Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → LANDWIRTSCHAFT

WALD/115: Klimawandel und nachhaltige Waldwirtschaft (UFZ-Spezial)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Spezial Dezember 2009: In Sachen Klimawandel

Klimawandel und nachhaltige Waldwirtschaft

Von Eichenketten, Abstammungsfragen und willkommenem Regen


Unsere Wälder müssen sich verändern: Sollen sie den Auswirkungen des Klimawandels wie Temperaturanstieg und Veränderungen in den Niederschlägen sowie den Bedrohungen durch Schadstoffe gewachsen sein, braucht es neue Konzepte für Deutschlands Wälder von morgen. "Die Herausforderung besteht darin, geeignete Strategien und Maßnahmen zur Risikominimierung und zum Schutz von Ökosystemen und Biodiversität zu entwickeln und umzusetzen", bringt es Andreas Werntze vom UFZ auf den Punkt. Im Rahmen des 2010 auslaufenden Förderschwerpunktes "Nachhaltige Waldwirtschaft" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) befassen sich mehrere Verbundprojekte mit genau diesem Problemfeld. Andreas Werntze ist Spezialist für die Forst-Holz-Kette und ist tätig in der wissenschaftlichen Begleitung des BMBF-Programmes. Er ist besonders zufrieden über die vielen praxisnahen und sehr konkreten Lösungsansätze, die der über fünf Jahre laufende Förderschwerpunkt bereits hervorgebracht hat. Wie zum Beispiel das Verbundprojekt Oakchain (deutsch: Eichenkette), in dem grundlegende Erfahrungen eines Waldumbaus durch Anpflanzen von Traubeneichen im nordostdeutschen Tiefland gewonnen wurden.


Eichenkette macht Kiefernwald stärker

Im Nordosten Deutschlands prägen Buchen- und Buchen-Eichenwälder das Landschaftsbild. In Regionen, in denen weniger Niederschlag fällt, waren es meist reine Kiefernwälder, die nach 1990 ökologisch umgebaut und vorrangig mit Traubeneichen durchsetzt wurden. Ziel dieser Waldumbaumaßnahmen war die Schaffung risikosicherer und ökologisch wertvollerer Mischbestände. Doch das ist nicht so einfach: Bei trockenem Klima sowie schlechterer Nährstoffsättigung und Wasserspeicherfähigkeit der Böden kann die Traubeneiche nicht optimal wachsen. Praktische Erfahrungen sowie die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit einem derartigen Waldumbau gab es bislang kaum. Das BMBF-Verbundprojekt Oakchain behandelt die Schlüsselparameter im Kontext sich ändernder Klimabedingungen nun interdisziplinär: genetische Anpassungsfähigkeit der Bäume, Kohlenstoff-Sequestrierung, Phänologie und Vitalität, Reaktion der Bestände auf zunehmenden Trockenstress sowie Gefährdung durch biotische Schaderreger. Dadurch werden Aussagen über die Anpassungsfähigkeit der Eichen-Kiefern-Mischwälder unter sich ändernden Klimabedingungen in der Zukunft ermöglicht.

Dabei geht es nicht nur darum, die beste Baummischung für die klimatischen Bedingungen der Zukunft zu finden, sondern es gilt auch, Überzeugungsarbeit bei Waldbesitzern zu leisten: Nadelhölzer können nach zirka 30 bis 40 Jahren erstmals geschlagen werden, Eichen hingegen erst nach rund 100 Jahren. Da ist ein grundsätzliches Umdenken bei den Nutzern der Wälder gefragt.

"Unter Berücksichtigung der Standortverhältnisse könnten prinzipiell die Folgen von Unwetterkatastrophen, die verheerende Stürme wie Kyrill mit riesigen Schadflächen anrichten, als Chance für nachhaltige Aufforstung genutzt werden", betont Andreas Werntze. Denn - soviel wissen die Forscher bereits - Eichen-Kiefern-Mischwälder können den Klimaveränderungen besser trotzen und zudem das ökologische Gleichgewicht stabilisieren. Im Rahmen von Oakchain werden Bewirtschaftungsempfehlungen für Eichen-Kiefern-Mischwälder erarbeitet, die eine nachhaltige Waldwirtschaft sichern sollen. Basis dafür sind Untersuchungen zur Biodiversität, Standortqualität, Nährstoffversorgung von Böden und Bäumen, ober- und unterirdischem Wachstum der Bestände, Konkurrenz der beiden Baumarten sowie Quantität und Qualität des anfallenden Holzes. Diese Informationen werden in ein Entscheidungs-Unterstützungs-System (DSS) integriert, das Empfehlungen für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Mischbestände erstellt. Nicht zuletzt werden innerhalb des transdisziplinären Projektes Innovationen in den Bereichen Holznutzung und Holzlogistik entwickelt, die die Zukunftsfähigkeit der Holzindustrie substanziell verbessern: Das reicht von neuartigen Verwendungsmöglichkeiten für Eichen(schwach)holz, über die Produktion von Eichen-Thermoholz, innovativen Marketinginstrumenten bis hin zu verbesserten Abläufen der Forstlogistik, die die Kosten dieses Sektors signifikant senken sollen.


