Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → LEBENSRÄUME


MOOR/057: Moore brauchen Wasser (BUND MAGAZIN)


BUND MAGAZIN - 2/2022
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

Moore schützen


Knabenkräuter im Cheiner Torfmoor bei Salzwedel. So wie hier am Grünen Band blüht es gerade auf vielen Moorwiesen, vom Alpenvorland bis nach Schleswig-Holstein. Auf vielen?
Nun ja, im kleinen Rest unserer einst ausgedehnten Moore eben, der erhalten blieb und der Zerstörung entging. Ein Trost: Selbst längst entwässerte Moorböden sind oft noch nicht ganz verloren, zumindest nicht für den Klimaschutz. Die Entwässerungsgräben zu schließen und einstige Moore wieder zu vernässen, zählt zu den wichtigsten Forderungen von Moor- und Klimafachleuten. Auch die natürliche Vielfalt würde profitieren. Mehr dazu auf den nächsten Seiten.


MOORSCHUTZ
Moore brauchen Wasser

Damit Deutschland seine Klimaziele erreicht, müssen wir die Entwässerung unserer Moorlandschaften stoppen. Eine große Aufgabe, die auch der Natur zugutekommen wird.

von Matthias Meißner und Christine Margraf

Moore sind Lebensräume voller Vielfalt. Enorm wichtig sind sie außerdem für den Wasserhaushalt. Und sie bergen riesige Mengen an organischem Material und damit Kohlenstoff. Obwohl sie nur drei Prozent der weltweiten Landfläche bedecken, liegt in ihnen ungefähr doppelt so viel Kohlenstoff wie in allen Wäldern unseres Planeten.

Eines haben alle Moore gemeinsam: Was in diesen Ökosystemen wächst, stirbt einmal ab und sinkt dann unter die Wasseroberfläche. Dort sind die Reste der Pflanzen (oft Moose) luftdicht abgeschlossen. Der Kohlenstoff, den sie im Laufe ihres Wachstums gespeichert haben, bleibt somit gebunden.

Wenn in einem Moor ein Bohrstock mit mächtigen Schlägen in den Untergrund gerammt wird, schwankt der Boden unter den Füßen. So vermittelt sich ganz direkt, was es heißt, auf einem riesigen wassergesättigten Körper aus Pflanzenteilen zu stehen. Pflanzen, die sich dort über viele Jahrtausende abgelagert haben.

FOLGEN DER ENTWÄSSERUNG

Moore werden passenderweise oft mit einem Schwamm verglichen. Entziehen wir ihnen das Wasser, bleibt einzig das orga-nische Material übrig und Luftsauerstoff füllt die Zwischenräume. Das Material zersetzt sich und wird zu Kohlendioxid.

Schon seit Jahrhunderten werden die Moore entwässert. Zum einen, um Torf als Brennstoff und für den Gartenbau zu gewinnen. Vor allem aber wurden und werden Moore in Deutschland bis heute für die Landwirtschaft trockengelegt. Gut sieben Prozent unserer Agrarfläche sind ehemalige Moore. Drainagerohre und Entwässerungsgräben sorgen dafür, dass die Moorböden trockengelegt werden. Dann erst können auch sie als Äcker und Intensivwiesen genutzt werden.

HOHER PREIS

So entstand gerade im Norden Deutschlands viel neues nutzbares Land. Der Preis dafür war hoch: Einzigartige Lebensräume verschwanden bis auf kleine Reste. Zugleich schuf man eine gewaltige Quelle für das klimaschädliche Kohlendioxid. Entwässerte Moorböden sind für gut ein Drittel aller von der Landwirtschaft verschuldeten Treibhausgase verantwortlich. Anders gerechnet: Fünf Prozent der deutschen Treibhausgase entweichen auf nur drei Promille der Landesfläche.

Dieses Problem ist schon seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten bekannt. Passiert ist jedoch wenig. Mit dem »Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz« hat die neue Bundesregierung Ende März erstmals eine ehrgeizige Agenda vorgelegt. Bis Ende der Legislaturperiode plant sie rund vier Milliarden Euro in den Naturschutz zu investieren. Sie sollen helfen die biologische Vielfalt zu bewahren und gleichzeitig zum Klimaschutz beitragen. Wohin genau das Geld fließen soll, wird bis Jahresende entschieden. Sicher ist, dass die Wiedervernässung der Moore eine zentrale Rolle spielen wird.

