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LAIRE/120: Cape Wind - Klage gegen ersten Offshore-Windpark der USA (SB)


Green New Deal

USA bauen riesigen Windpark im Nantucket-Sund


In den USA erhält der erste von der Regierung genehmigte Offshore-Windpark kräftigen Gegenwind; mehrere Klagen werden gegen die Anlage angestrengt. Am 28. April hatte Innenminister Ken Salazar dem "Cape Wind"-Projekt in Massachusetts grünes Licht erteilt. [1] Auf der Untiefe Horsehoe Shoal im Nantucket-Sund, zwischen Cap Cod und den Inseln Nantucket und Martha's Vineyard gelegen, sollen ab Ende dieses Jahres 130 Windräder der Firma Siemens auf einer Fläche von 65 Quadratkilometern errichtet werden. Die Maximalleistung des mindestens eine Milliarde Dollar teuren Windparks wird mit 468 MW angegeben. Bei der veranschlagten Durchschnittsleistung von 182 MW könnten mehr als 200.000 Häuser der Region mit elektrischem Strom versorgt werden. Das entspricht etwa 75 Prozent des Durchschnittsverbrauchs der Einwohner von Cape Cod, Martha's Vineyard und Nantucket Island.

Wie sich auch beim ersten deutschen Offshore-Windpark Alpha Ventus, der vor kurzem vor Borkum eröffnet wurde, gezeigt hat, sind solche Großprojekte selbst unter Umweltschützern und Befürwortern von erneuerbaren Energien nicht unumstritten. Ökonomen wiederum rechnen vor, daß die im Offshore-Bereich erzeugte Windenergie kostspielig ist und die Verbraucher teuer zu stehen kommt. Grundsätzlich problematisch sind solche ökonomischen Gegenüberstellungen allerdings dann, wenn die Energieproduktionsarten mit zweierlei Maß bewertet werden. Beispielsweise müßten in einer genaueren, gesamtgesellschaftlichen Bilanz auch die auf die Allgemeinheit abgewälzten, externen Kosten, die durch die Verbrennung von Kohle und Öl zur Stromgewinnung anfallen, für Gesundheits- und Klimaschutz als Folge von beispielsweise Luftverschmutzung und Erderwärmung berücksichtigt werden.

Mögen die technischen Probleme eines so weit vom Festland entfernten Windparks wie Alpha Ventus auch größer sein als die des teils wenige Kilometer vor der Küste, von Inseln und einer Landzunge vor hohem Wellengang geschützten Cape Wind-Projekts, so fällt vor allem eine Parallele auf: Es ist kostspielig, den elektrischen Strom zu sammeln, auf die passende Spannung zu bringen und ins bestehende Netz einzuspeisen. Was sich für den Laien einfach anhört, macht einen beträchtlichen Teil der Baukosten von Offshore-Windparks aus. Für Cape Wind müssen mehr als hundert Kilometer Stromleitungen am Meeresboden verlegt, eine Service-Plattform errichtet und zwei 115-Kilovolt-Leitungen zum Festland verlegt werden, um einen Anschluß an das vorhandene Stromnetz herzustellen.

Vor kurzem berichtete das "Handelsblatt" unter Berufung auf Professor Georg Erdmann, Experte für Energiesysteme an der TU Berlin, daß die Netzanbindung von Alpha Ventus die Stromkunden "Milliarden" kosten werde, das habe man unterschätzt. [2] Der Strom von Cape Wind wird, so weit sich das vor Baubeginn überhaupt abschätzen läßt, dreimal so teuer wie herkömmlich gewonnener Strom (ohne die auf die Allgemeinheit abgewälzten Kosten). Der Stromnetzbetreiber ISO New England (Independent System Operator) kündigte kürzlich an, daß er wegen Windparkprojekten wie Cape Wind das elektrische Stromnetz der Region für zehn Milliarden Dollar upgraden müsse. In dieser Summe dürfte allerdings auch eine längst überfällige Verbesserung des Stromnetzes stecken. Dennoch trifft es zu, daß die Stromnetzbetreiber nicht ohne Anpassungsmaßnahmen der Netzstruktur die in Windparks erzeugte Elektrizität aufnehmen können.

Die Kritiker des ersten Offshore-Windparks in den USA, die nach Salazars Freigabe ankündigten, Klage einreichen zu wollen [3], setzen sich aus sehr verschiedenen Interessengruppen zusammen: Meist recht wohlhabende Einwohner von Cape Cod und Martha's Vineyard - hier hat unter anderem die Kennedy-Familie ihren Stammsitz -, die sich an dem Anblick der riesigen Windräder vor ihrer malerischen Küste stören; Native Americans vom Wampanoag-Stamm, die ihre Rechte verletzt sehen; örtliche Fischer, die Umwege fahren müssen und ihre Fischgründe verlieren; Tier- und Umweltschützer, die um das Wohl von Vögeln und Meeresbewohnern besorgt sind; sowie Bürger, die nicht wollen, daß ein öffentliches Territorium an Privatunternehmen abgetreten wird. Geklagt werden soll gegen den U.S. Fish and Wildlife Service und den Minerals Management Service wegen mutmaßlicher Verletzung des Gesetzes zum Schutz bedrohter Tierarten sowie rund einem halben Dutzend weiterer Gesetze.

