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MASSNAHMEN/149: Energieholz auf Gewässerrandstreifen - der Spatz in der Hand? (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1099, vom 09. Dez. 2016 - 36. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Energieholz auf Gewässerrandstreifen - der Spatz in der Hand?


Die Ausweisung von Gewässerrandstreifen (s. RUNDBR. 1091/1) wird von den betroffenen Landwirten oftmals als "kalte Enteignung" empfunden. Der Unwille der Landwirte trägt dazu bei, dass entlang von vielen Bächen die - in den meisten Bundesländern gesetzlich vorgeschriebenen - Gewässerrandstreifen oft nur virtuell vorhanden sind. Jetzt gibt es die Idee, den widerspenstigen Landwirten entgegen zu kommen. Das Angebot läuft darauf hinaus, den Landwirten anzubieten, auf den Gewässerrandstreifen Kurzumtriebsplantagen (KUP) anzupflanzen - Motto: "Ihr dürft zwar auf den Gewässerrandstreifen nicht mehr ackern, aber Ihr könnt dann immerhin auf dem Gewässerrandstreifen noch Energieholz abernten."

Und gegenüber einer ausgeräumten Agrarlandschaft wären Energieholzanpflanzungen auf dem Gewässerrandstreifen in vielerlei Hinsicht auch ein ökologischer Fortschritt: Die Kurzumtriebsplantagen wären ein Beitrag zur Biotopvernetzung, eine Erosionsbremse und könnten auch die Nährstoffeinschwemmungen in die Fließgewässer reduzieren. Rigide Gewässerschützer vergleichen die KUPs aber nicht mit einem bis auf den Gewässerrand bewirtschafteten Maisacker, sondern mit dem Idealbild eines gestuften Galeriewaldes und einer dazugehörigen, bachbegleitenden Hochstaudenflur. Mit dem Idealbild eines Gewässerrandstreifen könne keine Energieholzanpflanzung mithalten. Und außerdem würde man sich mit der Kurzumtriebsplantage für 25 Jahre binden. Für den Zeitraum einer Generation könne man sich dann einen "richtigen" Gewässerrandstreifen abschminken.

Die Befürworter einer Energieholzanpflanzung auf dem Gewässerrandstreifen argumentieren demgegenüber, dass der lange Weg zum idealtypischen Gewässerrandstreifen an vielen Gewässerabschnitten ebenfalls noch eine Generation dauern wird. Und da sei doch die KUP als Spatz auf der Hand allemal ungleich besser, als die Taube auf dem Dach. In der Praxis stehen aber noch vielerlei Hindernisse und Bedenken der Umsetzung der KUP-Idee im Wege - dazu mehr in den nachfolgenden Notizen.

KUP-Gewässerrandstreifen als Einfallstor für Neophyten?

Ein idealtypischer Galeriewald mit Hochstaudensaum bietet für das Eindringen von Japanischem Knöterich, Indischem Springkraut und anderen aggressiv invasiven Neophyten kaum Angriffspunkte. Demgegenüber wird vor der Anpflanzung von Energieholz der Gewässerrandstreifen zunächst ein Mal gepflügt - und gleicht damit einem offenen Einfallstor für Neophyten. Da man im Gewässerrandstreifen keine Herbizide (Unkrautvernichtungsmittel) einsetzen darf, wird man alle Hände voll zu tun haben, um ein Mal eingewanderte Neophyten unter Kontrolle zu halten. Und da die Kurzumtriebsplantagen zur Energieholzernte alle fünf Jahre auf den Stock gesetzt werden müssen, entfällt die Beschattung, so dass die invasiven Neophyten erneut leichtes Spiel haben werden, den Gewässerrandstreifen zu erobern. Schon die regelmäßig erforderliche Neophytenbekämpfung würde die Kurzumtriebsplantagen auf dem Gewässerrandstreifen völlig unwirtschaftlich machen, so die Skeptiker. Bedenken gibt es auch gegenüber dem Pflügen vor der Erstanpflanzung der Energieholzbäumchen. Der pflugbedingte Umbruch werde auf den nährstoffreichen Gewässerrandstreifen in unmittelbarer Bachnähe sicher zu einer beträchtlichen Freisetzung von Nährstoffen führen. Dem wird von Befürwortern der KUP-Idee allerdings entgegengehalten, dass das alljährliche Pflügen eines Ackers noch ungleich mehr Nitrat freisetzen würde. Demgegenüber müsse für den KUP-Anbau auf Gewässerrandstreifen nur einmal zu Anfang des 25jährigen KUP-Bestands gepflügt werden.

