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INITIATIVE/425: Solarpark statt Wald? - 370 Hektar wertvoller Wald von Abholzung bedroht (naturmagazin)


naturmagazin
Berlin - Brandenburg
Ausgabe 2/2023

Solarpark statt Wald?
370 Hektar wertvoller Wald sind von Abholzung bedroht

von: Bürgerinitiative Pro Wald Hohensaaten


Die niedersächsische Lindhorst-Gruppe plant auf einem 680 Hektar großen Waldstück bei Hohensaaten an der Oder (Landkreis Märkisch-Oderland) einen 250 Hektar großen Solarpark sowie ein 120 Hektar großes Industrie- und Gewerbegebiet. Dafür sollen insgesamt 370 Hektar intakter Mischwald gerodet werden. Das entspricht einer Größe von 518 Fußballfeldern und ist fast doppelt so groß wie das Bebauungsgebiet der Tesla Gigafactory Grünheide. Aktuell dürfte dies deutschlandweit die größte Waldrodung für eine der größten Photovoltaik-Anlagen sein.

Weder minderwertig noch Monokultur

Der seit Jahrzehnten nur minimal bewirtschaftete Wald ist Lebensraum für seltene Tiere, wie die streng geschützten Vogelarten Seeadler, Schwarzstorch und Uhu, sowie etliche Fledermausarten, und hat in dieser besonders niederschlagsarmen Region eine wichtige Funktion für das regionale Klima. Der Investor stellt den Wald, da das Gelände ehemals militärisch genutzt wurde, als minderwertig, verseucht, belastet und gefährlich dar. Doch schon seit 1991 wird das Areal zivil genutzt - zur Jagd und für die Forstwirtschaft. Ein ehemaliges Tanklager wurde demontiert, belastete Bereiche saniert. Gesprengte Bunker und Gebäudereste sind inzwischen wertvolle Biotope; aus Sicht des zuständigen Umweltamts sind auch keine Altlasten mehr zu beräumen. Außerdem versucht der Investor, den Wald als Kiefern-Monokultur abzuwerten, doch laut eines ehemaligen Försters wurden dort schon vor Jahrzehnten über 30 weitere Baumarten erfasst. Unter den alten Kiefern, die auf 80 Prozent der Waldfläche stehen, hat sich ein diverser Laubbaumunterstand entwickelt. Bis zum Kauf durch Lindhorst gab es keine Rückegassen und keine Harvester, die den Waldboden verdichten. Trotz sandigem Boden und Dürrestress sind keine Waldschäden erkennbar. Die Alters- und Artendurchmischung dieses Waldes erfüllen die erwünschten Kriterien an einen klimastabilen Wald, wie er in der "Waldstrategie 2050" der Bundesregierung gefordert wird.

Klimaschutzstrategien nicht gegeneinander ausspielen

Der Investor rechnet mit einer Nutzungsdauer des Solarparks von ca. 30 Jahren, wofür ein entwickelter Wald mit über 100 Jahre alten Bäumen geopfert werden soll. Die Folge: ein großes Loch in der Landschaft mit enormen Auswirkungen auf die Tierbestände und das lokale Klima. Seeadler und Schwarzstörche brauchen große zusammenhängende ruhige Flächen als Lebensraum. Auch die gesetzlich festgeschriebenen Ausgleichsmaßnahmen und Wiederaufforstung sind keine Lösung. Dazu beklagt Björn Ellner, Vorsitzender des NABU Brandenburg: "Investoren und Behörden tun regelmäßig so, als könnte man viele Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte alte Wälder einfach anderswo neu anpflanzen. Aber Wälder lassen sich nun mal nicht einfach so ersetzen. Jede Rodung zerstört selbst bei gut gemachten Ausgleichsmaßnahmen sämtliche Waldfunktionen für Jahrzehnte. Deshalb fordern wir Umweltminister Vogel auf, jetzt ein Moratorium zu erlassen, das die irrsinnige Waldvernichtung zugunsten Einzelner stoppt."

