Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → LEBENSRÄUME

SCHUTZGEBIET/619: Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 4/2009
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

Niedersächsisches Wattenmeer
Weltwunder Watt

Von Nadja Ziebarth


Der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer erstreckt sich entlang der Nordseeküste von der Ems- bis zur Elbmündung. Er schützt eine der letzten relativ ursprünglichen Naturlandschaften Mitteleuropas, mit Wattflächen und Prielen, den Salzwiesen zwischen Land und Meer, mit Stränden, Dünen und Sandbänken sowie Teilen der offenen Nordsee. Besonders hervorzuheben sind die Inseln - unbesiedelte Vogelparadiese wie Memmert und Mellum sowie die sieben bewohnten ostfriesischen Inseln.

Ds Wattenmeer ist geprägt von den Gezeiten. Im Takt von 12 Stunden und 25 Minuten kommt und geht das Meer. Die Schwankungen von Wasser, Temperatur, Salz und Licht haben einen einmalig üppigen Lebensraum geformt. Rund 10.000 Arten leben hier, von einzelligen Organismen über Pilze und Pflanzen bis zu Tieren wie Würmer und Muscheln, Fische, Vögel und Säugetiere. Jedes Jahr legen zehn bis zwölf Millionen Vögel eine Rast im Wattenmeer ein - auf der Durchreise von den Brutplätzen im Norden zu ihren Überwinterungsgebieten in Westeuropa und Afrika. Für den weiten Weg fressen sie sich Fettpolster an. Nur hier im Wattenmeer, einem der produktivsten Lebensräume der Erde, finden sie dafür genügend Nahrung. Der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer wurde am 1.1.1986 ausgewiesen. Er umfasst 240.000 Hektar und reicht von den Seedeichen bis zur seeseitigen Küste der vorgelagerten Inseln. Zusammen mit den Nationalparken Hamburgisches und SchleswigHolsteinisches Wattenmeer ist so fast das ganze deutsche Wattenmeer als Nationalpark geschützt. Ausgenommen sind allerdings die Schifffahrtsstraßen im Bereich der Flussmündungen.

Abgestuft geschützt

Der Nationalpark ist in drei Zonen mit unterschiedlicher Schutzintensität geteilt. In der Ruhezone (60,7% des Parks) hat der Schutz von Tieren und Pflanzen Vorrang. Hier dürfen die Wander-, Reit- und Radwege nicht verlassen werden. Besucher können die Natur beobachten und genießen, ohne sie zu stören. Die Zwischenzone (38,7%) dient vor allem dem Schutz des typischen Landschaftsbildes. Sie ist frei betretbar. Wie in der Ruhezone darf hier nichts entnommen werden, was in die Natur gehört. In den Salzwiesen der Zwischenzone brüten von Anfang April bis Ende Juli geschützte Vögel wie der Austernfischer. Währenddessen gilt ebenfalls ein Wegegebot. In der Erholungszone (0,6%) darf sich der Mensch frei entspannen. Hier sind z. B. keine motorisierten Geräte erlaubt. Was dem Nationalpark in Niedersachsens Wattenmeer jedoch fehlt, sind per Gesetz nutzungsfreie Flächen, auf denen sich die Natur ungestört entwickeln kann - im internationalen Vergleich ein Manko, auf das der BUND immer wieder hinweist.

Vielfach bedroht

Obwohl schon vieles erreicht wurde, bedrohen menschliche Nutzung und externe Einflüsse die Lebensräume, Tiere und Pflanzen im Nationalpark Wattenmeer. So widersprechen besonders die überall erlaubte Garnelenfischerei und die immer noch zu intensive Miesmuschelfischerei den Zielen des Nationalparks. Dazu kommt eine Reihe anderer Gefahren: Schad- und Nährstoffe, die kontinuierlich in den Park gelangen, der zu erwartende Anstieg des Meeresspiegels oder die vielen lokalen Eingriffe und Nutzungen. Hierzu gehören verschiedenste Baumaßnahmen, etwa für die Netzanbindung von Offshore-Windparks. Es ist bitter, dass die Kabel durch den Nationalpark gehen. Ob sie, wie vom BUND gefordert, zeitlich und räumlich gebündelt werden, wird sich noch zeigen. Weitere Großprojekte in direkter Nachbarschaft sind die erneute Vertiefung der Mündungen von Elbe, Weser und Ems, der Bau eines Tiefwasserhafens an der Jade, der Ausbau des Bremerhavener Containerhafens oder der Windpark »Nordergründe«.

