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MASSNAHMEN/240: Artenvielfalt durch Nutzung - Einzigartiges Flusstalmoor im Ostseeraum (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 4/16
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Artenvielfalt durch Nutzung
Einzigartiges Flusstalmoor im Ostseeraum

Von Nicole Flöper


Hoch und runter geht es teilweise in der hügeligen Landschaft bis ins Tal. Zwischen Bad Sülze und Carlewitz besitzt die NABU-Stiftung Nationales Naturerbe im 1.470 Hektar großen Naturschutzgebiet "Unteres Recknitztal" rund 336 Hektar. Zum Vergleich: Auf einen Hektar passen ungefähr 67 Einfamilienhäuser - ohne Grundstück. Das wären also knapp 5.000 Häuser, großzügig gerechnet. Nur soll auf den Flächen natürlich nicht gebaut werden, sondern die NABU-Stiftung will hier artenreiches Feuchtgrünland und ungenutzte Urwälder von morgen als Lebensraum unzähliger Tiere und Pflanzen entwickeln. Nicht ohne Grund wirbt ein Touristikverein mit der Marke "Vogelparkregion Recknitz".

Das über 5.000 Hektar große Landschaftsschutzgebiet in Mecklenburg-Vorpommern umfasst den gesamten Recknitzlauf einschließlich der Moorniederung und der Hanglagen. Kann die NABU-Stiftung weitere Flächen dazu kaufen, profitieren von einer ökologischen Bewirtschaftung dann Pirol, Blaukehlchen, Insekten wie Große Moosjungfer und Feuerfalter oder Pflanzen wie Wasserfeder und Trollblume. Doch soweit ist es noch nicht.

"Leider sind unsere Flächen im Gebiet wie ein 'Streuschuss' - also zu zerstreut", sagt Eckhard Wenzlaff, NABU-Stiftungsmitarbeiter und Förster von Beruf, "daher versuchen wir, weitere Flächen entlang der Recknitz zu kaufen, um zusammenhängende Gebiete zu schaffen." Wenzlaff betreut die Flächen in Mecklenburg-Vorpommern für die NABU-Stiftung. Das heißt, er beobachtet ihre Entwicklung, erarbeitet Pläne für ihre naturschutzfachliche Verbesserung und sorgt für deren Umsetzung im Dialog mit Anwohnern und Landnutzern.

Das über 5.000 Hektar große Landschaftsschutzgebiet in Mecklenburg-Vorpommern umfasst den gesamten Recknitzlauf einschließlich der Moorniederung und der Hanglagen.

Die sich auf weiter Strecke überwiegend naturnah windende Recknitz mit ihren vielen Altarmen ist die Lebensader des Schutzgebietes. Nördlich der Ortschaft Bad Sülze will die NABU-Stiftung neue Flächen zur Abrundung ihres Besitzes erwerben. Doch das kostet Geld, denn "wir müssen den üblichen Hektar-Marktpreis zahlen", so Wenzlaff.

Historische Nutzung

Zur Gewinnung neuer Landwirtschaftsflächen wurde das Durchströmungsmoor ab Mitte des 18. Jahrhunderts mithilfe von Gräben trockengelegt und als Grünland nutzbar gemacht. "Wer sich hier umschaut, der sieht riesige Agrarflächen. Das sind heute keine Bauern mehr in kleinbäuerlichen Strukturen, sondern Agrarmanager für eine gewinnmaximierte Bewirtschaftung", erklärt Wenzlaff. Wird die Nutzung nicht eingeschränkt oder ganz beendet, hat das Folgen für eines der wenigen weitgehend erhaltenen Niedermoore in Mecklenburg-Vorpommern mit zahlreichen Altarmen und offenen Torfstichen. Artenreiche Feuchtwiesen drohen durch aufwachsende Gehölze zu verbuschen. "Wenn sich hier jemand als ökologisch wirtschaftender Betrieb niederlassen würde, der die Feuchtwiesen mit hierauf angepassten Tierrassen beweidet - das wäre ein toller Erfolg. Allerdings muss eine Pachtfamilie auch davon leben können, und das geht nur, wenn wir mehr zusammenhänge Flächen erwerben können", so Wenzlaff.