Bricht die Miniparzellierung dem KUP-Anbau wirtschaftlich das Genick?

In der Regel stoßen die landwirtschaftlichen Nutzflächen vielerorts nicht mit der Breitseite, sondern mit der Schmalseite am Gewässerrand an. Sollten sich die Bauern für den KUP-Anbau auf Gewässerrandstreifen begeistern, wären die jeweiligen Flächen der Kurzumtriebsplantagen derart klein, dass sich eine Energieholzernte auf diesen Miniparzellen für den einzelnen Landwirtschaftsbetrieb nie und nimmer lohnen würde. In dem Abschlussbericht "Energieholz und Landschaft" (siehe nebenstehenden Kasten) wird für bachbegleitende Kurzumtriebsplantagen eine Mindestgröße von fünf Hektar empfohlen, um überhaupt in die Nähe einer Chance zur Wirtschaftlichkeit zu kommen. Ebenso wie bei der Sammlung von Landschaftspflegematerial zur energetischen Zwecken (s. RUNDBR. 964/3) würde sich unter den gegebenen Rahmenbedingungen bei den Mini-KUPs entlang von Bächen eine lausig schlechte Wirtschaftlichkeitsbilanz ergeben. Denkbar wären Genossenschaften, in denen die KUPs entlang ganzer Bäche zusammengefasst werden, um möglicherweise auf eine sich ökonomisch rechnende Flächengröße zu kommen.

Energieholz an Gewässerrändern klappt nur mit 3.000-Förderung

Mit der Wirtschaftlichkeit von Energieholzstreifen entlang von Fließgewässern hat sich auch die Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft beschäftigt. Die Landesanstalt geht davon aus, dass dieser "Ansatz durch seine Verknüpfung von Nutz- und Schutzfunktion eine gute Akzeptanz seitens der Landwirte" verspreche.

In der zwischen 2012 und 2015 erfolgten Untersuchung wurde ein 350 Meter langer und 12 Meter breiter Energieholz- sowie ein Grünlandstreifen entlang des Bennebachs im Kyffhäuserkreis untersucht. Sowohl der Energieholz- als auch der Grünlandstreifen wurden mit der am Bennebach dominierenden Ackernutzung verglichen, die bis an den Gewässerrand heranreicht. Der Bach leidet insbesondere unter der Erosion auf den anliegenden Äckern. Die Erosion und der Phosphoreintrag in den Bennebach konnte durch den Energieholz- und den Grünlandstreifen deutlich reduziert werden. Ob die Streifen auch zu einer Verringerung des Stickstoffeintrages führen, konnte in der nur dreijährigen Untersuchungsperiode (noch) nicht verifiziert werden. In dem Untersuchungsbericht wird betont, dass es für generelle Aussagen eh zu früh wäre. Längerfristige Untersuchungen seien von Nöten, um den Positiveffekt von Energieholzstreifen an Fließgewässern vollumfänglich zu dokumentieren. Damit sich die Energieholzstreifen wirtschaftlich rechnen, bedarf es nach Meinung des Thüringischen Landesamtes einer investiven Förderung von 2.500 bis 3.000 Euro pro Hektar. Zudem müssten Energieholzstreifen im Greening besser gestellt werden. Derzeit werden Kurzumtriebsplantagen als ökologische Vorrangflächen nur mit einem Anrechnungsfaktor von 0,3 "belohnt": "Dies schaffe keinen finanziellen Anreiz für die Etablierung von Energieholz", heißt es in einer Pressemitteilung der Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe (FNR), in der die Studie des Thüringischen Landesamtes für Landwirtschaft zusammengefasst wird.