ANGEPASST WIRTSCHAFTEN

Dabei soll es nicht nur darum gehen, Entwässerungskanäle und die Drainage einfach stillzulegen und alles zu renaturieren. Schließlich werden v.a. die Niedermoore ja derzeit genutzt, von Menschen, die damit ihre Lebensgrundlage erwirtschaften. Entscheidend wird darum sein, auch die bald wieder nasseren Flächen natur- und klimaverträglich zu nutzen. Zum Beispiel mit nasser Beweidung, Gründlandnutzung oder dem Pflanzenanbau auf wassergesättigtem Boden in »Paludikulturen«.

Verglichen mit dem Ertrag eines Maisackers oder intensiv genutzten Grünlands ist die nasse Nutzung noch nicht konkurrenzfähig. Bei reiner Marktorientierung wird sie es wahrscheinlich auch nie. Daher müssen politische Instrumente helfen, eine Wertschöpfungskette für derartige Kulturen zu schaffen. Wer auf Moorböden wirtschaftet, benötigt einen Markt für die Verarbeitung und den Absatz von Weideprodukten und Grasschnitt, Rohrkolben, Seggen und anderem mehr.

Geforscht wird dazu schon länger. So untersucht das »Greifswald Moor Cent rum« seit Jahren, wie solche Pflanzen weiterverarbeitet werden können. Klar scheint: Betriebe, die auf nassen Böden wirtschaften, müssen dauerhaft mischfinanziert werden: mit dem Erlös ihrer Kulturen und staatlich gefördert mit EUAgrar-und Naturschutzgeldern.

Wichtig wird es dabei immer sein, dass die nasse Nutzung so erfolgt, dass auch die einst artenreichen Moorlebensräume wiederhergestellt werden.

GROSSER WANDEL

Noch nie war die politische Bereitschaft so hoch, zum Schutz der Moore nach Lösungen zu suchen und Geld bereitzustellen. Wir als BUND wollen das nutzen und einen bestmöglichen Schutz der biologischen Vielfalt erreichen, mit einem Optimum an Klimaschutz. Die gebotene großflächige Wiedervernässung darf nicht auf eine Maximierung der Nutzung zielen, sie muss Raum für die Renaturierung lassen.

Wie groß der Handlungsdruck ist, hat die Uni Greifswald berechnet. Für das 1,5-Grad-Ziel muss Deutschland bis 2050 ab sofort in jedem Jahr 50 000 Hektar trockengelegte Moore wiedervernässen, zusätzlich zum notwendigen Klimaschutz in Industrie, Verkehr, Bau etc.

Auch unserer Landwirtschaft steht damit ein großer Wandel bevor. Als BUND wollen wir ihn sozialverträglich und fair gestalten und zugleich mit Gewinn für die biologische Vielfalt.

MATTHIAS MEISSNER
leitet die Abteilung Biodiversität des BUND.

CHRISTINE MARGRAF
ist im BUND haupt- und ehrenamtlich für den Schutz bayerischer Moore aktiv.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

  • Seit mehr als 30 Jahren zeigt der BUND Niedersachsen in der Diepholzer Moorniederung, was man großräumig für den Schutz und für die Entwicklung von Mooren schaffen kann.
  • Die Mertinger Höll bei Donauwörth bildet das Zentrum eines ausgedehnten Niedermoors. Mehrfach musste das heutige Naturschutzgebiet gegen große Bauvorhaben verteidigt werden.
  • Der Rundblättrige Sonnentau fängt kleine Insekten und überlebt so auf nährstoffarmen Moorböden.
  • Seit Jahren renaturiert die bayerische BUNDjugend im Oberallgäu ein alpines Hochmoor. Auch in diesem Herbst steht wieder ein mehrtägiger Arbeitseinsatz für »Much & Moor« an.

*

Quelle:
BUND MAGAZIN 2/2022, Seite 14-17
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Kaiserin-Augusta-Allee 5, 10553 Berlin
Tel. 030/27586-457, Fax. 030/27586-440
E-Mail: redaktion@bund.net
Internet: www.bund.net/bundmagazin
 
Das BUNDmagazin ist die Mitgliederzeitschrift
des BUND und erscheint viermal im Jahr

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 13. August 2022

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang