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STANDPUNKT/062: E10 - eine Geschichte der Tricks und Täuschungen (NaturFreunde)


NaturFreunde Deutschlands - 7. März 2011

E10: eine Geschichte der Tricks und Täuschungen

Die CO2-Reduktion des Autoverkehrs muss auch ohne Beimischung erreicht werden


Berlin, 7. März 2011 - Anlässlich der Diskussion um die Einführung des sogenannten "Biosprits" E10 weist Michael Müller, Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands und ehemaliger Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium, auf die Entstehungsgeschichte des nun zehnprozentigen Bioethanol-Anteils im Superbenzin hin. "Die erhöhte Beimischung von Bioethanol zielt nicht auf mehr Klimaschutz", so Müller: "Das ganze E10-Desaster hat viel mit der Weigerung der Automobilindustrie zu tun, sich für einen wirksamen Klimaschutz zu engagieren."

Die Strategie, den Bioethanol-Anteil des herkömmlichen Superbenzins E5 auf zehn Prozent (E10) zu erhöhen, stammt aus dem Jahr 2005. Die Motivation dafür wurde damals öffentlich nicht groß debattiert und die Einführung als ökologisch sinnvoll dargestellt. Doch tatsächlich diente das neue E10 nur einem Ziel: Der deutschen Automobilindustrie, die einen besonders hohen Anteil an Sprit schluckenden Fahrzeugen baut, sollte geholfen werden, da es ihr nicht gelang, den Kraftstoffverbrauch ihrer Fahrzeugpalette nennenswert zu reduzieren. Denn bisher wurde ein durch effizientere Motoren verringerter Kohlendioxid-Ausstoß in der Regel durch PS-stärkere und schwerere Fahrzeuge wieder kompensiert.

Als erstmals Pläne der EU-Kommission bekannt wurden, den Kohlendioxid-Ausstoß des Autoverkehrs mittels einer Verordnung deutlich zu reduzieren, reagierte die deutsche Automobilindustrie wie üblich ablehnend. Statt der geplanten Verordnung schlug sie eine Selbstverpflichtung vor. Und weil die deutschen Autohersteller auch den europäischen Automobilherstellerverband prägen, wurde daraus eine europäische Strategie. Damit, so glaubten VW, Daimler, BMW & Co, würden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: die EU-Pläne gestoppt und die ausländische Konkurrenz in Schach gehalten - die übrigens sehr viel besser da stand, weil sie einen höheren Anteil an Kleinwagen und Dieselfahrzeugen stellt.

Doch die Automobilindustrie ließ ihren Ankündigungen keine Taten folgen. Und spätestens im Jahr 2005 war klar, dass die deutsche Automobilindustrie die selbst versprochene CO2-Reduktion nicht würde einhalten können. Eine erneute EU-Verordnung mit verbindlichen Grenzwerten drohte.

Darauf kam Plan B ins Spiel. Mit Hilfe von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem damaligen Bundeswirtschaftsministers Michael Glos (CSU) wurde die Verordnung abgeschwächt. Zugleich wurde mit einer "ökologischen" Argumentation ("Biokraftstoff") die Beimischungsstrategie begonnen. Das Umweltministerium wollte zudem mit einer Nachhaltigkeitsverordnung die Angebotsseite ökologisch regeln, der Ansatz blieb aber unzureichend.

Die erhöhte Beimischung von Bioethanol zielte nicht auf mehr Klimaschutz. Denn dann hätte die Strategie einen Weg für die Erhöhung des Anteils von spritarmen und kleineren Motoren benennen müssen. Doch das widerspricht der Philosophie deutscher Autoproduzenten, deren Flagschiffe die großen Spritfresser sind. Die erhöhte Beimischung von Bioethanol kann den CO2-Ausstoß um einige Prozentpunkte senken, wenn das in der EU-Verordnung akzeptiert wird. E10 bringt da mehr als das alte E5. So also entstand eine Strategie, die gerade das vermeidet, was für den Klimaschutz notwendig ist. Alles soll im Grundsatz so bleiben, wie es ist.

Wenn die Automobilindustrie jetzt der Politik die Schuld für die bisher mangelnde Akzeptanz von E10 geben will, dann spielt der Täter Feuerwehr. Tatsächlich erreichen die Benzinmotoren noch immer erst einen Wirkungsgrad, bei dem weniger als 20 Prozent der eingesetzten Energie genutzt werden.

Dass Bundesumweltminister Norbert Röttgen heute das Superbenzin E10 als umweltpolitisch sinnvoll bezeichnet, belegt bestenfalls seine Unkenntnis. Und wahrscheinlich ist es auch kein Zufall, dass nicht er, sondern Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle zu einem "Benzingipfel" einlädt.

Herr Röttgen sollte jetzt auf Klarheit drängen: Die CO2-Senkung des Autoverkehrs muss auch ohne Beimischung erreicht werden. Schließlich ist Tricksen keine Umweltpolitik.


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Quelle:
Presseinformation vom 07.03.2011
Herausgeber: NaturFreunde Deutschlands
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. März 2011