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CHEMIE/293: Herbizid Glyphosat bedroht Gesundheit, Bodenfruchtbarkeit und Biodiversität (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2012

Der Lack ist ab
Das Herbizid Glyphosat bedroht Gesundheit, Bodenfruchtbarkeit und Biodiversität

von Ursula Gröhn-Wittern



Der Wirkstoff Glyphosat, vor allem bekannt als Round-Up, Clinic, Touchdown oder Vorox ist wohl doch nicht so ungefährlich wie lange angenommen oder behauptet. Die Hinweise mehren sich, dass der Wirkstoff und die Hilfsstoffe, so genannte Tallowamine, in vielerlei Hinsicht bedenklicher sind als bisher allgemein bekannt.

Bei der Beurteilung von Glyphosat gibt es verschiedene Indizien auf negative Effekte auf die Mikroorganismen im Boden und auf die Pflanzengesundheit, sowie auf die Fähigkeit von Pflanzen Mikronährstoffe aufzunehmen. Es finden sich bedenkliche Rückstände in Futtermitteln und Lebensmitteln.

Dass sich die Agrarchemieindustrie mit dem Argument kritische Studien seien nicht wissenschaftlich oder nicht übertragbar wehrt, überrascht nicht, denn Glyphosat ist das am häufigsten verwendete Herbizid der Welt. Es ist unschlagbar billig, einfach anzuwenden und hat einen weltweiten Markt. Alle großen Agrarchemiekonzerne stellen es her, allen voran Monsanto und Bayer. Große Mengen kommen inzwischen aus China.

5.000 Tonnen Wirkstoff werden allein in Deutschland jedes Jahr davon versprüht. In acht von zehn Rapsfeldern kommt es zum Einsatz, in 20 bis 65 Prozent aller Wintergetreide und 30 Prozent aller Körnermais- und Zuckerrübenfelder. Vor der Kartoffelernte wird das Kartoffelkraut häufig damit totgespritzt um die Ernte zu erleichtern, aber auch im Obstbau oder in der Forstwirtschaft kommt Glyphosat zum Einsatz. Langfristig ist der Verbrauch von Pestiziden in Deutschland konstant geblieben, nur das bequeme Totalherbizid legte in den vergangenen zehn Jahren um über ein Drittel zu. Bei diesen gigantischen Mengen sollte man sich schon sehr sicher sein, dass alles sicher ist. Sollte sich aber herausstellen, dass auch nur ein Bruchteil der Gefahren existiert, wäre ein komplettes Umdenken im weltweiten Ackerbau unerlässlich und zwar sehr schnell. Das käme einer Revolution gleich, schon deshalb ist der Widerstand gegen eine größere Einschränkung des Einsatzes sehr groß. Die wirtschaftlichen Interessen sind gewaltig.

Chemie auf dem Teller

Nicht nur die Anwender leiden, auch Menschen und Tiere in der Umgebung der riesigen Mais- und Sojafelder, die (teilweise aus dem Flugzeug) besprüht werden, sind betroffen. Sie können sich kaum wehren. Landwirte, die Spritzmittel handhaben, verlassen sich auf die Angaben der Zulassungsbehörden. Sie könnten noch als Erste anfangen kritische Fragen zu stellen, zumindest in Europa.

Ob in ihrem Körper Rückstände zu finden sind, werden sie in der Regel nicht erfahren. Auch wir KonsumentInnen sollten uns nicht in Sicherheit wiegen, denn das mit Glyphosat gespritzte Soja, Mais oder Raps fressen unsere Nutztiere und ihr Fleisch landet auf unseren Tellern.

Übrigens gibt es das Mittel in jedem Gartencenter zu kaufen. Die Hauptmenge der Pestizide wird in der Erzeugung von Nahrung für Mensch und Tier verbraucht. Da ist die Agrar- und Verbraucherpolitik gefragt. Die Interessen der Agrarchemieunternehmen dürfen nicht vor den Interessen der Menschen und der Umwelt in Nord und Süd stehen.

Neubeurteilung durch das BVL

Bis Ende Mai besteht die Chance einer Neubeurteilung des Mittels durch das BVL (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit). Verbände und Einzelpersonen können Informationen, »hinsichtlich der möglicherweise gefährlichen Auswirkungen des Wirkstoffs oder seiner Rückstände auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder auf die Umwelt« mitteilen (200@bvl.bund.de). Rechtliche Grundlage hierfür ist die EU VERORDNUNG (EU) Nr. 1141/2010. Die Frist hierfür läuft Ende Mai ab. Die Verordnung schreibt nicht die Art der Information vor, das heißt es geht nicht nur um »peer-reviewed studies«.

Glyphosat steht exemplarisch für eine Landwirtschaft, die abhängig ist von fossilen Rohstoffen und nicht in Kreisläufen denkt. Dies kann nicht zukunftsfähig und nachhaltig sein. Das Ziel einer modernen Landwirtschaft muss es sein, eine Wirtschaftsweise zu entwickeln die Mittel wie Glyphosat nicht braucht. Sind doch Pestizide letztendlich zum Töten geschaffen.

Die Autorin ist Diplom-Agraringenieurin und Referentin der Agrar Koordination.

Mehrere Artikel zum Thema erschienen als Agrar Info 181.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2012, S. 29
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. August 2012