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ATOM/351: Gericht schmettert Tuareg-Klage gegen Areva ab (SB)


Systematische Vernichtung der nomadisierenden Lebensweise durch die Seßhaften

Tuareg gelten als Störfaktor bei der hemmungslosen Ausbeutung der Uranlagerstätten in Niger


Am Dienstag hat ein Gericht in Paris die Zivilklage zweier Organisationen gegen den französischen Staatskonzern Areva, dem Diskriminierung der Tuareg im afrikanischen Binnenstaat Niger vorgeworfen wird, abgeschmettert. Die örtliche Interessenvertretung der Tuareg, Alhak-n-Akal, und die deutsche Menschenrechtsorganisation "Menschenrechte 3000" hatten Klage gegen den Areva-Manager Thierry d'Arbonneau und den Nuklearkonzern Areva eingereicht. Dem CEO wird vorgeworfen, er habe im Oktober vergangenen Jahres die französische Regierung gebeten, den Aufstand der Tuareg im Norden der ehemaligen französischen Kolonie niederzuwerfen. Das Gericht wies die Klage zurück, weil die beiden Organisationen es angeblich versäumten, sie in einem angemessenen Zeitraum nach dem mutmaßlichen Vorfall einzureichen. [1]

Somit bleibt die Frage, ob der Chef eines Staatskonzerns die französische Regierung gebeten hat, den Aufstand der örtlichen Bevölkerung zu unterbinden, unbeantwortet. Zumindest hinsichtlich gerichtsrelevanter Beweise. Grundsätzlich jedoch tritt es offen zutage, daß die französische wie auch die nigrische Regierung nicht die Interessen der Tuareg vertreten, sondern die des Großkapitals, das die Uranvorkommen ausbeutet.

Spätestens seit Beginn der kolonialen Unterwerfung Nordafrikas durch westeuropäische Staaten wurden die Tuareg verfolgt. Ihre Lebensweise als Nomaden war unvereinbar mit dem Verfügungsinteresse der Kolonialverwaltungen, die Steuern eintrieben und willkürlich Grenzen zogen, die traditionellen Wanderrouten durchschnitten. Der Lebensraum der Tuareg wurde eng und enger, in einer parallelen Entwicklung wurde das Volk zur Seßhaftigkeit gedrängt. Allein durch die 17 oberirdischen Kernwaffenversuche Frankreichs in der algerischen Wüste in den 1960er Jahren wurden riesige Areale, die von den Tuareg genutzt wurden, aufgrund der radioaktiven Verstrahlung unbewohnbar, ja, sogar unpassierbar gemacht.

Eine zweite Phase der radioaktiven Kontamination ihres Lebensraums erlitten die Tuareg durch den Uranabbau in Niger, dem weltweit drittgrößten Exporteur dieses Rohstoffs. Die bei der Gewinnung und Verarbeitung, vor allem aber beim Transport der riesigen Gesteins- und Abraummengen - um ein Gramm Uran zu gewinnen werden eintausend Gramm Abraum produziert - entstehenden uranhaltigen Stäube sind äußerst gesundheitsgefährlich. Außerdem entweicht aus dem Bergbaugebiet das radioaktive Gas Radon.

Welche Partei (oder welche Militärs) auch immer die politische Macht in Niger errangen, die Zusammenarbeit mit Frankreich und Areva war meist gut bzw. niemals so schlecht wie das Verhältnis der Regierungen gegenüber den Tuareg. Sie werden offenbar als notorische Störer des geregelten Raubbaus angesehen, und Störer haben selbstverständlich auch kein Anrecht auf eine angemessene Beteiligung an den Einnahmen aus dem Uranexport. Zumal sich die Tuareg nach wie vor eine gewisse Wehrhaftigkeit bewahrt haben und in letzter Konsequenz auch keinem gewaltsamen Konflikt mit der nigrischen Regierung aus dem Weg gehen.

So wie beim Aufstand im Februar 2007, als sie von der Regierung die Einhaltung einer bereits zehn Jahre zuvor gegebenen Zusage, mehr für die Region tun zu wollen, forderten. Zudem widersprachen sie der Beschuldigung, sie betrieben Schmuggel - die Regierung in Niamey hatte ihre traditionellen Handelswege mit der Begründung abgeschnitten, daß es sich um Schmugglerrouten handelte. Die Antwort auf den Tuareg-Aufstand folgte zwei Monate darauf. Im April 2007 rief Präsident Mamadou Tandja den Ausnahmezustand aus und ließ das im Norden des Landes liegende Tuareg-Gebiet militärisch abriegeln. Eine Berichterstattung über das, was anschließend geschah, als die nigrischen Soldaten das Gebiet durchkämmten, wurde gewaltsam unterbunden.

Die jüngere Geschichte Nigers ist eng verbunden mit der Arevas. 70 Prozent des Gesamtexports werden mit dem Uranabbau erwirtschaftet. Areva investiert mehr als eine Milliarde Euro in die Erschließung einer neuen Mine, was das Land ab 2010 zum zweitgrößten Uranexporteur der Welt machen soll. Im vergangenen Jahr erhielt Areva die zweifelhafte Auszeichnung "Public Eye Global Award" für seine miese Umweltbilanz und dafür, daß die Minenarbeiter nicht oder nur völlig ungenügend über die Gesundheitsgefahren durch den Uranbergbau informiert werden. Zwecks Imagepflege hat der Konzern im Sommer 2008 zugesagt, Gesundheitsüberwachungsstationen um das Minengelände herum zu errichten. [2]

Wie gesagt, die Tuareg stören. Das sieht man anscheinend auch bei dem Pariser Gericht so, denn es hat die Anklage gegen Areva und seinen Chef mit einer fadenscheinigen Begründung zurückgewiesen. Mit dieser Entscheidung wird die uralte Geschichte der Unterdrückung dieses Nomadenvolks durch die Raubinteressen der Seßhaften fortgesetzt.


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Anmerkungen:

[1] "Paris court dismisses Tuareg suit against nuclear firm Areva", AFP. 15. September 2009
http://www.nuclearpowerdaily.com/reports/Paris_court_dismisses_Tuareg_suit_against_nuclear_firm_Areva_999.html

[2] "Areva and NGOs conclude agreement on health monitoring around uranium mine sites", Internetzugriff am 16. September 2009
http://www.wise-uranium.org/umop.html#NE