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MASSNAHMEN/344: Die Lausitzer Bergbaulandschaft im Wandel (naturmagazin)


naturmagazin
Berlin - Brandenburg
Ausgabe 4/2022

Die Lausitzer Bergbaulandschaft im Wandel

von Christian Hildmann


Mit dem Ausstieg aus der Braunkohlegewinnung endet in der Lausitz eine lange Geschichte einer tiefgreifenden Umgestaltung der Landschaft.

Die Nutzung der Braunkohle begann mit dem Abbau des teils an der Oberfläche austretenden ersten Lausitzer Flözes bereits in der vorindustriellen Zeit, im Laufe der Zeit wurde der Abbau weiter intensiviert. Der untertägige Abbau wich den immer großflächigeren Tagebauen. Mit der Entwicklung der Förderbrücken - die erste wurde 1924 bei Plessa errichtet - konnte das Deckgebirge über die Abbaulinie hinüber transportiert und auf der Kippenseite wieder verstürzt werden. Zu DDR-Zeiten ermöglichte die Technologie in der Lausitz den Aufschluss von Großtagebauen und damit die Deckung des Energiebedarfs. Mit der politischen Wende brach der Absatz der Braunkohle abrupt ein, viele Tagebaue wurden stillgelegt. Die geotechnische Sicherung und Rekultivierung der ehemaligen Kippenflächen ist seitdem Aufgabe es von der LMBV (Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft) betriebenen Sanierungsbergbaus, dessen Abschluss noch nicht absehbar ist. Parallel dazu wird in derzeit noch vier aktiven Tagebauen weiter Braunkohle gefördert.

Sauer, lebensfeindlich und instabil

Insgesamt wurden knapp 900 Quadratkilometer vom Braunkohlebergbau direkt in Anspruch genommen und damit vollständig überprägt. Die nach dem Bergbau entstandenen Flächen werden deshalb als Bergbaufolgelandschaften (BFL) bezeichnet. Die an der Oberfläche geschütteten Sande sind zunächst völlig frei von Humus. Teilweise wurden auch tertiäre Substrate an die Oberfläche gebracht, die durch die Verwitterung der enthaltenen Eisensulfide (Pyrit, Markasit) extrem sauer und lebensfeindlich sind. Noch heute gibt es vegetationsfreie Schüttrippen aus dieser Zeit. Um die Flächen wieder nutzbar zu machen, wurden schon früh Verfahren zur Melioration der Flächen sowohl für die land- als auch die forstwirtschaftliche Rekultivierung entwickelt. Dabei wird nicht nur der pH-Wert der Flächen durch die Zugabe von Kalk oder früher Kraftwerksaschen reguliert, sondern wieder Humus im Oberboden aufgebaut - etwa über eine eigene landwirtschaftliche Rekultivierungsfruchtfolge. So konnten große Flächen bewaldet oder in die landwirtschaftliche Nutzung übernommen werden.

Zwei große Problemkreise erschweren jedoch die Wiedernutzbarmachung der Tagebauflächen: das Wasser und die geotechnische Stabilität der geschütteten Kippen. Für den Aufschluss und Betrieb der Tagebaue musste das Grundwasser abgesenkt werden - in der Summe deutlich über die Tagebaugrenzen hinweg. 1988 betrug der Absenkungstrichter rund 2.500 Quadratkilometer mit einer Absenkung von mehr als einem Meter - mit weitreichenden Folgen, etwa für Gewässer und Niedermoore, die zuvor vom Grundwasser gespeist wurden. Zugleich wurden so die im Untergrund lagernden Minerale belüftet, sodass die enthaltenen Eisensulfide verwitterten. Nach dem Rückgang der Sümpfung und der Flutung der durch das Massendefizit zwangsläufig entstandenen Restlöcher - die späteren Tagebauseen - stieg das Grundwasser wieder an und hat teilweise bereits seine Endwasserstände erreicht. Damit kamen jedoch auch das bei der Verwitterung entstandene Eisen und Sulfat über das Wasser an die Oberfläche mit weitreichenden Folgen für die Gewässerökosysteme. Die Kalkung vieler Tagebauseen dient der Einstellung des pH-Wertes und der Ausfällung des Eisens - durch die aus den Kippen nachströmende Säure eine Langzeitaufgabe.

Bei der Verschüttung des Abraums wurde in der Vergangenheit nicht immer eine ausreichende Verdichtung erreicht. Die Folgen sind Rutschungen, Setzungsfließen, Staffel- und Grundbrüche. Mit dem ansteigenden Grundwasser werden diese Bereiche destabilisiert - der Porenwasserdruck steigt an und kann sich bei einem "geotechnischen Ereignis" wie einem Grundbruch entladen. Zur Sicherung der Flächen wurden und werden deshalb weiterhin seitens der LMBV angepasste Verfahren eingesetzt, wie z. B. die Rütteldruckverdichtung oder die Sprengverdichtung. Nach den Rutschungen von Nachterstedt (2009) und bei Bergen (2010) wurden viele bereits zur Nutzung freigegebene Flächen und Wege gesperrt und werden erst schrittweise nach Neubewertung und Sanierung wieder freigegeben.

