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RECHT/084: "Güllenotstand" - Massnahmen bei Havariegefahr (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 1127 vom 06. April 2018, 37. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)


Warum es an Weihnachten nach Gülle gestunken hat

Die außerordentlich nasse Witterung im Herbst hatte auch verhindert, dass die Landwirte - insbesondere in Norddeutschland - rechtzeitig vor der winterlichen Sperrfrist noch ein Mal ihre Güllesilos leeren konnten. Auf den völlig durchmatschten und nicht mehr befahrbaren Ackerböden war eine Ausbringung der Gülle unmöglich geworden. Viele Güllebehälter waren dadurch an den Rand ihrer Kapazität gekommen. Damit drohten Havariefälle, bei denen Gülle unkontrolliert ins Erdreich abfließen würde, was wiederum das Grundwasser gefährdet hätte. In einigen Dörfern hatte es deshalb zur Weihnachtszeit noch stärker nach Gülle gestunken als ohnehin. Niedersachsen und Schleswig-Holstein sahen sich genötigt, den "Güllenotstand" auszurufen. In Niedersachsen wurde auf Basis von § 8, Abs. 2 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG, s. Kasten auf S. 2) ein Havarieerlass bekannt gegeben. Danach war eine Gülleausbringung unter strengen Auflagen auch während der winterlichen Sperrzeit möglich. Die niedersächsische Düngebehörde hatte dazu bekanntgegeben, dass sich die in Not befindlichen Landwirte an die zuständigen unteren Wasserbehörden (UWB) bei den Landkreisverwaltungen wenden könnten.

"Kommt die Untere Wasserbehörde (in Abstimmung mit der Düngebehörde) zu dem Schluss, dass die Aufbringung einer zur Gefahrenabwehr notwendigen Güllemenge auf landwirtschaftliche Flächen erforderlich ist, kann diese als Notstandsmaßnahme in Betracht kommen."

Außerdem hatten die Behörden erlaubt, provisorische Güllelager zu errichten, um das Überlaufen der eigentlichen Güllesilos zu verhindern. In Betracht kämen Gülle-Lagunen - also große Erdbecken, die mit Spezialfolie auszukleiden seien. Zudem wurden in Meck-Pomm und in Niedersachsen die Landwirte aufgefordert, sich bei den Betreibern von Biogasanlagen um zusätzliche Lagermöglichkeiten für die Gülle zu bemühen. Um dem Problem grundsätzlich Herr zu werden, hatte Niedersachen am 21.02.18 ein Förderprogramm für den Bau von Gülle-Lagerstätten angekündigt. Dafür sollen lt. der CDU-Agrarministerin Barabara Otte-Kinast "Millionen aus der Landeskasse fliessen". Auch der SPD-Landwirtschaftsminister von Meck-Pomm machte noch ein Mal darauf aufmerksam, dass das Land über das Agrarinvestitionsförderungsprogramm den Neubau von Güllelagern sowieso routinemäßig fördern würde. Ziel sei - wie in der Düngeverordnung vorgeschrieben - Güllelagerkapazitäten für neun Monate aufzubauen. Der BDEW forderte demgegenüber zusammen mit der Gewerkschaft verdi und sechs Umweltverbänden erneut eine Abkehr von der industriellen Massentierhaltung: Mit weniger Nutztieren würde es auch weniger Gülle geben.

In der Not gilt kein Gebot

Wenn es zu einem unvorhersehbaren Notstand kommt, dann kann nach § 8 (2) WHG eine Gewässerbenutzung auch ohne die ansonsten erforderliche Erlaubnis oder in Abweichung von sonstigen Regelungen erfolgen:

§ 8 (2) "Keiner Erlaubnis oder Bewilligung bedürfen Gewässerbenutzungen, die der Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit dienen, sofern der drohende Schaden schwerer wiegt als die mit der Benutzung verbundenen nachteiligen Veränderungen von Gewässereigenschaften. Die zuständige Behörde ist unverzüglich über die Benutzung zu unterrichten."

Bei dem "Güllenotstand" konnte damit von den winterlichen Sperrfristen der Düngeverordnung abgewichen werden. Denn anderenfalls hätten die überquellenden Güllebehälter einen noch größeren Schaden verursacht - nämlich dann, wenn die überquellende Gülle unkontrollierbar in Grund- und Oberflächengewässer oder in die Kanalisation abgeflossen wäre.

Illegale Gülleausbringung

Nicht gedeckt von den Havarieerlassen war die Ausbringung von Gülle in Hanglagen, auf wassergesättigtem oder gefrorenem Boden. Daran hatten sich einige Landwirte aber nicht gehalten. So beispielsweise in Hornsmühlen in Schleswig-Holstein, wo die in Hanglage aufgebrachte Gülle mit dem tauenden Schneewasser in einen Bach abgeflossen war. Gegen den Landwirt wurden strafrechtliche Ermittlungen aufgenommen. Die erschöpfte Güllelagerkapazität hatte einige Landwirte dazu verführt, illegal Gülle in Wälder auszubringen. So hatte ein Landwirt im nordrhein-westfälischen Kreis Wesel schleifenartig über 150 m Länge eine 15 cm dicke und einen Meter breite Gülleschleppe in einem Waldstück hinterlassen. Die Gülle-Hinterlassenschaft war einem NABU-Mitglied aufgefallen. Das hatte in den "sozialen" Netzwerken der Bauernschaft sogleich zu der irren Vermutung geführt, dass der NABU zur Diskreditierung der Landwirte die Gülle selbst in den Wald gefahren haben könnte.

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1127
Herausgeber:
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juni 2018

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