Die Klage wird von der Alliance to Protect Nantucket Sound, zu der sich verschiedene, aber nicht alle Gegner des seit fast zehn Jahren währenden Rechtsstreits um das Cape Wind-Projekt zusammengeschlossen haben, der Three Bays Preservation, dem Animal Welfare Institute, der Industrial Wind Action Group, Californians for Renewable Energy, der Lower Laguna Madre Foundation und der Oceans Public Trust Initiative, vorgebracht. Darüber hinaus wird die Alliance to Protect Nantucket Sound mit der Duke's County/Martha's Vineyard Fishermen Association Klage wegen mutmaßlicher Verletzung des Outer Continental Shelf Lands Acts einreichen. Auch die Stadt Barnstable erwägt eine ähnlich lautende Klage.

Der Nantucket-Sund wurde auf die Liste des Nationalen Registers für historische Stätten aufgenommen, was einen besseren Schutz vor einer industriellen Erschließung, wie durch den Bau eines Windparks, bilden soll. Auch damit werden die Klagen begründet. Der Advisory Council on Historic Preservation fordert vom Innenminister, das Windpark-Projekt zu streichen oder auf einen Standort 15 Kilometer weiter nach Süden, noch südlich der Tuckernuck-Insel, zu verlegen. Das fände die Zustimmung der Kritiker, wird behauptet. Doch sicherlich nicht aller. Denn gerade beim dortigen Standort würden hohe Anschlußkosten des Windparks, der zudem etwas kleiner dimensioniert sein würde, anfallen.

Das Cape Wind-Projekt wird von Tier- und Umweltschützern sehr unterschiedlich aufgenommen. Dr. Michael Fry, Leiter der Conservation Advocacy für die Vogelschutzorganisation American Bird Conservancy, kritisiert, daß die Gefahr von Vogelkollisionen wissenschaftlich nicht ausreichend erforscht wurde und daß einige Vogelarten verdrängt werden und ihre Brutplätze verlieren. [4] Wohingegen die zivilgesellschaftlichen Organisationen Clean Power Now und Civil Society Institute voll des Lobes sind. Die Genehmigung von Cape Wind sei eine echte Demonstration dafür, was bewirkt werden könne, "wenn besorgte Bürger durch effektive Graswurzelorganisationen mobilisiert werden", erklärten die Organisationen. [4]

Wenn man bedenkt, wie der elektrische Strom für jene rund 200.000 Haushalte, die durch Cape Wind mit Windenergie versorgt werden könnten, bislang produziert wird, gewinnt der Offshore-Windpark deutlich an Attraktivität. Denn in der Cape-Region erzeugt das Canal Power-Kraftwerk 45 Prozent des verbrauchten elektrischen Stroms durch die Verbrennung von Bunker-Öl und Erdgas. 700.000 Tonnen Kohlendioxidemissionen jährlich werden laut Salazar durch den Windpark eingespart. Das entspricht dem Verbrauch von 428 Millionen Litern Treibstoff oder würde rein rechnerisch 175.000 Autos pro Jahr von der Straße holen.

Die US-Regierung will in diesem Bereich der Ostküste eine Million Megawatt Windenergie-Leistung installieren und damit der Branche einen kräftigen Schub verleihen. Siemens hat die Einrichtung eines eigenen Offshore-Windenergiebüros in Boston, Massachusetts, angekündigt. Bei Cape Wind handelt es sich um ein typisches Projekt des Green New Deal: Anstatt alle Anstrengungen auf eine konsequente Abkehr von der bisherigen Produktionsweise zu richten, was selbstverständlich nur über eine fundamentale Veränderung des Verhältnisses zwischen gesellschaftlichem und privatem Eigentum zu erreichen wäre, werden Konsumismus und Wachstumsideologie weitgehend beibehalten. Nur verglichen damit, daß ansonsten unter Schadstoffausstoß Kohle, Öl oder Gas verbrannt werden, um die industrialisierte Gesellschaft am Laufen zu halten, erscheinen milliardenschwere Projekte wie Cape Wind umweltfreundlich. Sie sind jedoch kein Bestandteil eines gesellschaftlichen Gegenentwurfs zu den vorherrschenden Produktionsverhältnissen, sondern eine notwendige Anpassung des Verwertungs- und Verteilungssystems an die selbstausgelösten Krisen Erderwärmung und Ressourcenmangel.


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Anmerkungen:

[1] "Cape Wind Approved by Federal Government as America´s First Offshore Wind Farm", Presseerklärung Cape Wind, 29. April 2010
http://www.capewind.org/news1099.htm

[2] "Ignorierte Lasten: Windparks kosten Stromkunden Milliarden", Handelsblatt, 2. Mai 2010
http://www.handelsblatt.com/technologie/energie_technik/ignorierte-lasten-windparks-kosten-stromkunden-milliarden;2571787

[3] "Lawsuits Take Aim at America's First Offshore Wind Farm", Environment News Service, 2. Mai 2010
http://www.ens-newswire.com/ens/may2010/2010-05-02-091.html

[4] "Light Turns Green for America's First Offshore Wind Farm" Environment News Service, 28. April 2010
http://www.ens-newswire.com/ens/apr2010/2010-04-28-01.html

5. Mai 2010