Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → MEINUNGEN

LAIRE/097: US-Entscheid - Shell darf in der Beaufortsee nach Öl bohren (SB)


Ölförderung in der Arktis

US-Präsident Obama tritt in die Fußstapfen seines Amtsvorgängers Bush


Das Erdölzeitalter neigt sich dem Ende zu, da müssen zum Schluß die letzten Reserven aus dem Keller geholt werden. Der wichtigste Schmierstoff der industriellen Produktion gewinnt an Wert, so daß selbst die unwirtlichsten und unzugänglichsten Regionen der Erde, von der Tiefsee vor Brasilien bis zu den polaren Zonen, erschlossen werden.

Die Antarktis bleibt zur Zeit noch von entsprechenden Explorationsversuchen verschont, nicht jedoch die Arktis, die, jüngsten Meldungen zufolge, binnen zehn Jahren sommers eisfrei sein könnte. Am Montag hat der dem US-amerikanischen Innenministerium unterstellte Minerals Management Service dem britisch-niederländischen Erdölkonzern Shell die Genehmigung erteilt, in der Beaufortsee vor der Nordküste Alaskas nach Öl zu bohren. Die Genehmigung wird zunächst auf die Monate Juli bis Oktober beschränkt, und Shell hat bereits zugesichert, von Ende August an seine Operationen auf dem Bohrschiff auszusetzen, weil dann die traditionelle Jagdsaison der Inuit beginnt. Das soll Kritiker besänftigen.

Umweltschützer waren schon gegen die Bush-Administration vor Gericht gezogen, nachdem diese der Ölförderung in der Arktis ihren Segen erteilt hat, sie werden es vermutlich erneut tun. Im vergangenen Jahr hatte ein US-Gericht die Erlaubnis zur Ölförderung in der Beaufortsee gekipppt, da bei der Erteilung der Genehmigung der Einfluß der Aktivitäten auf die Buckelwale und die Inuit, die von der Jagd leben, nicht genügend berücksichtigt wurde.

Daß es sich bei dem Gerichtsurteil um keine endgültige Absage handelte, beweist die aktuelle Freigabe der Ölförderung. Die Behörde und Shell haben ein paar Kritikpunkte vermeintlich entkräftet und knüpfen nun an das viel kritisierte Vorgehen des "Erdölpräsidenten" George W. Bush an. In vielerlei Hinsicht erweist sich Barack Obama als dessen "würdiger" Nachfolger. Das haben die USA zuletzt bei den Klimaverhandlungen in Bangkok bewiesen, als sie den Klimaschutz auf völlig neue Füße stellen wollten, während demgegenüber andere Staaten um ein Nachfolgeprogramm auf der Basis des 2012 auslaufenden Kyoto-Abkommens rangen.

Zweimal im Jahr ziehen die Buckelwale durch die Beaufortsee. Nach Angaben des National Marine Fisheries Service gilt dies für bis zu 9.000 Exemplare bei einem globalen Bestand zwischen 30.000 und 50.000 Buckelwalen. Nun könnte man den Standpunkt vertreten, daß die Ruhestörung der Meeressäuger durch die Förderaktivitäten des Ölkonzerns doch wohl ein geringer Preis sei, damit der Mensch an das wertvolle Öl herankommt. Mit diesem Argument, ausgesprochen oder unausgeprochen, versuchen Fortschrittsapologeten sich sozusagen seit Beginn des Erdölzeitalters gesellschaftlich durchzusetzen. Sie tun dies mit großem Erfolg. Teerklumpen und Abfälle aus Erdölderivaten in den Weltmeeren sind ein vertrauter Anblick. Sie stehen hier symbolisch für die Summe jener zahllosen "kleinen Preise", die für den erdölgetriebenen Fortschritt entrichtet wurden.

Es geht bei den Einwänden gegen die Ölförderung vor der Nordküste Alaskas nicht allein um den Verlust an Buckelwalen und Eisbären oder um Einschränkungen der Lebensweise der Inuit, sondern prinzipiell um die ungetrübte Fortsetzung einer gegenüber der Mehrheit der Menschen extrem destruktiven Lebensweise der militärisch und wirtschaftlich führenden Gesellschaften.

Die Entscheidung der US-Regierung kann als Signal gedeutet werden, daß sie sich bei der wirtschaftlichen Verwertung der arktischen Lagerstätten auch in Zukunft keine Hemmungen auferlegen läßt. Darüber hinaus sind alle umfänglicheren Aktivitäten in der Arktis vor dem Hintergrund zu sehen, daß die territoriale Frage der Nutzung dieser Region zwischen den Anrainern noch nicht geklärt ist und sich die Besitzansprüche teilweise überschneiden. Hier durch wirtschaftliche Aktivitäten Flagge zu zeigen hat somit auch einen geostrategischen Hintergrund.

20. Oktober 2009