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GENTECHNIK/270: Südafrika genehmigt Experimente mit Sorghum (SB)


Sorghum soll nährstoffreicher gemacht werden

Versuche mit gentechnisch verändertem Sorghum dienen hauptsächlich der Exportwirtschaft, weniger der Nahrungssicherheit der Menschen


Die südafrikanische Regierung hat Versuche mit gentechnisch verändertem Sorghum zugelassen. Forscher wollen mit Hilfe mikrobiologischer Verfahren das natürlicherseits nährstoffarme Sorghum zu einer gehaltvollen Nutzpflanze weiterzüchten. Die Versuche sollen im Treibhaus stattfinden und werden vom südafrikanischen Council for Scientific and Industrial Research (CSIR) durchgeführt. Ursprünglich hatte die Genehmigungsbehörde, der Executive Council of Genetically Modified Organisms, die Treibhausversuche mit gentechnisch verändertem Sorghum untersagt. Dagegen hatte der CSIR bereits vor einem Jahr geklagt, doch erst am 11. September wurde der Klage stattgegeben. Nun kann die Forschung beginnen. [1]

CSIR-Direktor Dr. Gatsha Mazithulela begrüßte die Entscheidung und versicherte, daß die Forscher und ihre Partner aus der Industrie im Interesse der Öffentlichkeit ein besonderes Augenmerk auf die Sicherheit legen und verantwortlich handeln werden. Die Entscheidung Südafrikas bestätige, so Mazithulela, daß sich verschiedene Zweige der Regierung darin einig sind, die Biotechnologie als entscheidenden Antrieb für das Wirtschaftswachstum und der Schaffung von Arbeitsplätzen ausbauen und Südafrikas Führungsposition in Wissenschaft und Technologie auf dem Kontinent wahren zu wollen.

Das Sorghum soll dahingehend modifiziert werden, daß es mehr lebenswichtige Aminosäuren wie Lysin und eine höhere Konzentration an Vitaminen A und E sowie mehr Eisen und Zink enthält. Sorghum bzw. Hirse ist ein wichtiges Nahrungsmittel für viele Millionen Einwohner Afrikas. Allerdings ist es nicht sonderlich nährstoffreich, so daß der reine Hirseverzehr zu Mangelerscheinungen führt.

Die Argumente der Befürworter der umstrittenen Genmanipulation wirken auf den ersten Blick plausibel: In Afrika herrscht vielerorts Hunger. Man wird den Nahrungsmangel mit traditionellen Anbaumethoden und -sorten nicht beheben können, und die Hungerhilfe von außerhalb ist auf Dauer inakzeptabel. Im übrigen sagten Klimaprognosen voraus, daß die Niederschlagsmenge in Afrika zurückgeht, es zu mehr Dürren, aber auch sporadischen Überschwemmungen kommen werde. Das beeinträchtige die Landwirtschaft. [2]

Dem kann bedenkenlos zugestimmt werden. Dennoch bedeutet es nicht, daß deshalb die Lösung des Nahrungsmangels in der Grünen Gentechnik liegt. Selbst wenn es gelänge, nährstoffreiches Sorghum heranzuziehen, machte man es sich zu einfach, wenn man ausschließlich auf die Ertragsmengen oder den Nährstoffgehalt blickte und die gentechnisch veränderte Sorte ihrer konventionellen Verwandten gegenüberstellte. Denn hinter dem Stichwort Grüne Gentechnik verbirgt sich mehr, zu ihr gehören die Produktionsweisen. Sie bestimmen die Nahrungsverfügbarkeit, was von der Gentechlobby gern unerwähnt gelassen wird.

Gentechnisch veränderte Pflanzen unterliegen in der Regel einem Lizenzregime. Landwirte, die Verträge mit Monsanto, Syngenta oder anderen Agrokonzernen abschließen, gehen weitreichende Verpflichtungen ein. Die Verbreitung der Gentechpflanzen dient den Unternehmen als Vehikel, um ihre Kontrolle über die Produktionsbedingungen auszudehnen und zu vertiefen. Am auffälligsten ist sicherlich die Verpflichtung der Landwirte, von ihrer jahrtausendealten Tradition Abstand zu nehmen und keine Saat von einer Ernte als Basis für die nächste Saison aufzubewahren. Statt dessen müssen sie ihre Nutzungsrechte von Jahr zu Jahr erneuern.

