Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter Oktober 2015
Standpunkt: Beste verfügbare Technik in der gesamten Landwirtschaft?
Von Stefan Möckel
Industrieanlagen einschließlich großer Tierhaltungsanlagen müssen in der Europäischen Union seit 1996 die beste verfügbare Technik (BVT) hinsichtlich der Vermeidung von Umweltverschmutzungen einhalten.(1) Der BVT-Standard verlangt, dass die Techniken und Betriebsmethoden eingesetzt werden, die am wirksamsten zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt sind. Hierbei sind die Techniken und Methoden maßgebend, welche dem fortschrittlichsten und effizientesten Entwicklungsstand entsprechen, praktisch geeignet und wirtschaftlich vertretbar sind. BVT orientiert sich daher eng am wissenschaftlichen und technischen Fortschritt. Diese anspruchsvolle und dynamische Anforderung gilt allerdings nicht für die landwirtschaftliche Bodennutzung im Ackerbau, bei der Grünlandbewirtschaftung und beim Anbau von Sonderkulturen. Hier ist lediglich die "Gute fachliche Praxis" (GfP) einzuhalten, die auf bewährte Techniken und allgemein anerkannte Bewirtschaftungsweisen abstellt.
In Anbetracht der Emissionen und vielfältigen Umweltwirkungen der landwirtschaftlichen Bodennutzungen in der EU erscheint es an der Zeit, das BVT-Konzept zum Standard in der gesamten Landwirtschaft im 21. Jahrhundert zu machen. Eine Übertragung des BVT-Konzepts auf die landwirtschaftliche Bodennutzung würde Techniken und Bewirtschaftungsweisen rechtlichen Vorrang geben, die am effizientesten und fortschrittlichsten Emissionen vermeiden und die Umwelt schützen. Welche Techniken und Bewirtschaftungsmethoden diese Anforderungen erfüllen könnten, soll an vier Beispielen erörtert werden:
Konservierende Bodenbearbeitung im Ackerbau
Hierbei wird der Boden nicht wie beim Pflügen gewendet, sondern nur
oberflächig mit z.B. Gruber oder Egge bearbeitet oder direkt eingesät.
Dies hat die ökologischen Vorteile, dass die gewachsenen
Bodenstrukturen mit ihren Bioporen und Kapillareffekten sowie die
Bodenbiozönosen kaum beeinträchtigt werden und das Erosionsrisiko
wesentlich geringer ist. Allerdings geht diese Technik im
konventionellen Landbau mit einem erhöhten Einsatz von Herbiziden
einher, weshalb sie hier nur eingeschränkt die BVT-Anforderungen
erfüllt.
Integrierter Pflanzenschutz
Seit 2014 müssen alle Landwirte in der EU die Grundsätze des
integrierten Pflanzenschutzes einhalten. Sie dürfen chemische
Pflanzenschutzmittel nur nachrangig gegenüber z.B. mechanischen oder
biologischen Maßnahmen und nur bei Erreichen bestimmter Schadschwellen
einsetzen. Pestizide mit geringeren Risiken für Mensch und Umwelt sind
vorrangig zu verwenden. Konsequent angewendet, kann integrierter
Pflanzenschutz gegenüber der bisherigen Pestizidpraxis zu einer
beachtlichen Reduktion der Emissionen in die Umwelt führen, weshalb
das Bundeslandwirtschaftsministerium diesen vor 2014 als Leitbild für
einen umweltschonenderen Pflanzenschutz bezeichnete. Seine nunmehrige
Verbindlichkeit lässt sich als ein erstes Beispiel für die Umsetzung
des BVT-Konzepts bei der Landbewirtschaftung ansehen.
Präzisionslandwirtschaft
Mit den Möglichkeiten computer-, satelliten- und sensorgestützter
Techniken eröffnen sich für Landwirte neue
Bewirtschaftungsmöglichkeiten. Etliche Möglichkeiten sind derzeit aber
noch im Entwicklungsstadium oder ökonomisch unrentabel. Des Weiteren
lassen sich die Techniken sowohl für eine umweltschonendere
Landwirtschaft als auch für weitere Intensivierungen nutzen, so dass
sie ohne regulatorische Vorgaben nicht den Kriterien des BVT-Konzepts
genügen würden.
Ökologischer Landbau
Dieser ist keine bestimmte Technik, sondern eine eigenständige
Bewirtschaftungsweise mit zum Teil eigenen Verarbeitungs- und
Vertriebswegen sowie besonderen rechtlichen Anforderungen. In der
Regel richten die nach diesem Konzept wirtschaftenden Landwirte ihren
ganzen Betrieb danach aus. Die Bewirtschaftungsweise ist weltweit
erprobt und ökonomisch tragfähig. Nach den europarechtlichen Vorgaben
kennzeichnet den Ökolandbau in der EU vor allem der Anbau in
Fruchtfolgen, der Verzicht auf leicht lösliche mineralische
Düngemittel und synthetische Pestizide sowie die Begrenzung des
Tierbesatzes. Vielfältige Untersuchungen haben weltweit die geringeren
negativen Umweltauswirkungen des Ökolandbaus bestätigt, weshalb er im
Bereich der landwirtschaftlichen Bodenbewirtschaftung als die beste
verfügbare Technik anzusehen ist.
Dr. jur. Stefan Möckel ist Wissenschaftler im Department
Umwelt- und Planungsrecht am UFZ und arbeitet überwiegend zum
Naturschutz-, Bodenschutz- und Gewässerrecht sowie dem Agrarrecht.
Anmerkung
(1) Aktuell aufgrund der Richtlinie über Industrieemissionen
2010/75/EU.
Mehr zum Thema BVT in der Landwirtschaft in: Möckel (2015), 'Best
available techniques' as a mandatory basic standard for more
sustainable agricultural land use in Europe?, Land Use Policy 47 (9),
342-351 (doi:10.1016/j.landusepol.2015.04.021)
e-mail: stefan.moeckel[at]ufz.de
*
Quelle:
UFZ-Newsletter Oktober 2015, Seite 10
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. November 2015
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