GLOBAL 2000 / Friends of the Earth Austria - Presseaussendung, 06.07.2023
EFSA-FREIBRIEF SCHICKT GLYPHOSAT-SKANDAL IN DIE VERLÄNGERUNG
Österreich muss sich für ein EU-weites Verbot stark machen!
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat heute eine schockierende Empfehlung [1] für die Verlängerung des Einsatzes von Glyphosat abgegeben. Die Bewertung der EFSA dient als Grundlage für die finale Zulassungsentscheidung. Die Zulassung für Glyphosat endet am 16. Dezember 2023, nun droht eine Verlängerung bis 2038.
"Einmal mehr stützen EFSA und nationale Zulassungsbehörden ihr Urteil überwiegend auf die von den Glyphosat-Herstellern beauftragten und eingereichten Studien, die dem weltweit meistverkauften Pestizid naturgemäß in Umwelt- und Gesundheitsfragen einen Persilschein ausstellen"
KRITISIERT HELMUT BURTSCHER-SCHADEN, BIOCHEMIKER BEI GLOBAL 2000 UND AUTOR DES SACHBUCHS "DIE AKTE GLYPHOSAT (K&S)"
Das ungebrochene Vertrauen der EFSA in die Studien der Hersteller bei gleichzeitiger Geringschätzung der veröffentlichten wissenschaftlichen Literatur ist inakzeptabel. Denn das aktuelle Zulassungsverfahren hat am Beispiel einer relevanten Studie über Entwicklungsneurotoxizität gezeigt [2], dass auch Bayer, wie zuvor [3] Monsanto, Studien, die für Glyphosat unvorteilhafte Resultate erbrachten, den Behörden vorenthält. Die vorgelegten Studien wiederum, die zumeist vorteilhafte Resultate berichten (oder diese so darstellen), sind unzuverlässig und fehlerhaft [4]. Zu diesem Ergebnis kam die Evaluierung [5] zweier Wiener Krebsforscher von 35 Hersteller-Studien über DNA-schädigende Effekten von Glyphosat hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen Korrektheit und Qualität. Nur zwei der 35 Hersteller-Studien bewerteten die Wissenschaftler als "zuverlässig". 15 erhielten die Bewertung "partiell zuverlässig" und 18 waren schlicht "nicht zuverlässig". Möglich wurde diese Überprüfung durch ein Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs im März 2019 [6], das der Geheimhaltung von Hersteller-Studien ein Ende setzte.
Während die Hersteller-Studien keine DNA-Schädigung durch Glyphosat berichteten, fanden die überwiegende Mehrzahl [7] unabhängiger Studien und die WHO-Krebsforschungsagentur [8] das Gegenteil. Unabhängige wissenschaftliche Studien weisen unter anderem darauf hin, dass Glyphosat entwicklungsneurotoxisc [9] ist und Parkinson [10] auslöst, das Darmmikrobiom von Menschen [11] wie von Käfern [12] und Bienen [13] schädigt, sowie Böden [14] und Gewässer [15] kontaminiert.
Nach vielen Jahren der Debatte zeigt Glyphosat eines glasklar auf: Das EU-Zulassungssystem ist noch immer nicht in der Lage, die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu schützen, wie es erklärtes Ziel der EU-Pestizidgesetzgebung ist. Die Empfehlung der EFSA [16] ist ein Affront gegen die unabhängige Wissenschaft, die seit der Bewertung durch die Krebsagentur IARC im Jahr 2015 anhand von zahlreichen Studien die Toxizität von Glyphosat dargestellt hat.
