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KLIMA/260: EEA sagt europaweit Wassermangel voraus (SB)


Umfangreiche klimatische Veränderungen prognostiziert

Europäische Umweltagentur appelliert an die Länder Europas, sich auf den kommenden Wassermangel einzustellen


Bis zum Jahr 2020 müsse die Menschheit die Kohlendioxidemissionen signifikant reduzieren, um den Klimawandel noch zu stoppen, berichteten kürzlich Wissenschaftler. Andere haben als Stichtag sogar das Jahr 2015 als spätesten Zeitpunkt für die Trendumkehr genannt. Aber selbst dieses Datum dürfte sich als zu optimistisch erweisen, denn wahrscheinlich ist der allgemein anerkannte Schwellenwert von 400 ppm (parts per million) Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre bereits überschritten. Offiziell liegt er zwar gegenwärtig "nur" bei 376 ppm, aber CO2 ist natürlich nicht das einzige Treibhausgas. Es ist nicht einmal das wirksamste. Methan beispielsweise gilt als mindestens zehnmal so effektiv wie CO2, die langwellige Rückstrahlung des Sonnenlichts von der Erdoberfläche aufzuhalten und so zur Erwärmung der Erde wie in einem Treibhaus beizutragen. Würde man die Wirkung anderer Treibhausgase als CO2-Äquivalent in die Rechnung einbeziehen, wären 400 ppm bereits überschritten und eine Erderwärmung von mehr als zwei Grad Celsius nicht mehr zu stoppen.

Welchen der genannten Zeitpunkte man nimmt, eines ist gewiß: Das Thema Erderwärmung wird nicht damit abgehandelt sein, daß man sich in Hamburg schon im Januar ins Eiscafé an die Alster setzen kann oder seinen Strandurlaub in Murmansk verbringt. Vergangene Woche hat die Europäische Umweltagentur (EEA - European Environment Agency) die Länder Europas aufgefordert, sich rasch auf einen bevorstehenden Wassermangel einzustellen. Veränderungen der Niederschläge in Verbindung mit steigenden Temperaturen und der Schwund an Schneeflächen würden Einfluß auf die Qualität und Quantität des Wassers haben. Deshalb müßten Unternehmer den Klimawandel bei Investitionsentscheidungen berücksichtigen, schrieb die EEA. Es bliebe zwar Unsicherheit über das Ausmaß der Veränderungen in einzelnen Regionen, aber man sei ausreichend informiert, um Maßnahmen zu ergreifen. Die EEA stützt sich in ihrem Bericht "Climate Change and Water Adaptation Issues" auf den ersten von drei Bänden des UN- Klimagremiums Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), der in diesem Jahr veröffentlicht wurde; die beiden anderen stehen noch aus.

EEA-Leiterin Jacqueline McGlade nannte verschiedene mögliche Veränderungen, auf die sich Europa einstellen müsse, sollten die Prognosen des IPCC zutreffen:

- Die jährliche Niederschlagsmenge in Nordeuropa steigt voraussichtlich um zwei Prozent pro Jahrzehnt, wenngleich der Sommer trockener werden wird. In Südeuropa dagegen nimmt die Niederschlagsmenge ab, vor allem im Sommer. Die Experten rechnen mit einem Rückgang von fünf Prozent pro Jahrzehnt.

- In ganz Europa steigt die Gefahr von Überflutungen. Auch ist in Südeuropa zu jeder Jahreszeit mit Dürren zu rechnen, in Nordeuropa gilt dies vorwiegend für die Sommerzeit.

- Es wird ein starker Einfluß auf die natürlichen Habitate und die Biodiversität ausgeübt werden.

- Die Trinkwasserversorgung ist gefährdet, weil die gegenwärtigen Systeme so gebaut sind, als würden sie über eine lange Jahreszeit wieder aufgefüllt. Verkürzt sich die Regenzeit, bleiben die Speicher leer. Kommt es zu Starkregen, fließt das Wasser ab, ohne den Boden zu durchfeuchten.

Die EEA hat den Schwerpunkt ihrer Analyse nicht auf die Nahrung gelegt. Aber man muß vor dem Hintergrund der genannten Veränderungen festhalten, daß es unmittelbar mit dem prognostizierten "Einfluß auf Habitate" und dem Trinkwassermangel verbunden zu Einbußen in der Landwirtschaft kommen wird.

Welche Antwort werden Politiker geben, wenn die in Deutschland produzierte Nahrung nicht mehr genügt und auch die Nachbarländer Mißernten zu beklagen haben, so daß es womöglich zu Hunger in der Bevölkerung kommt? Was wäre in diesem Zusammenhang von Politikern zu erwarten, die das Einkommen von Hartz-IV-Empfängern für zu üppig halten und weiter kürzen wollen? Die zahlreichen Suppenküchen und "Tafeln" in Deutschland beweisen, daß sich nicht der Staat, sondern Privatinitiativen um die Versorgung der ärmsten in der Bevölkerung kümmern.

Die Bundesregierung und auch die EU-Administration in Brüssel liefern keinen Anhaltspunkt dafür, daß sie in Zukunft, wenn erst Armut, Nahrungs- und Wassermangel und nicht zuletzt schwindender Lebensraum zu weite Bevölkerungsteile betreffenden Problemen werden, einen anderen Kurs einzuschlagen gedenken als heute. Sowohl aus niedrig gelegenen Regionen Europas als auch aus dem Mittelmeerraum werden die Menschen in großer Zahl abwandern. Muß man nicht eingedenk der Abschottungspolitik gegenüber in Not geratenen Menschen aus Afrika davon ausgehen, daß dieses Prinzip künftig auch innerhalb Europas um sich greift und es zu handfesten Grenzen kommt, für die keine Schlagbäume vorgesehen sind?

23. Februar 2007