Rechtliche Hemmnisse für Energieholzstreifen an Fließgewässern

In der zuvor genannten FNR-Pressemitteilung vom 07.04.16 wird auch auf die rechtlichen Restriktionen hingewiesen, die in den meisten Bundesländern der Anlage von Kurzumtriebsplantagen auf Gewässerrandstreifen im Wege stehen:
"Bei der Analyse der rechtlichen Rahmenbedingungen benennen die Thüringer Forscher insbesondere das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) als änderungsbedürftig. In §38 Absatz 4 verbietet das WHG die Entnahme standortgerechter Bäume und Sträucher auf Gewässerrandstreifen, außer im Rahmen einer "ordnungsgemäßen Forstwirtschaft". Ob und wie dieser Passus für die regelmäßige Ernte von KUP gilt, darüber besteht noch Unsicherheit. Dieser Umstand erfordere vor jeder Anlage einer KUP am Gewässerrand Absprachen bzw. Ausnahmeregelungen durch die zuständige Wasserbehörde und erschwere die Umsetzung enorm, so die TLL. Alternativ zum WHG könnten auch die Wassergesetze der Länder angepasst werden, um KUP als Pufferstreifen an Gewässern zu ermöglichen."

Literatur und mehr zu Kurzumtriebsplantagen auf Gewässerrandstreifen

Als UBA-Texte 94/2013 hat das Umweltbundesamt die Studie "Gewässerrandstreifen als Kurzumtriebsplantagen oder Agroforstsysteme" publiziert. Wer sich mit der Thematik beschäftigen will, muss diese Studie gelesen haben. Die Studie ist als Download unter [1]
http://www.umweltbundesamt.de/publikatio-nen/gewaesserrandstreifen-als-kurzumtriebsplantagen verfügbar.

Eine der Kernaussagen:
"In ausgeräumten Agrarlandschaften stellen KUP und insbesondere KUP-Streifen eine Bereicherung für die Biodiversität dar. Auf die Gewässerstruktur haben KUP-Streifen kaum positiven Einfluss. Die Durchführung von Gewässerstrukturmaßnahmen wird erschwert. KUP-Streifen entlang von Fließgewässern können die ökologische Leistung natürlicher Ufergehölze nicht ersetzen. Sie sind jedoch dem herkömmlichen Ackerbau in ihrer Umweltleistung deutlich überlegen."

Mehrere Publikationen zu Energieholzstreifen entlang von oberschwäbischen Fließgewässern finden sich auf [2]
www.bund-ravensburg.de/themen_projekte/energieholz_und_landschaft/

Am aussagekräftigsten ist der Abschlussbericht "Energieholz und Landschaft". Der Abschlussbericht der Thüringischen Landesanstalt für Landwirtschaft (TLL) über Energieholzstreifen steht auf [3]
www.fnr.de/projektfoerderung/projekte-und-er-gebnisse/suche/
unter dem Förderkennzeichen 22004711 zur Verfügung - Eingabefenster in der linken Spalte.

Eine Forschungsguppe ("AUFWERTEN") der Uni Greifswald und der TU München beschäftigt sich mit der Etablierung von Agroforstsystemen - u.a. auch auf Gewässerrandstreifen. Modellregion ist ein Gebiet in Brandenburg.

Weitere Informationen unter [4]
http://agroforst-info.de/innovationsgruppe-aufwerten/

Die BMBF-geförderte Forschergruppe ist derzeit dabei, ökologische Mindestkriterien für KUPs auf Gewässerrandstreifen zu formulieren.


Unser bereits im RUNDBR. 1069/1 vorgestelltes Dossier zu Gewässerrandstreifen können AbonnentInnen des WASSER-RUNDBRIEFS weiterhin kostenlos via nik@akwasser.de anfordern - für Nichtabonnenten gibt es das Dossier für fünf Euro. Das Dossier bewertet den vielfach behaupteten Nährstoffrückhalt in Gewässerrandstreifen eher skeptisch. Mehr zu Gewässerrandstreifen kann auch in den RUNDBR. Nr. 1038/S. 2, 1013/4, 1006/2 und 597/1 nachgelesen werden.


[1] http://www.umweltbundesamt.de/publikatio-nen/gewaesserrandstreifen-als-kurzumtriebsplantagen verfügbar.

[2] www.bund-ravensburg.de/themen_projekte/energieholz_und_landschaft/

[3] www.fnr.de/projektfoerderung/projekte-und-er-gebnisse/suche/

[4] http://agroforst-info.de/innovationsgruppe-aufwerten/

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1099
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
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Tel.: 0761 / 27 56 93, 456 871 53
E-Mail: nik[at]akwasser.de
Internet: www.akwasser.de, www.regioWASSER.de
 
Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF kann abonniert werden durch Voreinzahlung
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Februar 2017

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