GLOBAL 2000 fordert als Teil der Stop-Glyphosat-Koalition [17], eines breiten Bündnisses europäischer NGOs, die Europäische Kommission auf, ein Verbot von Glyphosat vorzuschlagen. Die Mitgliedstaaten sind in der Folge gefordert, dieses Glyphosat-Verbot zu unterstützen. Kein anderes Pestizid legt die Abhängigkeit unserer Landwirtschaft von giftigen Pestiziden derart schonungslos offen wie Glyphosat. Kein anderes Pestizid macht deutlicher, wie wichtig jener Systemwandel ist, den die EU-Kommission mit ihren Gesetzesvorschlägen zur Verringerung der Abhängigkeit von Pestiziden und zur Wiederherstellung der Natur einleiten möchte. Bereits 2017 haben mehr als 1 Million Europäer:innen mit der Europäischen Bürgerinitiative "Stop Glyphosat" [18] ein Verbot des Herbizids zum Schutz von Umwelt und Gesundheit gefordert.
"Angesicht des Bekenntnisses aller österreichischer Parlamentsparteien - inklusive ÖVP [19] - zu einem Ausstieg aus Glyphosat sollte ein österreichisches "Nein" bei der bevorstehenden Abstimmung in Brüssel eigentlich eine klare Sache sein", sagt Helmut Burtscher-Schaden GLOBAL 2000 Umweltchemiker. "Doch die Tatsache, dass Österreich unter Landwirtschaftsminister Totschnig im Vorjahr anders als Deutschland oder Frankreich für eine Verlängerung der Zulassung um ein weiteres Jahr stimmte, gibt Anlass zu Skepsis und erinnert an eine Chronologie von Halbwahrheiten und Irreführungen [20] rund um vergangene Positionierungen der ÖVP zu Glyphosat. Wir fordern die österreichische Bundesregierung deshalb auf, das Versprechen eines Ausstiegs aus Glyphosat endlich einzulösen."
Service-Link: Die Plattform-Website Stop Glyphosat [21] bietet
einen Überblick über unabhängige, wissenschaftliche Informationen
zu Glyphosat.
Links:
[1] https://www.efsa.europa.eu/en/news/glyphosate-no-critical-areas-concern-data-gaps-identified
[2] https://ehjournal.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12940-022-00891-7
[3] http://www.wisnerbaum.com/documents/pdf/monsanto-documents/70-a-monsanto-executive-roundup-dermal-absorption-studies-could-blow-roundup-risk-evaluations.pdf
[4]
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20211126_OTS0062/fehlerhafte-studien-koennten-glyphosat-zur-wiederzulassung-verhelfen
[5]
https://s3.amazonaws.com/s3.sumofus.org/images/Evaluation_scientific_quality_2021_glyphosate_re-evaluation.pdf
[6] https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2019-03/cp190025de.pdf
[7] https://enveurope.springeropen.com/articles/10.1186/s12302-018-0184-7
[8] https://monographs.iarc.who.int/wp-content/uploads/2018/06/mono112-10.pdf
[9] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9101768/
[10] https://www.mdpi.com/1660-4601/15/12/2885
[11] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9145961/
[12] https://www.nature.com/articles/s42003-021-02057-6
[13]
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0048969721004654
[14]
https://www.researchgate.net/publication/320426155_Distribution_of_glyphosate_and_aminomethylphosphonic_acid_AMPA_in_Agricultural_topsoils_of_the_European_Union
[15] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29313199/
[16] https://www.efsa.europa.eu/en/news/glyphosate-no-critical-areas-concern-data-gaps-identified
[17] http://www.stopglyphosate.eu/
[18] https://europa.eu/citizens-initiative/initiatives/details/2017/000002/ban-glyphosate-and-protect-people-and-environment-toxic-pesticides_en
[19] https://www.diepresse.com/5337721/oevp-und-fpoe-wollen-glyphosat-in-oesterreich-verbieten
[20] https://www.global2000.at/presse/falsches-spiel-mit-glyphosat
[21] https://stopglyphosate.eu/
*
Quelle:
Presseaussendung, 06.07.2023
Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000
Neustiftgasse 36, A-70 Wien
Tel: +43/1/812 57 30, Fax: +43/1/812 57 28
E-Mail: office@global2000.at
Internet: www.global2000.at
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 7. Juli 2023
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