Erfahrungen mit anderen gentechnisch veränderten Pflanzen wie Soja, Mais, Weizen, Raps oder Baumwolle haben gezeigt, daß ihr Anbau tendenziell die Entwicklung zu großen und exportorientierten landwirtschaftlichen Betrieben fördert. Wohingegen die Subsistenzwirtschaft zurückgedrängt wird. Dabei erfährt diese zur Zeit vor dem Hintergrund der aktuell zugespitzten globalen Nahrungskrise, zu deren Entstehung Agrokonzerne, Aktienspekulanten und Biospritunternehmen nicht unwesentlich beigetragen haben, eine Renaissance. Das kann nicht im Interesse der afrikanischen Bevölkerung sein, die bestrebt sein sollte, zunächst die Ernährungsgrundlage für alle Einwohner sicherzustellen, und erst im Anschluß versuchen dürfte, auf den Weltmarkt zu gehen.

Das bedeutet, daß die Vorstellung, mit der Biotechnologie solle der Nahrungsmangel in Afrika behoben werden, nicht zutrifft. Wenn man jetzt noch bedenkt, daß die Sorghum-Aufwertung bislang nur eine Erwartung ist und daß andere Gentech-Saaten keineswegs bewiesen haben, daß sie konventioneller Saat in allen Fällen ertragsmäßig überlegen sind, bleibt unterm Strich eines als Gewißheit übrig: Lizenzierte Gentechpflanzen bringen die Bauern in größere Abhängigkeit von Konzernen.

Sollte das passieren, was Kritiker befürchten, nämlich daß sich die Gentechsaat unkontrolliert im Wildwuchs ausbreitet und es zu einem munteren Gentransfer kommt, ohne daß irgend jemand wissen kann, was dabei herauskommt, so werden es womöglich erneut die Konzerne sein, die sich unverzichtbar gemacht haben, indem sie dann auch über die Mittel zur Behebung der angerichteten Umweltschäden verfügen - falls dies überhaupt möglich ist.

Der Versuch zur gentechnischen Aufwertung von Sorghum ist keineswegs alternativlos. Kürzlich teilte das International Crops Research Institute for the Semi-Arid Tropics (ICRISAT) die Ergebnisse eines vierjährigen Versuchs in Mali, Burkina Faso und Niger mit. Demnach konnten die Erträge verschiedener Hirsearten mittels einer ausgeklügelten Anbaumethode zwischen 44 und 120 Prozent gesteigert werden. Die Einnahmen der beteiligten Familien stiegen sogar um bis zu 130 Prozent. [3]

Die ICRISAT-Forscher hatten spezifische Anbauverfahren für die jeweiligen Bodentypen erarbeitet, verschiedene Hirsearten erprobt, und dabei die klimatischen Verhältnisse berücksichtigt. Die Anbaumethode kann innerhalb von wenigen Tagen erlernt und soll innerhalb der nächsten fünf Jahre von 500.000 Bauern eingesetzt werden.

Die Forscher hatten kurz vor Beginn der Regenzeit kleine Löcher in den Boden gedrückt. Unmittelbar bevor der Regen einsetzte, wurde in die Löcher eine Mikrodosis Dünger und jeweils eine Pflanze eingesetzt. Das ist zwar arbeitsintensiv, aber wenn die Alternative darin besteht, daß der Dünger ungenutzt weggeschwemmt wird, dann sind die Vorteile des Verfahrens eindeutig zu verorten. Mit ihren Mikrodosen an Nährstoffen benötigten die Bauern nur ein Zehntel der ansonsten üblichen Düngermenge für Weizen und ein Zwanzigstel der für Mais. Es läßt sich denken, daß das keine Methode ist, die von Biotechkonzernen mit großer Begeisterung aufgenommen wird. Sie setzen vielmehr auf den großflächigen Anbau von "cash crops".

Wenn nun die südafrikanische Regierung die Modifikation von Sorghum und Züchtungsversuche im Treibhaus gutheißt, dann richten sich die größten Bedenken - abgesehen von Gesundheits- und Umweltfragen in Verbindung mit der Grünen Gentechnik - auf die sich daraus ergebende Konzentration der landwirtschaftlichen Produktionsmittel in den Händen einer geringen Zahl von Agrounternehmen, die zunehmend Kontrolle über Nahrungsanbau und -verteilung erhalten. Das berührt das Überlebensinteresse der Menschen in Südafrika und seiner Nachbarländer unmittelbar.


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Anmerkungen:

[1] http://allafrica.com/stories/200809220317.html

[2] Einer Studie der Universität Stanford zufolge wird die Maisernte im südlichen Afrika bis 2030 um 30 Prozent einbrechen.
(IRIN, 8.2.2008)
http://www.reliefweb.int/rw/rwb.nsf/db900sid/SKAI -7BMM99?OpenDocument

[3] http://news.yahoo.com/s/afp/20080829/sc_afp/usafricafarmfoodscience_080829073846

24. September 2008