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LAIRE/044: Klimawandel zu messen bedeutet nicht, ihn zu verhindern (SB)


Rekordtemperaturen in arktischen Gewässern gemessen


Die Meldungen über Klimarekorde reißen nicht ab. Da der bislang außergewöhnlich warme Winter 2006/2007 ein statistisches Einzelereignis ist, würde zwar kein seriöser Wissenschaftler behaupten, daß dies ein Beweis für den Klimawandel sei, aber es würde vermutlich auch niemand leugnen, daß im Falle eines Klimawandels künftig mit solch warmen Wintern zu rechnen sein werde. Es sei denn - und auch das wird von Klimaexperten prognostiziert - der Golfstrom versiegte. Das bescherte West- und Nordeuropa Temperaturen wie in Kanada, so eine weit verbreitete Einschätzung.

Was vor einigen Jahren noch als Schreckensvision kolportiert und daraufhin in dem Kino-Reißer "The Day After Tomorrow" mit einer binnen Stunden hereinbrechenden Eiszeit veranschaulicht werden sollte - "Europas Zentralheizung" fällt aus - erscheint angesichts der vor kurzem noch sehr warmen Temperaturen in Kanada und Alaska gar nicht mehr so dramatisch. Was allerdings keineswegs zur Beruhigung Anlaß geben sollte, denn es könnte ein Hinweis darauf sein, wie wenig selbst Experten davon verstehen, was erdklimatisch geschieht. Als dementsprechend begrenzt müßten selbstverständlich auch die Vorschläge für Maßnahmen zur Bewahrung des Klimas in einem für Menschen erträglichen Rahmen angesehen werden.

Jüngste Meßreihen der Temperaturen im Nordatlantik zeigen jedenfalls so hohe Werte, daß eine Eiszeit in Europa zunächst einmal wenig wahrscheinlich erscheint. So haben Mitarbeiter des norwegischen Instituts für Meeresforschung Anfang Januar in den arktischen Gewässern am auslaufenden Ende des Golfstroms Temperaturen von rund 6,7 Grad Celsius gemessen. Seit Beginn der Messungen in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts war das Meer um diese Jahreszeit noch nie so warm gewesen.

Auch wenn der Golfstrom tatsächlich in den letzten Jahren deutlich schwächer geworden ist, wie Wissenschaftler herausgefunden haben, so muß das anscheinend nicht zwangsläufig bedeuten, was unter anderem das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung in Computersimulationen dargestellt hat, nämlich daß die allgemeine Erderwärmung Westeuropa eisigkalte Temperaturen bescheren wird.

Im Nordatlantik fühlen sich mittlerweile tropische Meeresbewohner wie der Schwertfisch oder eine aus dem Schwarzen Meer stammende Quallenart wohl, berichtete Reuters am Freitag (19.1.2007). Laut den norwegischen Meeresforschern wurden seit 1967 vor der Küste Norwegens 18 Schwertfische gesichtet, davon allein vier im vergangenen Jahr.

In anderen Meeresgebieten gibt es ebenfalls Verschiebungen der Fauna und auch Flora als Folge der höheren Temperaturen. Beispielhaft zu nennen sind die Beringstraße, die Nordsee, das Mittelmeer und der Indische Ozean. Auch der Ostpazifik vor der Küste Südamerika ist wärmer als in "normalen" Jahren, was in diesem Fall allerdings von Wissenschaftlern auf den sogenannten El-Niño-Effekt zurückgeführt wird, der alle paar Jahre auftritt und dadurch gekennzeichnet ist, daß eine warme Strömung, die quer über den Pazifik wandert, einen Aufstieg des kalten, nährstoff- und fischreichen ostpazifischen Tiefenwassers verhindert.

Obgleich Klimaforschern die leistungsstärksten Computer der Welt zur Verfügung stehen und darauf Szenarien mit unterschiedlichen Ausgangswerten oder Einflüssen durchgerechnet werden, sind den Wissenschaftlern von vornherein meßmethodische Grenzen gesetzt. Mit "Temperatur" wird das Ausdehnungsverhalten eines flüssigen Materials (Quecksilber, Alkohol) vor dem Hintergrund einer selbstgewählten Skala bezeichnet. Darüber lassen sich selbstverständlich ungeheure Datenmengen generieren, die gegeneinander abgeglichen werden und dadurch Tendenzen erkennbar werden lassen. Tendenzen, die nicht mehr und nicht weniger als das Ausdehnungsverhalten von Flüssigkeiten beschreiben, jedoch keine Aussage über die Kräfte erlauben, die längst zur Wirkung gelangt sind, bevor ein Mensch sein Thermometer ins Meer getaucht hat.

22. Januar 2007