Vielfalt als Antwort auf unsichere Bedingungen.

Ebenfalls im Nordosten Deutschlands sind Wissenschaftler im BMBF-Verbundprojekt NEWAL-NET (Nachhaltige Entwicklung von Waldlandschaften im Nordostdeutschen Tiefland) aktiv. "Wie können Wälder auf den Klimawandel vorbereitet werden? Welche Baumarten muss man heute pflanzen, damit unsere Enkel und Urenkel noch gesunde Wälder vorfinden können?", sind zentrale Fragen. Leider können Klimamodelle heute erst Vorhersagen für die nächsten rund 50 Jahre treffen, Bäume leben jedoch erheblich länger. Um viele zukünftige Klima-Eventualitäten abzudecken, scheint es also ratsam, eine große Artenvielfalt in den Wäldern heranzuziehen. Doch dieser Gedanke greift zu kurz: Es müssen die richtigen Arten in der richtigen Kombination sein, um eine hohe Stabilität des Ökosystems zu sichern. Welche das sein könnten, kreisen die Untersuchungen im Rahmen von NEWAL-NET näher ein. Obwohl es im Rahmen dieses Projektes vordergründig um die Folgen für den Wasserhaushalt und die Atmosphäre geht, müssen dabei doch eine Reihe weiterer Anforderungen berücksichtigt werden: Die Nachfrage nach erneuerbaren Rohstoffen und Energien, technische und auch gesellschaftliche Entwicklungen lassen die Ansprüche an die Bewirtschaftung von Wäldern ständig wachsen. Zugleich besteht die Notwendigkeit der Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung weiter - gerade in empfindlichen Ökosystemen. Ein möglicher Ausweg wird im "klimaplastischen Laubmischwald" gesehen, der für zukünftige Entwicklungen mehrere Entwicklungspfade - so genannte "Freiheitsgrade" - offen hält. Die Anpassung von Wäldern an veränderliche natürliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen durch Selbstorganisationsfähigkeit, Standortplastizität und funktionelle Diversität der Wälder wird im NEWAL-NET-Projekt ausführlich beschrieben. Dazu kommt die Abschätzung von Änderungen der Waldnutzung in ihren komplexen Wirkungen auf das System "Landschaft" unter veränderlichen Umwelt-, Standort- und Rahmenbedingungen.


Wald von morgen nur von bester Herkunft

Um eine größtmögliche Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Umweltbedingungen zu erreichen, ist die erstklassige Genetik des Saat- und Pflanzgutes außerordentlich wichtig. Darüber hinaus entscheidet die geeignete Herkunft auch über das Produktionspotenzial der Waldbäume. Wie die Authentizität von forstlichem Vermehrungsgut systematisch überprüft und damit die Qualität unserer Wälder der Zukunft gesichert werden kann - damit befasste sich das BMBF-Verbundprojekt Herkunftskontrolle. Aufgrund der prognostizierten Klimaänderungen wird ein erheblicher Anteil der in Deutschland auf etwa elf Millionen Hektar stockenden Bestände als nicht oder nicht mehr standortgerecht bzw. risikobehaftet eingestuft werden: Ein Waldumbau hin zu stabilen Mischwäldern ist notwendig und bringt einen Baumartenwechsel mit sich. Ungenügende Kontrolle würde die Verwendung nicht angepasster Herkünfte begünstigen und könnte langfristige Schäden der Waldentwicklung, Gewinneinbußen für die Forstbetriebe und hohe Folgekosten nach sich ziehen - ganz abgesehen von den entstehenden Umweltschäden. Die Wahl der geeigneten Herkunft ist somit auch aus ökologischen Gründen zwingend erforderlich.    Gundula Lasch


UFZ-Ansprechpartner:
Andreas Werntze, MSc.
Dept. Naturschutzforschung
Telefon: 0341/235-1816
e-mail: andreas.werntze@ufz.de
mehr Informationen: www.nachhaltige-waldwirtschaft.de


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Auf so genannten Kurzumtriebsplantagen wird untersucht, welche Chancen Anbau, Ernte und Biomasseverwertung schnell wachsender Baumarten wie Pappeln und Weiden auf landwirtschaftlichen Flächen haben. Dazu begleiten Wissenschaftler die Praktiker vom geeigneten Steckling bis zur Erntemaschine, von der Wahl des Standortes bis zur ökonomischen und ökologischen Bilanz.


*


Quelle:
UFZ-Spezial Dezember 2009: In Sachen Klimawandel, S. 20-21
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Permoserstraße 15, 04318 Leipzig
Tel.: 0341/235-1269, Fax: 0341/235-1468
E-mail: info@ufz.de
Internet: www.ufz.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 03. Januar 2010