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ATOM/309: Endlager - Aborigines verkaufen sich unter Preis (SB)


Australiens Regierung findet Endlagerstandort

Möglicherweise zukunftsweisender Schritt für den Aufbau einer eigenen nuklearen Infrastruktur


Alle Staaten der Erde, die Atomenergie nutzen, schieben seit Jahrzehnten ein ungelöstes Problem vor sich her: Wohin mit dem Strahlenmüll? Die australische Regierung macht es sich einfach. Sie hat vier potentielle Endlagerstandorte ausgesucht, wobei die Pläne für einen von ihnen bereits weit gediehen sind. Die Aborigines vom Stamm der Ngapa in Muckaty Station, die mit Regierungsvertretern verhandelt und den einzigen australischen Atomreaktor Lucas Heights bei Sydney besucht haben, erklärten sich am vergangenen Freitag damit einverstanden, daß auf ihrem Grund in der Barkly-Region, nördlich von Tennant Creek im Bundesstaat Northern Territory ein Endlager eingerichtet werde. Dafür sollen sie zwölf Millionen australische Dollar (ca. 7 Mio. Euro) erhalten. In 200 Jahren, so behauptet die Regierung, erhielten sie das Gelände zurück, denn dann sei es "sicher" (AFP, 25.5.2007).

Das Endlager sei für schwach- und mittelradioaktive Abfälle sowie abgebrannte Brennelemente aus dem Akw Lucas Heights gedacht, teilte Wissenschaftsministerin Julie Bishop mit. Außerdem sollen im Ausland gelagerte, aufgebrauchte Brennelemente zweier australischer Forschungsreaktoren zurückgeholt werden. Im Unterschied zu den Endlagerkonzepten in anderen Ländern, soll der Strahlenabfall nicht unter der Erde, sondern oberirdisch in Containern gelagert werden.

Der Northern Land Council (NLC), der den Deal für die Aborigines eingefädelt hat, behauptet, daß das Geld Generationen zugutekommen werde. Tatsächlich ist die Summe lächerlich gering. Der Großteil des Geldes fließt in einen Trust und wird erst Zug um Zug ausgezahlt. Mit einem kleinen Teil - eine Million austr. Dollar - werden einige wenige der zahlreichen Vernachlässigungen der Aborigines durch die australische Regierung ausgeglichen und Bildungseinrichtungen aufgebaut. Aber was kann man mit dem wenigen Geld wirklich bewegen?

Der NLC-Vorsitzende John Daly behauptet, es gebe keine Sicherheitsbedenken hinsichtlich des Endlagers. Die besten australischen Wissenschaftler kümmerten sich darum. Wie er zu dieser Schlußfolgerung gelangt ist, bleibt ein Rätsel, ist doch auch Australiens Geschichte der Nuklearwirtschaft geprägt von Pleiten, Pech und Pannen.

In einem Interview mit dem Fernsehsender ABC bezeichnete die grüne Senatorin Christine Milne das Abkommen als Witz. Der Atomabfall habe eine Halbwertszeit von 25.000 Jahren und werde über eine Viertelmillion Jahre gefährlich bleiben, sagte sie und beschuldigte die konservative Regierung John Howards, die Nuklearwirtschaft ausbauen zu wollen.

Muckaty Station ist einer von vier potentiellen Endlagerstandorten, die die Australian Nuclear Science and Technology Organisation (ANSTO) ausgesucht hat, aber laut AFP der einzige, der von der Bevölkerung begrüßt werde. Das ist allerdings eine beschönigende Formulierung. Die Aborigines stehen keineswegs einhellig hinter dem Projekt, sie sind in dieser Frage tief gespalten.

Während beispielsweise Ray Aylett, der die Muckaty Station seit sieben Jahren leitet, die Idee eines Endlagers in der Wüste für gut hält und hofft, daß dann Straßen gebaut werden und Jobs entstehen, hatte sich Marlene Bennett vom Warlmanpa-Stamm gegen den Bau ausgesprochen und eine entsprechende Widerstandsinitiative unter ihren Stammesmitgliedern gestartet. Auch die Nichtregierungsorganisation mit dem langen Namen The Arid Lands Environment Centre Beyond-Nuclear Initiative (ALEC-BNI) hat sich entschieden gegen Muckaty als Endlagerstandort ausgesprochen und fordert eine breite Diskussion unter allen Beteiligten. Die habe nämlich gar nicht stattgefunden.

Einer der Landbesitzer, Bindi Martin, glaubt, daß sich andere Ngapa-Ältere seiner Meinung anschließen und gegen das Abkommen stimmen werden. Zu guter Letzt haben auch noch die Älteren der Muckaty Traditional Owners einen Brief an den NLC sowie an Forschungsministerin Bishop geschrieben und darin ihrem Widerstand Ausdruck verliehen.

Die australische Wüste ist extrem trocken, was allgemein als gute Voraussetzung für den Bau eines Endlagers angesehen wird. Allerdings muß ein Endlager für radioaktive Abfälle für die Ewigkeit ausgelegt sein, und an diesem Problem scheiterten die Ingenieure bereits zu Beginn der Entwicklung von Atomkraftwerken. Doch hat das niemanden bekümmert, denn Atomkraftwerke sind ein Abfallprodukt militärischen Hegemoniestrebens. Vor der sogenannten zivilen Nutzung der Atomenergie stand der Wunsch, eine Atombombe zu besitzen und, wie der Abwurf der US-amerikanischen Atombomben im August 1945 auf Hiroshima und Nagasaki beweist, auch einzusetzen.

Kein Klimaforscher oder sonstiger Experte kann voraussagen, welche klimatischen Verhältnisse im australischen Northern Territory in 100, 1000, 10.000 oder 100.000 Jahren herrschen. Das müßten sie aber, wenn sie behaupten wollen, daß das Endlager sicher ist. Die Aborigines, die dem Endlagerstandort zugestimmt haben, verkaufen sich und zwar unter Preis.

29. Mai 2007