sich der Permafrost aufwärmt und wie sich das auf die Methanemissionen auswirkt. Die Expeditionen müssen über mehrere Jahre hinweg wiederholt werden, um zu prüfen, ob es eine Tendenz zur Zunahme der Methanausgasungen gibt, und das erfordert mehr internationale Zusammenarbeit."


Die Expedition wird von schwedischen, russischen, nordeuropäischen und amerikanischen Geldgebern - insbesondere von der schwedischen "Knut und Alice Wallenberg Stiftung" - finanziert.

Kontaktadresse für weitere Informationen:
Professor Örjan Gustafsson,
Institut für angewandte Umweltwissenschaften (ITM)
und Bert Bolin Zentrum für Klimaforschung,
Universität Stockholm
E-Mail: orjan.gustafsson@itm.su.se
Tel.: +46 (0)70-324 7317

Bilder und Videoclips von der Expedition: Büro für Öffentlichkeitsarbeit der Universität Stockholm (External Relations Office) E-Mail: press@su.se Tel: +46 (0)8-16 40 90

Weitere Informationen finden Sie unter:
http://wmedia.it.su.se/lhs/08086.wmv - Videoclip der Expedition

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter der WWW-Adresse:
http://idw-online.de/pages/de/image110747
Küstenerosion auf der Insel Muostakh, Nahaufnahme der degradierten Küste
http://idw-online.de/pages/de/image110748
Sedimentprobenentnahme aus der Ostsibirische See

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/pages/de/news358481

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution732

Übersetzung des englischen Originaltextes:
Redaktion Schattenblick


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Schwedischer Forschungsrat - The Swedish Research Council,
Maria Erlandsson, 05.03.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de

übersetzt vom und veröffentlicht im Schattenblick zum 10. März 2010