Lindhorst rechtfertig das Vorhaben mit der Notwendigkeit der Energiewende. Doch Klimaschutzargumente sollten nicht für die Rodung eines großen Waldes missbraucht werden. Der Wald als "grüne Lunge" ist durch Kohlenstoffspeicherung und Verdunstung selbst Klimaschützer und gleichzeitig unersetzbarer Lebensraum. Selbst nach Beschlusslage der Brandenburger Landesregierung ist für die Erreichung der Klimaschutzziele des Landes u. a. Waldschutz und sogar zusätzliche Neubewaldung erforderlich. Auch der Weltklimarat IPCC fordert nicht nur den Ausbau erneuerbarer Energien, sondern mit gleicher Dringlichkeit den Schutz der Wälder. Diese beiden Klimaschutzstrategien gegeneinander auszuspielen, indem so eine große Waldfläche für erneuerbare Energien gerodet wird, wäre ein besorgniserregender Präzedenzfall.

Mittlerweile wirbt die Lindhorst-Gruppe dafür, im Gegenzug für eine Reduzierung der Solarfläche zusätzlich auch noch 13 Windräder in den Wald zu stellen. Dabei sollen acht neu entwickelte 300 Meter hohe "Höhenwindtürme" mit fünf herkömmlichen Windrädern gemischt werden. Welche Gefahr so eine Rotorbarriere für die Vögel bedeutet, ist nicht bekannt.

Im Laufe dieses Jahres - wahrscheinlich im Sommer - wird das Vorhaben der zuständigen Stadtverordnetenversammlung von Bad Freienwalde zur Abstimmung vorgelegt. Die Lokalpolitiker*innen entscheiden dann über eine Änderung des Flächennutzungsplans, das Energiekonzept für die Stadt und den vorhabenbezogenen Bebauungsplan.

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INFO

Pro Wald Hohensaaten

Im Mai 2022 hat sich die Bürgerinitiative Pro Wald Hohensaaten gegründet, die sich für den Erhalt des Waldes einsetzt, die Pläne des Investors Lindhorst kritisch hinterfragt und die Öffentlichkeit informiert. Solange es geeignete alternative Flächen für Solarparks, Industrie und Gewerbe gibt, muss kein Baum, geschweige denn ein ganzer Wald, gerodet werden! Das Land Brandenburg hat mit dem Solaratlas (https://kurzelinks.de/lx7h) ein Planungstool vorgelegt, um potenziell geeignete Standorte zu ermitteln.

Wir als Bürgerinitiative sind nicht gegen erneuerbare Energien, wirtschaftlichen Aufschwung oder Schaffung von Arbeitsplätzen. Wir setzen uns für eine lebenswerte Zukunft ein und für eine nachhaltige Entwicklung der Region, von der möglichst viele Menschen profitieren und nicht hauptsächlich eine Person: der Investor.

www.pro-wald-hohensaaten.de

Online-Petition:
www.change.org/gigantische-waldrodung-stoppen
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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

  • Der Wald grenzt an die Oder. Dort befindet sich das FFH-Gebiet "Trockenhänge Oderberge-Liepe". (Foto: Bürgerinitiative Pro Wald Hohensaaten)
  • Der störungsempfindliche Schwarzstorch brütet auf dem Gelände. (Foto: Herbert Weny)

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Quelle:
naturmagazin, 37. Jahrgang - Nr. 2, Juni bis August 2023, S. 40-41
Herausgeber:
Naturschutzzentrum Ökowerk Berlin
Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V., Landesverband Brandenburg
NaturSchutzFonds Brandenburg, Stiftung öffentlichen Rechts
Natur+Text GmbH
Anschrift der Redaktion:
Natur+Text GmbH
Friedensallee 21, 15834 Rangsdorf
Tel.: 033708/20431, Fax: 033708/20433
E-Mail: verlag@naturundtext.de
Internet: www.naturmagazin.info
 
Das naturmagazin erscheint vierteljährlich und kostet 4,30 Euro
oder 16,50 Euro im Abonnement (ermäßigt 12,50 Euro) für 4 Ausgaben.

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 19. Mai 2023

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