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LAIRE/051: Bittere Schokolade - Das Biospritmärchen von Timbuktu (SB)


Werbetour für Biodiesel

Neokolonialistische Safari von Großbritannien nach Timbuktu


Zwei britische Abenteurer sind am vergangenen Freitag mit einem Geländewagen von Großbritannien aus zur legendären Stadt Timbuktu in Mali aufgebrochen. Für die rund 7200 Kilometer lange Strecke, die in drei Wochen zurückgelegt werden soll, nehmen sie 2000 Liter Biodiesel mit, der auf der Grundlage von vier Tonnen Schokolade hergestellt wurde.

Die beiden safari-erfahrenen Andy Pag und John Gimshaw leben in dem Glauben, daß der von ihnen verwendete Biodiesel tatsächlich "gut" ist, da er umweltverträglich hergestellt wurde, und daß ihre Expedition ganz im Zeichen des Klimaschutzes steht.

Was für ein haarsträubender Unfug. Offenbar glauben die beiden Geländewagenfahrer, daß in Großbritannien die Schokolade vom Himmel fällt (ähnlich wie der elektrische Strom aus der Steckdose kommt und man nicht mehr darüber zu wissen braucht). Die beiden arbeiten mit der Firma Ecotec zusammen, die Biodiesel produziert und für ihren Treibstoff Schokoladenreste verwendet hat, die ansonsten auf dem Müll gelandet wären.

"Wenn wir es mit unserem Biodiesel bis dorthin schaffen, dann gibt es keinen Grund, warum die Leute damit nicht zur Schule oder zur Arbeit fahren können", behaupten die beiden, und man möchte ihnen zu ihrem Gunsten pure Naivität zugutehalten. Wieviel Schokolade sollen die Briten in sich hineinstopfen, damit eine genügend große Menge Abfall entsteht, um daraus Biodiesel herzustellen, so daß "die Leute" zur Arbeit oder zur Schule fahren können?

Mit anderen Worten, von ihrem Einzelbeispiel kann nicht ein gesamtgesellschaftliches Energiekonzept abgeleitet werden, es ist genauso wenig verallgemeinerbar wie andere Projekte, bei denen beispielsweise altes Bratfett, Olivenkerne und ähnliche Reste der Weiterverwertung zugeführt werden.

Ein keineswegs weniger schwerwiegender Irrtum dieses Konzept besteht in der Annahme, daß es sich bei der Schokolade um ein umweltfreundliches "Nebenprodukt" handelt. Hierbei hat man es mit einer extrem bizarren Logik zu tun. Denn Schokolade wird aus Kakaobohnen hergestellt, und die werden in Ghana, Elfenbeinküste und anderen westafrikanischen Ländern zumeist unter sklavereiähnlichen Verhältnissen in Monokultur angebaut. Diejenigen, die die eigentliche Arbeit verrichten und die Bohnen pflücken, haben davon am allerwenigsten. Am anderen Ende der Ausbeutungskette dagegen häufen die westlichen Kapitaleigner in den Konzernzentralen als Äquivalent zum Leid der Arbeitssklaven gewaltigen Reichtum an. Wenn jetzt die beiden Abenteurer Schokoladenreste verheizen, dann befinden sie sich mit ihrem Projekt am Ausfluß einer aus der Sicht der afrikanischen Bauern kaum zu zerschlagenen Raubkette.

Pag und Gimshaw haben eigenen Angaben zufolge (biotruck.co.uk) Timbuktu als Ziel gewählt weil die Stadt von der Wüste bedroht wird. Timbuktu sei die vorderste Front des Klimawandels, berichten sie. Timbuktu ist jedoch mehr als das: Die Stadt steht für die einstige zivilisatorische Blüte Afrikas, für die erfolgreichen Bemühungen westlicher Abenteurer, in die legendäre Stadt einzudringen, und für die Eroberung durch französische Kolonialherren und sie steht für die fortgesetzte Not der Einwohner, angesichts der vielarmigen Umklammerung durch die Globalisierung nicht vollends den Boden ihrer kulturellen Identität zu verlieren.

Die braune Soße, die in dem Geländewagen der beiden Briten verbraten wird, stinkt gewaltig, nicht nur sprichwörtlich, sondern auch im übertragenen Sinn. Ohne die beschriebenen ausbeuterischen Verhältnisse gäbe es keinen Schokoladenabfall, und diesem einen Nutzen zuzusprechen, bedeutet, die Existenz der Raubkette rechtfertigen zu wollen.

Die ganze Safari erweckt den Anschein, als hätten die beiden Abenteurer zunächst die Idee gehabt, zusammen eine heiße Tour nach Timbuktu zu machen, und sich erst später ein grünes Mäntelchen umgehängt, weil ihnen das in der heutigen ökoideologisch durchdrungenen Zeit opportun erschien.

26. November 2007