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VIELFALT/132: Felder für wilde Kräuter - Das Projekt "100 Äcker für die Vielfalt" (naturmagazin)


naturmagazin
Berlin - Brandenburg
Ausgabe 3/2014

Felder für wilde Kräuter
Das Projekt "100 Äcker für die Vielfalt"

von Wolfgang Ewert



Ackerwildkräuter gelten als Stiefkinder des Naturschutzes. Ihre Blüten sind zu großen Teilen aus unserer Agrarlandschaft verschwunden. Das Projekt" 100 Äcker für die Vielfalt" versucht, wieder mehr Farbe in die Landschaft zu bringen.

Unkraut vergeht nicht, heißt es landläufig. Tut es doch, muss eigentlich die Gegenrede lauten. Zumindest auf den Äckern haben intensive Bewirtschaftungsmethoden der Formen- und Farbenvielfalt sichtbar Einhalt geboten. Die Ackerwildkrautflora gehört heute zu den am meisten gefährdeten Pflanzengesellschaften in Europa. Seit über 50 Jahren gibt es jedoch auch Bemühungen um den Schutz der Ackerwildkräuter. Namhafte Botaniker forderten bereits in den 1950er und 1960er Jahren Schutzmaßnahmen für die Feldflora ein. Feldflorenreservate sollten den Artenrückgang aufhalten. In der DDR bemühte sich ab 1984 die Arbeitsgruppe Ackerwildpflanzenschutz in der Biologischen Gesellschaft um den Erhalt dieser Pflanzengesellschaften. Nicht ohne einen gewissen Erfolg, wie die Einrichtung von 25 Feldflorenreservaten zeigte. Ackerrandstreifenprogramme konnten regional oder lokal und auf "Laufzeiten" begrenzt eine gewisse Artenvielfalt im ländlichen Raum bewahren und für blühende Landschaften sorgen. Letztlich zeigte sich jedoch, dass andere Wege beschritten werden müssen, um artenreiche Ackerlandschaften mit ihrer typischen Flora und Fauna dauerhaft zu erhalten oder wieder zu erlangen.

Mit dem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Projekt "Errichtung eines bundesweiten Netzwerkes für Ackerwildkräuter" unternahmen die Universitäten Göttingen und Kassel sowie der Deutsche Verband für Landschaftspflege (DVL) 2009 einen erfolgversprechenden Anlauf, genau dieses zu tun. Für die fünfjährige Projektlaufzeit galt es, mindestens "100 Äcker für die Vielfalt" zu akquirieren und deren langfristige, auf den Erhalt der gebietsspezifischen Wildkräuterarten und -gesellschaften gerichtete Bewirtschaftung zu sichern. Eine vorangegangene Machbarkeitsstudie zeigte, dass ein Netz sogenannter Schutzäcker - ein Verbund landwirtschaftlicher Flächen, deren hervorragendes botanisches Arteninventar jedoch langfristig gesichert werden müsste. Dazu gehört vor allem eine auf den Erhalt der Ackerwildkrautflora ausgerichtete Bewirtschaftung, idealerweise durch einen Landwirt, betreut von einem Landschaftspflege- oder Naturschutzverband. Schutzäcker dienen aber nicht nur dem Schutz gefährdeter Arten, sondern auch dem Erhalt des genetischen Potenzials.

Die Einweihung der ersten Schutzäcker im Rahmen des Projektes ließ nicht lange auf sich warten. Inzwischen sind es weit mehr als 100 Äcker geworden, die als Refugien für seltene Ackerwildkräuter die nächsten Jahrzehnte nachhaltig extensiv bewirtschaftet werden. Kornrade, Schwarzkümmel und Co. bleiben zumindest dort von Herbiziden verschont. Und das nicht einmal zum Leidwesen der Landwirte - sie erhalten einen finanziellen Ausgleich für die entstehenden Ertragseinbußen. In der Regel werden dafür Mittel des Vertragsnaturschutzes eingesetzt, aber auch produktionsintegrierte Kompensationsmaßnahmen (PIK), bei denen Ausgleichszahlungen aus der gesetzlichen Eingriffsregelung für die ökologische Aufwertung des Lebensraums Agrarlandschaft eingesetzt werden.

Die Zahl der Schutzäcker könnte in Zukunft noch erheblich wachsen wenn entsprechende Gelder zur Verfügung stünden. Denn allein in Brandenburg gibt es nach Angaben des DVL mehr als 50 Flächen, die wegen ihrer besonderen Artenausstattung als Schutzacker geeignet wären. Doch derzeit sind von ihnen nur sieben Flächen mit insgesamt rund 36 Hektar dauerhaft gesichert. Unter anderem der "Koppe-Acker", ein sechseinhalb Hektar großer Schutzacker mit einem überregional bedeutsamen Vorkommen seltener Ackerwildkräuter. Weil das Stück Land bei Dahmsdorf im Naturpark Märkische Schweiz nie mit Pflanzenschutzmitteln in Berührung kam und über Jahrzehnte extensiv bewirtschaftet wurde, lassen sich dort noch Wildkräuter wie Kornrade, Acker-Schwarzkümmel oder das Sommer-Adonisröschen bewundern. Andernorts sind sie längst verschwunden.

Das Projekt im Internet: www.schutzaecker.de


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
Typischer BIühaspekt einer Ackerbegleitflora

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Quelle:
naturmagazin, 28. Jahrgang - Nr. 3, August bis Oktober 2014, S. 20-21
Herausgeber: Naturschutzzentrum Ökowerk Berlin
Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V., Landesverband Brandenburg
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Redaktion: Natur & Text GmbH
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. August 2014