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ERNÄHRUNG/110: Konventionelle Lebensmittelproduktion schädigt die Umwelt (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 178 - Februar / März 2014
Die Berliner Umweltzeitung

Verbraucherzentrale stellt neue Studie vor
Konventionelle Lebensmittelproduktion schädigt die Umwelt

von Volker Voss



Dem Feinschmecker wurden auf der diesjährigen Grünen Woche in Berlin im Januar wieder zahlreiche Köstlichkeiten aus vielen Ländern und Regionen geboten. Für manche war es eine gute Gelegenheit zum Schlemmen im Übermaß, während Verbraucher- und Lebensmittelschützer die umweltschädlichen Folgen der Lebensmittelproduktion unter die Lupe nahmen. Der Bundesverband der Verbraucherzentrale hat dazu auf seinem Verbraucherpolitischen Forum auf der Grünen Woche unseren Lebensmittelkonsum kritisch thematisiert.

"Viele kaufen einfach nur billig", stellt Dr. Thomas Holzmann, amtierender Präsident des Umweltbundesamtes kritisch fest. Wobei die Herkunft und Qualität oft zu wünschen übrig lassen. Doch geht der Trend vieler Verbraucher mittlerweile Richtung Bioprodukte. Ebenso spielt der Gesundheitsaspekt eine immer größere Rolle. Wie sensibel die Verbraucher in den letzten Jahren geworden sind, zeigt eine aktuelle Umfrage, nach der 70 Prozent eine Umstellung auf Ökolandbau wünschen.

Ausbau des Ökolandbaus notwendig

Notwendig ist mehr Umweltfreundlichkeit in der Lebensmittelproduktion. "Denn etwa ein Fünftel der Treibhausgasemissionen gehen auf den Ernährungssektor zurück", so in der gemeinsamen Studie des Umweltbundesamtes und der Verbraucherzentrale. Größter Stickstoffverursacher mit 57 Prozent ist die Landwirtschaft. Im Vergleich dazu trägt der Verkehr mit einem Anteil von "nur" 15 Prozent zu den Stickstoffemissionen bei und war in den letzten Jahren rückläufig. Stickstoffüberschüsse aus der Lebensmittelproduktion belasten das Grundwasser so stark, dass es in vielen Regionen Deutschlands nicht mehr als Trinkwasser genutzt werden kann. Insgesamt 25 Prozent der Grundwasservorkommen weisen zu hohe Nitratwerte auf.

Der hohe Anteil an Stickstoff ist auch Grund für den Rückgang der Artenvielfalt und trägt ebenso zum Klimawandel bei. Als Lösungsvorschläge werden die Verringerung der Stickstoffbelastung durch den Ausbau des Ökolandbaus, eine umweltfreundliche Tierhaltung, die Förderung eines bewussten, reduzierten Fleischkonsums und die Vermeidung der Verschwendung von Lebensmitteln genannt. Denn 1,3 Milliarden Tonnen, ein Drittel der weltweit produzierten Lebensmittel, landen jährlich im Müll oder gehen ungenutzt verloren. Vielleicht sollten die Handelsketten den Mut haben, auch weniger appetitlich aussehendes Obst und Gemüse anzubieten.

Beim Ökolandbau hingegen werde auf synthetische Pflanzenschutzmittel verzichtet, wodurch der Stickstoffausstoß erheblich geringer ist. Zwar sei der Stickstoff als Dünger ein wichtiger Nährstoff beim Anbau von Nahrungsmitteln, doch werde nur ein Teil des Stickstoffs von den Pflanzen aufgenommen. Ein großer Teil gelangt in die Luft und ins Wasser und belastet die Umwelt. Der Ökolandbau ist zwar umweltfreundlicher, doch kostet die Umstellung auf Ökolandbau viel Geld. So wird die Bundesregierung aufgefordert, den Landwirten stärkere finanzielle Unterstützung zu gewähren. Die Nachfrage nach Bioprodukten ist in Deutschland so hoch, dass zusätzlich Bioerzeugnisse importiert werden müssen, weil das Angebot nicht die Nachfrage deckt. Aber lange Transportwege belasten auch die Umwelt. Eine Studie des Bundesministeriums für Landwirtschaft ergab, dass 92 Prozent der Verbraucher in Deutschland regionalen Produkten den Vorrang geben.

