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FORSCHUNG/396: Mit Hyperspektralsensoren gegen Borkenkäfer (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter Dezember 2015

Mit Hyperspektralsensoren gegen Borkenkäfer

von Verena Müller


Selbst ausgewachsen ist er kleiner als ein Reiskorn. Doch seine Spuren sind oft sogar aus großen Höhen oder gar dem Weltall sichtbar: Der Borkenkäfer, genauer der Fichtenborkenkäfer. Tritt er in großen Zahlen auf, so kann er ganze Waldstriche absterben lassen. So wie im Nationalpark Bayerischer Wald ab Ende der 1980er-Jahre. Damals breitete sich hier Ips typographus aus der Unterfamilie der Borkenkäfer massenhaft aus und fraß sich bis 2005 jährlich durch bis zu 800 Hektar Wald. Indem er Löcher in die Rinde bohrte, zwischen Borke und Holz seine Brutgänge fräste und darin seine Eier ablegte, zerstörte er die Nahrungskanäle hunderttausender Fichten.

Normalerweise ist die Zahl dieser gefräßigen Tiere in einem Wald klein. Dann sind sie durchaus wichtige Akteure im Ökosystem, denn sie töten geschwächte Bäume und setzen dadurch Nährstoffe frei. Totholz ist der beste Nährboden für neues Leben und eine hohe Artenvielfalt.

Doch unter bestimmten Umständen können sie sich zu einer echten Plage entwickeln und in bewirtschafteten Wäldern große finanzielle Verluste anrichten: Wenn ihnen die Ausbreitung auf benachbarte Bäume durch Fichtenwälder in Reinkultur leicht gemacht wird oder die Bäume vorgeschädigt sind, sei es durch anhaltende Trockenheit, Nährstoffmangel oder durch klimatische Veränderungen als Folge des Klimawandels.

Im Bayerischen Wald hatte man damals die Situation vollkommen unterschätzt und es kam zum Totalausbruch. Später fing die Nationalparkverwaltung an, den Wald sowohl vom Boden als auch aus dem Flugzeug flächendeckend zu beobachten. Man wollte rechtzeitig erkennen, wo der Käfer steckt und welche Faktoren es ihm besonders angenehm machen, sich weiter auszubreiten. "Rechtzeitig ist jedoch hier das entscheidende. Luftaufnahmen können nur zeigen, wo der Käfer schon am Werk ist und war. Doch dann ist es eigentlich schon zu spät", so Biologin Dr. Angela Lausch. Sie leitet am UFZ eine Arbeitsgruppe, die sich darauf spezialisiert hat, die Vitalität von Pflanzen und Bäumen zu erfassen und zu quantifizieren. Seit 2004 arbeitet die Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald mit ihr zusammen. Gemeinsam wollen sie eine Methode entwickeln, mit deren Hilfe sich vorhersagen lässt, in welchen Fichten sich die Käfer vermutlich als nächstes breit machen werden - noch bevor die Bäume befallen sind.

Mit bloßem Auge sind solche Prognosen kaum zuverlässig möglich. Dazu benötigt es entweder einen siebten Sinn oder die neuesten Techniken der Fernerkundung: hochauflösende Hyperspektralsensoren. Damit können die Wissenschaftler erfassen, wie Bäume die elektromagnetische Strahlung der Sonne reflektieren, absorbieren oder streuen. Leiden die Fichten unter Trockenheit, Nährstoffmangel oder Schädlingen, ändert sich das Reflexionsmuster der Fichten, da sich wichtige biochemisch-biophysikalische Faktoren in ihren Nadeln ändern - etwa der Anteil an Wasser, Cellulose und Photosynthese-Pigmenten. Gleichzeitig verlieren sie einen Teil ihrer Nadeln. Je gestresster sich ein Baum von ungünstigen Umweltbedingungen anhand der Muster zeigt, desto anfälliger ist er wiederum für eine Käferinvasion.

Genutzt wird diese Technik sowohl aus der Luft als auch im Labor. "Dank des UFZ-eigenen Hyperspektralsensors, den wir an eine zweitmotorige Piper installieren, können wir jederzeit entscheiden, wann die Bedingungen günstig sind, um über die Wälder zu fliegen und neue Messungen zu machen", so Lausch. "Aus den Beobachtungsdaten der Nationalparkverwaltung und unseren hyperspektralen Aufnahmen aus dem Bayerischen Wald entwickeln wir unsere Prognosemodelle, die wir, wenn alles nach Plan läuft, auch auf andere Wälder - vom Erzgebirge bis zum Schwarzwald - übertragen können."

Um die Aussagekraft dieser Modelle zu erhöhen, werden parallel im Labor die Reflexionsmuster von kleinen Fichten aufgenommen, die künstlich besonderem Mangel an Wasser oder Nährstoffen ausgesetzt werden. So können die Freilandmessungen exakter interpretiert und die Zuverlässigkeit der Modelle erhöht werden.

Aus Angst vor dem Borkenkäfer werden bisher oft ganze befallene Waldabschnitte kahlgeschlagen, selbst im Nationalpark. Um damit auch ganz sicher zu gehen, dem Käfer vollständig den Garaus zu machen. Gerade das solle mithilfe der Modelle verhindert werden. Sie dienen dazu, gezielt einzelne, besonders gefährdete Kandidaten zu fällen, um eine Epidemie zu verhindern. In bestimmten Bereichen des Nationalparks lässt man die Natur einfach Natur sein. Ein wirklich gesunder Wald erholt sich in den meisten Fällen allein.

UFZ-Ansprechpartnerin:
• Dr. Angela Lausch
Dept. Landschaftsökologie

e-mail: angela.lausch[at]ufz.de

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Quelle:
UFZ-Newsletter Dezember 2015, Seite 6
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Januar 2016

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