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TRADITIONELL/004: Indien - Bauern punkten mit traditionellen Anbaumethoden (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. Februar 2013

Indien: Bauern punkten mit traditionellen Anbaumethoden

von Manipadma Jena



Koraput, Indien, 1. Februar (IPS) - In der letzten Erntesaison hat Sunadhar Ramaparia ausschließlich einheimische Feldfrüchte angepflanzt, darunter Para-Reis und Kolbenhirse. Der Monsunregen fiel dieses Mal besonders stark aus; 23 Tage lang regnete es im ostindischen Bundesstaat Odisha. Die den Niederschlag begleitende Hitze versengte schließlich selbst im Tiefland gelegene Felder. Nur Ramaparia konnte seine volle Ernte einfahren.

Die globale Erderwärmung sowie großflächige Entwaldung sind eine Bedrohung für die kleinbäuerliche Landwirtschaft in Ramaparias Heimatort Tentulipar in der Region Eastern Ghats in der Odisha-Provinz Koraput. Schwankender Niederschlag, Verschlechterung der Bodenqualität und sinkende Grundwasserspiegel machen die Landwirtschaft zu einem harten Geschäft und sorgen dafür, dass viele Bauern und ihre Familien Hunger leiden müssen.

Ramaparia und die anderen Dorfbewohner, die dem Volk der Bhumia angehören, helfen sich, indem sie auf 3.000 Jahre alte Anbaumethoden setzen. Die Bhumia nutzen lokale Pflanzen aus dem artenreichen Eastern-Ghats-Gebirge und können sich damit rund ums Jahr mit gesundem Essen versorgen. Die Landwirtschaft auf dem 900 Meter hohen Höhenzug hat sich an das bergige Terrain gewöhnt und sich an das wechselhafte Klima angepasst. Die Bauern pflanzen in höheren Lagen zähe Sorten an, im Mittelgebirge und den Tälern gedeihen auch Pflanzen, die mehr Wasser benötigen.

Die Bhumia könnten von der indischen Regierung subventionierten Hybridreis bekommen, mit dem Vorteil, dass dieser Mischreis pro Hektar eine Ernte von 3.700 bis 4.800 Kilogramm verspricht. Die traditionellen Sorten erreichen lediglich 2.400 bis 3.300 Kilogramm. Doch Ramaparia und seine 20-köpfige Familie wollen ihre alten Sorten nicht aufgeben.


Hybridreis ist teuer und geschmacklos

"Der Reis, den uns die Regierung verkaufen will, schmeckt nach gar nichts", erklärt Ramaparia. "Außerdem müssten wir ihn mit teurem chemischen Dünger und Pestiziden behandeln. Das macht aber die Menschen krank, die den Reis essen."

Bauernfeste erinnern nach jeder Ernte daran, einen Teil des Reises als Aussaat für die nächste Erntesaison zu sichern. "Jedes Jahr im April feiern wir das 'Bali Jatra' (zu Deutsch: Sand-Festival). Die Bauernfamilien sammeln dann fruchtbare Humuserde am Flussufer und säen darin die Reiskörner aus. Die daraus entstehenden Keime werden im Juni schließlich neu auf die Felder gesetzt", erzählt Chandrama Bhumia. Er selbst besitzt einen halben Hektar Land, musste aber noch nie hungern, sagt er.

Neun Tage nach dem Fest versammeln sich rund zehntausend Menschen beim 'Dasari', dem Medizinmann, der die jungen Triebe auf ihre Gesundheit überprüft. Einige verwirft er, andere bekommen sein Okay, um schließlich ausgesetzt zu werden.

"Ich habe ein Leben lang nur traditionelle Sorten gegessen, und das hat mich stark gemacht", sagt Ramaparia. "Jeder junge Mann darf mich zum Armdrücken herausfordern - ich wette, ich gewinne."

Die Bhumia sind nicht das einzige Volk, das mit dem Anbau traditioneller Sorten erfolgreich ist. Einer landesweiten Untersuchung von 2003 zufolge leben 69 Prozent der 1,2 Milliarden Inder in ländlichen Gebieten. Zehn Prozent der ländlichen Bevölkerung sind Indigene. Acht Prozent von ihnen sind Kleinbauern, die mehrheitlich nach traditionellen Praktiken anbauen.

Der Untersuchung zufolge nutzen 46 Prozent aller Bauern in Indien die Hybridpflanzen der Regierung, 47 Prozent pflanzen alte Sorten an.


Diversifizierung besser als Monokulturen

Doch auch andere Faktoren sind für gute Ernten verantwortlich. "Wenn bis zu sechs Feldfrüchte ausgebraucht werden, sorgt das für eine ausgewogenere Diät", sagt Saujanendra Swain, Wissenschaftler an der M. S. Swaminathan-Forschungsstiftung (MSSRF) in Jeypore. "Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit geringer, die gesamte Ernte zu verlieren, wenn man Feldfrüchte anbaut, die zu unterschiedlichen Zeiten geerntet werden können."

Im September beginnt die Ernte zunächst mit Fingerhirse. Im Januar wird am Ende der Erntesaison die Straucherbse eingeholt. Die Saat muss nicht besonders tief in Furchen in die Erde ausgesät werden. Als Dünger wird Kuhmist dazu gegeben. Häufig erledigen Frauen diese Arbeit.

Die Artenvielfalt des Eastern Ghats-Gebirges hat in den letzten Jahrzehnten unter der Industrialisierung gelitten. In einer Untersuchung aus dem Jahr 1950 hatte das Zentrale Reisforschungsinstitut 1.750 lokale Reissorten gezählt. Im Jahr 1990 waren es der M. S. Swaminathan-Forschungsstiftung zufolge nur noch 324 Sorten. "Jetzt sind es möglicherweise nur noch 100 Sorten", sagte Swain gegenüber IPS.

Die Bauern der Region hoffen, dass sich der Trend bald wieder ändert. Vor einem Jahr hat die UN-Landwirtschaftsorganisation FAO die Koraput-Region zum "Global wichtigen Landwirtschaftserbe" erklärt. Dieser Status ähnelt dem Weltnaturerbe der UNESCO. (Ende/IPS/jt/2013)


Links:

http://mospi.nic.in/Mospi_New/site/inner.aspx?status=3&menu_id=31
http://www.ipsnews.net/2013/02/traditional-farming-holds-all-the-aces/

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IPS-Tagesdienst vom 1. Februar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Februar 2013