Zu hoher Fleischkonsum

Die Deutschen sind eifrige Fleischkonsumenten. Verzehrten sie 1950 noch 26 Kilogramm pro Person und Jahr, steigerte sich der Fleischkonsum bis 2012 auf 60 Kilogramm. Die steigende Nachfrage und der Export von Fleisch erhöhen den Ausstoß von Treibhausgasen und verursachen einen Stickstoffüberschuss in weit höherem Maß als andere Lebensmittel. Zudem warnen die Krankenkassen aus gesundheitlichen Gründen vor übermäßigem Fleischkonsum. Eine aktuelle Forsa-Umfrage belegt, dass 73 Prozent der Deutschen es für sinnvoll hält, weniger Fleisch zu essen. So bieten sich vegetarische Produkte durchaus als Alternative an. Der hohe Fleischkonsum führt auch dazu, dass 45 Prozent der Ackerfläche in Deutschland zum Anbau von Futtermitteln verwendet wird, die wiederum für den Nahrungsmittelanbau verlorengeht.

"Für die Produktion und den Verbrauch von Lebensmitteln muss die Umwelt schon heute bezahlen. Langfristig können auch die Kosten für die Verbraucher spürbar werden", sagt Holger Krawinkel, Leiter des Geschäftsbereichs Verbraucherpolitik der Verbraucherzentrale.

Es sollten keineswegs die Konsumenten beschimpft werden. Vielmehr gehe es darum, bessere Bedingungen zu schaffen und mehr Verbraucheraufklärung zu leisten. So lange die Voraussetzungen für eine umweltfreundlichere Lebensmittelproduktion nicht geschaffen werden, wird sich nichts ändern. "Wenn wir so weitermachen wie bisher, erreichen wir unser nationales Ziel von 20 Prozent Ökolandwirtschaft erst im Jahre 2078, warnt Dr. Holzmann. Im Jahre 2012 umfasste der Ökolandbau lediglich etwas über sechs Prozent.

Kritisiert wurde auch die Massentierhaltung, mit der Tiere auf kleinstem Raum, nicht artgerecht gehalten werden. Die Medien berichteten immer wieder über skandalöse Massentierhaltungseinrichtungen, aber auch über gezielte Aktivitäten von Verbraucherschützern dagegen. Denn Massentierhaltung ist Quälerei, bei der die Tiere regelmäßig mit Antibiotika vollgepumpt werden, um sie unter diesen artfremden Bedingungen am Leben zu halten. Dies hat wiederum auch negative gesundheitliche Folgen für den Fleischkonsumenten.

Während der Grünen Woche demonstrierten am 18. Januar 30.000 Menschen unter dem Motto "Wir haben Agrarindustrie satt" unter anderem gegen Megaställe und für eine artgerechte Tierhaltung ohne Antibiotika sowie für bezahlbare Lebensmittelpreise. Gefordert wurde dort von kritischen Verbrauchern eine bäuerliche, nachhaltige und ökologische Landwirtschaft statt einer Agrarindustrie mit Massentierhaltung und Skandalen.

Unkritische Wahrnehmung

"Massentierhaltung gibt es überhaupt nicht. Es sei eher eine Definitionsfrage", überrascht Friedhelm Decker, Präsident des Rheinischen Landwirtschaftsverbandes. Es gebe eine Intensivtierhaltung, die das modernste, fortschrittlichste und teuerste sei, was der Umweltschutz zu bieten hat. Auch bewegten sich die Tiere völlig frei. Und weiter geht es mit überraschenden Erkenntnissen, die von Verbraucherschützern nicht nachvollziehbar sind: "Wir in Deutschland sind in der glücklichen Lage, über hochqualitative Lebensmittel zu günstigen Preisen zu verfügen. Unsere deutsche Landwirtschaft und Lebensmittelherstellung produzieren auf hohem Niveau, was auch die Umwelt- und Tierschutzstandards angeht", ist Dr. Robert Kloos, Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft überzeugt.

Solche leicht widerlegbaren Aussagen sind wenig hilfreich, die anstehenden Probleme zu meistern. Ohnehin trauen laut Forsa-Umfrage nur 14 Prozent der Verbraucher der Industrie zu, dass sie die Umweltbelastungen gering hält. Aber 73 Prozent kennen ihre Macht als Verbraucher und wissen, dass sie selbst großen Einfluss auf um weltfreundliche Lebensmittel haben.

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Quelle:
DER RABE RALF - 25. Jahrgang, Nr. 178 - Februar/März 2014, Seite 6
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2014