Urwald von morgen

Nachdem 2009 die ersten Hektar durch eine private Schenkung an die Stiftung gingen, erwarb diese seit 2010 über 300 Hektar größtenteils von der bundeseigenen Treuhandnachfolgegesellschaft BVVG. Zu den Flächen gehören Feuchtwiesen und ungenutzte Flächen des Flusstalmoores sowie angrenzende bewaldete Talränder und das Tribohmer Bachtal mit seinen bewaldeten Hängen. "Leider haben wir es hier auch schon mit dem Eschentriebsterben zu tun. Aber ansonsten bietet der Wald hier noch prächtige Exemplare der Wildkirsche, Rotbuche, Hainbuche, Roterle und Stieleiche - ein schöner Laub-Mischwald, der sich in NABU-Obhut weiter zum Urwald entwickeln wird", so Wenzlaff. "Was ich als Förster hier sehe, ist, dass der Wald nie forstwirtschaftlich gepflegt wurde, sonst wäre die Qualität des Holzes besser. Aber der NABU-Stiftung geht es nicht um die wirtschaftliche Nutzung, sondern es soll ein Urwald von morgen entstehen." Und so ist der Wald bereits heute reich an Spechthöhlen und anderen Strukturen, die ihn für die Natur äußerst wertvoll machen.

Artenvielfalt erhalten

Auch für die Feuchtwiesen in NABU-Besitz muss eine Entscheidung getroffen werden, denn erfolgt keine Pflege, verbuschen die Wiesen, und Orchideen wie die Knabenkräuter haben keine Chance mehr. "Momentan sieht man hier offene Wiesen- und Hochstaudenfluren, Schilfröhrichte, die in Erlenbruchwald übergehen. Nehmen die Gehölze überhand, verdrängen sie die Hochstauden und Feuchtwiesen. Wird auf Wiesen zu häufig gemäht oder gedüngt, wachsen keine Blütenpflanzen wie Schafgarbe oder Schlangenknöterich, die aber für Insekten wichtig sind", erklärt Wenzlaff. "Wir kümmern uns daher darum, dass die NABU-Flächen künftig von einem Landwirt unter naturschutzfachlichen Vorgaben bewirtschaftet werden, um die Artenvielfalt in dem einzigartigen Gebiet zu erhalten." Wichtige Einschränkungen betreffen zum Beispiel die Mahdtermine oder das Verbot von Mineraldünger. Dadurch haben auf NABU-Land Wiesenbrüter wie Kiebitz, Wiesenpieper oder Bekassine wieder die Chance, erfolgreich Junge aufzuziehen - damit die Vogelparkregion auch zukünftig hält, was der Name verspricht.


Weitere Infos unter www.naturerbe.de

Info
Wir wollen rund 41,7 Hektar im Recknitztal kaufen und benötigen dafür noch 80.000 Euro.

Spendenkonto:
DE38 3702 0500 0008 0518 06
BIC BFSWDE33XXX
Stichwort "Recknitztal"


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Wiesen, Weiden, alte Bäume und Trollblumen - typische Merkmale des Recknitztals. Nördlich der Ortschaft Bad Sülze will die NABU-Stiftung neue Flächen zur Abrundung ihres Besitzes erwerben.

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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 4/16, Seite 24 - 25
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
Tel.: 030/284984-1530, Fax: 030/284984-2500
Hausanschrift: Charitéstraße 3, 10117 Berlin
E-Mail: naturschutz.heute@nabu.de
Internet: www.naturschutz-heute.de
Herausgeber: NABU, 10108 Berlin
Tel.: 030/284984-0, Fax: 030/284984-2000
E-Mail: nabu@nabu.de
Internet: www.NABU.de
 
"Naturschutz heute" ist das Mitgliedermagazin
des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) e.V.
und erscheint vierteljährlich. Für Mitglieder
ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Dezember 2016

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