Auch Tourismus und Freizeitsport haben ihre Nebenwirkungen. Zu einem Trend an der Küste ist das Kiten mit Surfbrett oder Buggywagen geworden. Kitesurfer werden bis zu 100 km/h schnell, wodurch sie Badende gefährden und großräumig die Vogelarten des Watts aufscheuchen - und das im Nationalpark! Dabei fing es ganz bescheiden an: Zur Kanalisierung des Modesports öffnete die Nationalparkverwaltung 2007 in der Zwischenzone bei Schillig und Hooksiel (Friesland) Flächen für Kitesurfer. Inzwischen ist der Sport für viele Kommunen zum Tourismusmagneten geworden, immer mehr Ausnahmen werden erteilt. Hier muss das Land Niedersachsen dem Schutzstatus des Nationalparks dringend wieder gerechter werden! Auch anderswo im Nationalpark wird auf Geschwindigkeit gesetzt. So fahren Schnellfähren nach Helgoland und von Emden nach Borkum. Ihr Tempo birgt große Gefahren für die Umwelt, den Menschen und das Meeresökosystem: Die Folgen sind Kollisionen mit Meeressäugern, panisch flüchtende Seevögel, mehr Lärm und übermäßiger CO2-Ausstoß. Der BUND empfiehlt, aus Rücksicht auf die Umwelt traditionelle Fähren zu unterstützen. Die Zeit auf See ist Teil der Reise, »reisen statt rasen« ist das Motto, ein gemächliches Tempo erlaubt die Natur zu erleben und Tiere zu beobachten.

Als Weltnaturerbe geadelt

Am 26. Juni erlangte das Wattenmeer internationalen Ruhm: als neues Weltnaturerbe der Unesco. Der Nationalpark »Niedersächsisches Wattenmeer« liegt in seinem Zentrum. Die Ernennung hat der BUND von Anfang an unterstützt. Mit ihr werden die jahrzehntelangen Bestrebungen für den Schutz des in weiten Teilen noch ursprünglichen Wattenmeers international honoriert - und für die Zukunft hoffentlich gestärkt. Wichtig muss dabei ein klares Bekenntnis für einen naturverträglichen, nachhaltigen Tourismus sein. Der neue Titel bedeutet zwar keinen höheren Schutzstatus für das Wattenmeer. Doch künftig ist mit mehr Aufmerksamkeit zu rechnen, wo immer Naturschutzstandards verschlechtert oder ignoriert werden.

Der BUND Niedersachsen betreibt NationalparkHäuser auf Baltrum, Juist, Norderney und Spiekeroog sowie auf dem Festland in Dorumersiel und DorumNeufeld. Zudem ist der BUND Mitglied des Vereins »Wattenmeerhaus« in Wilhelmshaven. Alle Häuser bieten Ausstellungen, Exkursionen, Workshops, Räume für Klassenfahrten und vieles mehr. Allerdings ist das Land Niedersachsen dabei, die Förderung der Häuser trotz steigender Besucherzahlen drastisch zu kürzen - obwohl es den »Naturschutz mit den Menschen« so gern beschwört. Ein Rückschlag für das Weltnaturerbe!

Nadja Ziebarth
...leitet das BUND-Projektbüro Meeresschutz in Bremen, Tel. 04 21/7 90 02-32, nadja.ziebarth@bund.net


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:


Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer Niedersachsen.
Wattwanderung für Senioren, veranstaltet vom BUND-Nationalparkhaus in Dorum-Neufeld.
Überfischung und mögliche Schiffshavarien bedrohen den Nationalpark.
Über 20 000 Seehunde bevölkern den Lebensraum Wattenmeer. Eine Charakterpflanze des Nationalparks ist der Queller, hier herbstlich rot gefärbt. Zu den typischsten Vögeln der Nordseeküste zählt der Rotschenkel, der in den Salzwiesen brütet.

*


Quelle:
BUNDmagazin 4/2009, S. 28-29
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
Tel. 030/27586-457, Fax. 030/27586-440
Email: redaktion@bund.net
Internet: www.bund.net

Das BUNDmagazin ist die Mitgliederzeitschrift
des BUND und erscheint viermal im Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Januar 2010