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SCHUTZGEBIET/873: Bedrohter Schatz am Silbersee (BUND MAGAZIN)


BUND MAGAZIN - 2/2019
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

Europäisches Schutzgebiet
Der Schatz am Silbersee

von Severin Zillich


Mitten in ein überregional wertvolles Schutzgebiet am Rhein erlaubt die Gemeinde Bobenheim-Roxheim ein Hotel zu bauen. Ihr Bebauungsplan ist genehmigt, nur eine Klage des BUND kann das Großprojekt noch verhindern.


Vor drei Jahren erschien ein Band über die »100 besten Vogelbeobachtungsplätze in Deutschland«. Er würdigt Silbersee und Roxheimer Altrhein als »eines der größten und interessantesten Beobachtungsgebiete in Rheinland-Pfalz«. Tatsächlich ist der See mit den benachbarten Altwassern und Kiesseen das landesweit wichtigste Rastgebiet für durchziehende und überwinternde Wasservögel - und auch für etliche Brutvögel von herausragender Bedeutung. Ob all dies für das mehrfach geschützte Refugium in der Metropolregion Rhein-Neckar auch in drei Jahren noch gilt?

Wintergäste und Exoten

Mitte März, am alten Rhein bei Roxheim: Nur wenige Meter sind wir gelaufen, da fliegt am Ufer ein Eisvogel auf. In die Rufe von Grün- und Grauspechten, das Pfeifen der Stare und das Flöten der Singdrosseln mischen sich plötzlich exotische Töne: Zwei schlanke grasgrüne Halsbandsittiche landen in einer Weide - die ursprünglich rein städtischen Vögel dehnen seit einiger Zeit ihren Aktionsradius aus. Wie hier überhaupt viel fremdartiges Geflügel unterwegs ist: Ein Paar Nilgänse führt bereits sechs Junge. Und auf einer Sandbank ruhen neben Kanadagänsen auch vier Schwanengänse.

Später bekommen wir einen Eindruck der zahlreichen Wasservögel, die Winter für Winter am Silbersee rasten. Etliche Hundert Blässhühner schwimmen hier noch, dazu ein halbes Dutzend Entenarten, Zwerg- und Haubentaucher, Gänsesäger, Möwen ... In den kahlen Pappeln am Ufer bessern Kormorane und Graureiher wohl bald ihre Nester vom Vorjahr aus. Nur das Kieswerk am Westufer und die nahe gelegene Autobahn sorgen dafür, dass es nicht zu idyllisch wird.

Gefährdetes Refugium

Doch idyllisch genug, um hier Millionen in eine Hotelanlage zu investieren. Doris Stubenrauch, die Vorsitzende der BUND-Kreisgruppe Rhein-Pfalz, deutet zur Halbinsel Scharrau. Um ein leerstehendes Herrenhaus gruppieren sich verfallene Hofgebäude und einige Bäume. Hier soll ein Tagungs- und Wellnesshotel mit 120 Zimmern und allem Pipapo entstehen. Zwei ansässige Sportvereine will man dafür nordwärts verlegen, an einen bisher kaum gestörten Uferstreifen. Gleichzeitig plant die Gemeinde den Kiosk am Südstrand des Silbersees auszubauen und einen Parkplatz zu erweitern. Mit der relativen Ruhe wäre es damit vorbei.

Vor allem gegen das Hotel wehren sich der BUND und alle lokalen Umweltvereine. Denn es läge im Zentrum eines Verbundes von Schutzflächen: inmitten eines europäischen Vogelschutzgebietes und umschlossen von einem FFH- sowie mehreren Naturschutzgebieten. Was heute der Natur noch als Rückzugsraum in der dicht besiedelten Rheinaue dient, geräte flächendeckend und ganzjährig unter Druck. Schon heute drängen an warmen Tagen viele Erholungssuchende ins Gelände. Doch nach Sonnenuntergang und im Winterhalbjahr kehrte am Silbersee bisher Ruhe ein.

Erheblich gefährdet

Wie nun ist es möglich, dass ein Gemeinderat derart folgenreich in ein landesweit bedeutsames, von der EU anerkanntes Schutzgebiet eingreifen kann? Ein Gebiet, für das ein »Verschlechterungsverbot« gilt, mitsamt der Maßgabe, es im Sinne seiner Schutzziele zu entwickeln? Nun - die Gemeinde beruft sich auf ein Gutachten. Demnach sei von dem Hotel keine erhebliche Beeinträchtigung zu erwarten. Doris Stubenrauch schüttelt den Kopf: »Hier wird ein Naturjuwel dem Kommerz geopfert. Das Hotel würde eine tiefe Kerbe hauen bis ins Zentrum des Vogelschutzgebietes und es damit dauerhaft entwerten.«

Um den aus ihrer Sicht rechtswidrigen Bebauungsplan zu kippen, hat der BUND Rheinland-Pfalz eine Anwaltskanzlei eingeschaltet und (unterstützt vom NABU) Klage erhoben. Eigene Untersuchungen ergaben nämlich: Der geplante Betrieb des Hotels würde sich sehr wohl »erheblich« negativ auswirken, vor allem auf die ruhebedürftigen Rastvögel im Winter. Und somit verstieße der Plan klar gegen das europäische Naturschutzrecht.

Leidtragende des neuen Hotels wären auch die Anwohner. Ihr bislang beschauliches Naherholungsgebiet dürfte zur Kulisse verkommen für diverse Outdoor-Aktivitäten der Hotelgäste. Und die im Bebauungsplan geschätzte Verkehrsbelastung auf der einzigen (schmalen) Zufahrt ist augenscheinlich viel zu niedrig angesetzt. Doris Stubenrauchs Fazit: »Die Gemeinde hat hier öffentliche Belange den Interessen eines Investors geopfert.«

Bis Ende Mai hat die Gegenseite nun Zeit, die detaillierten Einwände zu entkräften. Und das dürfte ihr schwerfallen. Der BUND ist vorläufig optimistisch, die wertvolle Natur rund um den Silbersee dauerhaft retten zu können.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Knoblauchkröte, Kammmolch und die wiederangesiedelte Europäische Sumpfschildkröte gehören zu den bedrohten Arten rings um den Silbersee.

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Quelle:
BUND MAGAZIN 2/2019, Seite 34 - 35
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Kaiserin-Augusta-Allee 5, 10553 Berlin
Tel. 030/27586-457, Fax. 030/27586-440
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Internet: www.bund.net/bundmagazin
 
Das BUNDmagazin ist die Mitgliederzeitschrift
des BUND und erscheint viermal im Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juli 2019

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