Deutsche Umwelthilfe e.V.
Pressemitteilung - Mittwoch, 23.08.2023
Deutsche Umwelthilfe zum neuen Projektionsbericht der Bundesregierung: Verkehr nach wie vor auf etwa 3-Grad- Erderhitzungskurs
• Neue DUH-Studie zeigt keine nennenswerten Fortschritte bei CO2-Reduktion im Verkehr: Sektor überzieht 1,5-Grad-kompatibles Restbudget bis 2030 weiterhin mindestens um das 3,5-fache, kein anderer Sektor kann diese riesige CO2-Lücke kompensieren
• Wenn alle Sektoren und Länder ihre Emissionsreduktionen im selben Maß verschleppen wie der deutsche Verkehrssektor, erhitzt sich die Erde um fast 3 Grad
• DUH kritisiert die geplante Abschaffung der Sektorziele im Klimaschutzgesetz scharf und fordert den Bundestag dazu auf, die Novelle abzulehnen
Berlin, 23.8.2023: Nach zwei Jahren Ampel-Regierung ist der
Verkehrssektor weiterhin auf einem desaströsen Kurs zu fast
3-Grad-Erderhitzung. Das zeigt eine Auswertung des gestern
veröffentlichten neuen Projektionsberichts der Bundesregierung, die
das NewClimate Institute im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH)
erstellt hat. Wenn alle Sektoren und Staaten ihre Emissionsreduktionen
im selben Maße verschleppen wie der deutsche Verkehrssektor, erhitzt
sich die Erde demnach um 2,8 Grad. Allein bis 2030 wird der Verkehr in
Deutschland auf Basis der neuen Projektionen mindestens 3,5-mal so
viel CO2 ausstoßen, wie mit der überlebenswichtigen 1,5-Grad-Grenze
noch vereinbar ist. Der neue Projektionsbericht belegt, dass die
Ampel-Koalition nahezu nichts für den Klimaschutz im Verkehr geleistet
hat: Im Vergleich zum letzten Projektionsbericht von 2021 hat sich die
Treibhausgas-Prognose für den Verkehr bis 2030 nur um etwa 6,5 Prozent
verbessert - und selbst diese geringfügige CO2-Reduktion ist laut
Aussage des Klima-Expertenrats mit großer Wahrscheinlichkeit zu
optimistisch.
Durch die geplante Aufhebung der Sektorziele im Klimaschutzgesetz schwinden jegliche Chancen auf wirksame Klimamaßnahmen im Verkehr in der Zukunft. Die DUH fordert die Mitglieder des Bundestags deswegen dazu auf, die Novelle des Klimaschutzgesetzes abzulehnen.
Jürgen Resch, DUH-Bundesgeschäftsführer: "Verkehrsminister Volker Wissing und die gesamte Ampel-Regierung hatten nun zwei Jahre Zeit, um wirksame Klimaschutzmaßnahmen für den Verkehr auf den Weg zu bringen. Passiert ist nahezu nichts. Der Verkehrsminister steuert uns weiterhin Richtung 3-Grad-Klimahölle und pulverisiert Deutschlands Versprechen, das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten. Statt mit aller Kraft die Mobilitäts- und Antriebswende voranzutreiben, forciert er mit seinem Autobahn- und Verbrenner-Fanatismus aktiv die Klimazerstörung. Die geplante Aufweichung des Klimaschutzgesetzes durch Abschaffung der Sektorziele wäre ein Freibrief für diese Klimablockadepolitik. Wir fordern alle Mitglieder des Bundestags auf, sich dem entgegenzustellen."
Die Analyse des NewClimate Institute zeigt, dass das Totalversagen des Verkehrsministers nicht von anderen Sektoren kompensiert werden kann. Selbst der Energiesektor, der in Deutschland von allen Sektoren die Emissionen bisher am stärksten reduziert hat, ist nicht annähernd auf 1,5-Grad-Kurs und hat keinerlei Treibhausgas-Budget an den Verkehr abzugeben. Dass künftig andere Sektoren die gewaltige Klimaschutzlücke im Verkehr ausgleichen, ist daher vollkommen unrealistisch.
Niklas Höhne, Studienautor vom NewClimate Institute: "Während sich die Extremwetterereignisse jagen, dokumentiert der aktuelle Projektionsbericht einmal mehr den radikalen Stillstand beim Klimaschutz im Verkehr. Es scheint, als habe die Ampel das Erreichen des eigenen Klimaschutzzieles im Verkehr aufgegeben. Damit ist aber das Gesamtklimaschutzziel für 2030 nicht mehr einhaltbar, geschweige denn die 1,5-Grad-Grenze. Dass andere Sektoren mangelnden Klimaschutz im Verkehr wettmachen können, ist völlig ausgeschlossen. Es muss jetzt innerhalb kürzester Zeit ein radikaler Umbau des Verkehrssystems erfolgen. Noch haben wir die Möglichkeit, den Wandel aktiv zu gestalten und sozial abzufedern - je mehr wir die Klimakatastrophe eskalieren lassen, desto mehr schrumpfen unsere Handlungsspielräume."
Im April 2023 hat die DUH eine Analyse des NewClimate Institute veröffentlicht, wonach der Verkehrssektor in Deutschland sich auf Kurs zu 3,1-Grad-Erderhitzung befindet. Grundlage für die Analyse war der Projektionsbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2021. Nun wurde die Berechnung auf Basis des am 22. August 2023 veröffentlichten neuen Projektionsberichts aktualisiert. Demnach hat sich der Kurs im Verkehrssektor nur sehr geringfügig auf 2,8 Grad verbessert. Mit großer Wahrscheinlichkeit steht der Verkehr tatsächlich noch schlechter da, weil der Projektionsbericht optimistische Annahmen trifft und die CO2-Wirkung verschiedener Maßnahmen überschätzt, wie der Klima-Expertenrat der Bundesregierung gestern monierte.
Eine Erderhitzung um 3 Grad wäre nach Aussage renommierter
Klimawissenschaftlerinnen und -wissenschaftler eine planetare
Katastrophe und existenzielle Bedrohung für die menschliche
Zivilisation. Es drohen globale Hungersnöte, tödliche Hitzewellen,
immer zerstörerische Extremwetterereignisse wie anhaltende Dürren und
lebensgefährliche Stürme, kollabierende Ökosysteme und verheerendes
Artensterben.
Aktuelle Studie des NewClimate Institute
NewClimate Studie Temperaturpfad Verkehr Deutschland (2023) 418 KB
https://www.duh.de/fileadmin/user_upload/download/202308_NewClimate_TemperaturpfadVerkehrDeutschland_UpdateAug2023.pdf
Pressemitteilung zur Studie vom April 2023 und Maßnahmen-Katalog für
den Verkehrssektor:
https://www.duh.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/neue-studie-der-deutschen-umwelthilfe-zeigt-verkehrsminister-wissing-ist-auf-3-grad-erderhitzungs-k/
Einschätzung des Klimawissenschaftlers Prof. Stefan Rahmstorf zu den
Konsequenzen von 3-Grad-Erderhitzung:
https://www.oekom.de/beitrag/eine-erde-wie-wir-sie-nicht-kennen-wollen-351
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Quelle:
Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH)
Pressemitteilung, 23.08.2023
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin
Tel.: 030/25 89 86-0, Fax.: 030/25 89 86-19
Internet: www.duh.de
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 25. August 2023
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