Nachbergbauliche Nutzung

Die Großflächigkeit, Ungestörtheit und besonderen Standortbedingungen (nährstoffarm, Gradienten von trocken bis nass) der BFL ermöglichen die Besiedlung mit teils stark spezialisierten und häufig auch seltenen Tier- und Pflanzenarten - darunter viele Arten der Roten Listen. Naturschutzstiftungen erwarben große Flächen, um diese neu entstandene Vielfalt längerfristig zu erhalten, meist verbunden mit der Idee des Prozessschutzes bzw. der Wildnis, die weitere Eigenentwicklungen zulässt.

Die entstandenen Kippenflächen sind, anders als oft angenommen wird, keine "weißen Flecken" auf der Landkarte. Mit den Braunkohleplänen wurden für die Sanierung die nachbergbaulichen Nutzungsarten verbindlich festgelegt: land- und forstwirtschaftliche Flächen, Flächen für den Naturschutz, Wasserflächen und sonstige Nutzungen. Auf dieser Grundlage wurde die Erholungsnutzung in die Bergbaufolgelandschaften integriert. Seitens der Tourismusbranche besteht vor allem großes Interesse an den Tagebauseen. Hierfür wurden mit den Überleitern in der großen Restlochkette, gelegen zwischen Brandenburg und Sachsen, Verbindungen geschaffen, über die perspektivisch kleine Boote von See zu See fahren können. Häfen und Anlegestellen entstanden ebenso wie die ersten schwimmenden Häuser mitsamt der landseitig erforderlichen Infrastruktur wie Zuwegungen. Weitergehende Planungen mit Zeltplätzen, Wochenendhäusern und Hotels bestehen und wurden zum Teil bereits realisiert. Eine herausfordernde Aufgabe bleibt es, dass mit den sich ähnelnden Angeboten der ursprüngliche, einmalige Charakter der BFL nicht verloren geht.

Die erneuerbaren Energien haben die Bergbaufolgelandschaften schon vor vielen Jahren für sich entdeckt. Es entstanden trotz des teils problematischen Untergrundes Windparks (z.B. Klettwitz) und große Photovoltaik-Freiflächenanlagen (z.B. Meuro). Aktuell besteht erhebliches Interesse von Planungsgesellschaften, weitere ausgedehnte PV-Anlagen in den BFL zu errichten - bis hin zu schwimmenden Anlagen auf den Tagebauseen, die so mit Tourismus und Naturschutz in Konflikt geraten.

Es bleibt dynamisch

In der Summe unterscheidet sich die nachbergbauliche Lausitz damit gravierend von ihrem vorbergbaulichen Zustand. Anstelle des ursprünglich feuchten Sumpflands (sorbisch Łužyca) mit vielen Niedermooren herrschen neben den Tagebauseen überwiegend trockene, grundwasserferne Standorte vor, die durch die geotechnisch geforderte Überdeckung von zwei bis drei Metern den Grundwasseranschluss auch für Tiefwurzler ausschließen. Zusammen mit den meist humusarmen, wenig Wasser speichernden Sanden wird die kühlende Wirkung durch die Verdunstung der Pflanzen damit begrenzt. Die nachbergbaulichen Grundwasserstände liegen durch das neue Relief teils unter den ursprünglichen, was besonders Gewässer und Feuchtgebiete betrifft. Die Herausforderung besteht darin, die trockenen Sonderstandorte in besser kühlende Vegetation wie Laubmischwälder einzubetten - und sich so an den in der Lausitz deutlich spürbaren Klimawandel anzupassen. Auch zukünftig werden die BFL damit einer dynamischen Entwicklung unterliegen.

Christian Hildmann
Leiter der Abteilung Landschaftsentwicklung, Naturschutz, Gewässerökologie und -sanierung im Forschungsinstitut Bergbaufolgelandschaften e. V.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

  • Das Nebeneinander von Eigenentwicklung und neu etablierten Nutzungen wie Forstwirtschaft und Windkraftnutzung eröffnet Chancen für die biologische Vielfalt. Foto: Christian Hildmann
  • Noch gänzlich unsanierte Bereiche sind im Sanierungsbergbau kaum mehr anzutreffen. Foto: Christian Hildmann
  • Gerade sich weitgehend selbst überlassene Bereiche wie dieser lichte Birkenwald prägen das Landschaftsbild und machen den Reiz der BFL aus. Foto: Christian Hildmann
  • Ehemalige Braunkohlengrube Agnes bei Plessa (Landkreis Elbe-Elster). Foto: Roland Lehmann
  • Seltene Arten wie der Raubwürger finden in ehemaligen Tagebauen ein Zuhause. Foto: Frank Leo/fokus natur
  • Die touristische Nutzung besonders der großen Seen ist sehr beliebt (Stadthafen Senftenberg). Foto: Wolfgang Ewert

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Quelle:
naturmagazin, 36. Jahrgang - Nr. 4, Dezember 2022 bis Februar 2023, S. 4-7
Herausgeber:
Naturschutzzentrum Ökowerk Berlin
Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V., Landesverband
Brandenburg
NaturSchutzFonds Brandenburg, Stiftung öffentlichen Rechts
Natur+Text GmbH
Anschrift der Redaktion:
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Internet: www.naturmagazin.info
 
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veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 18. Juli 2023

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