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KLIMA/269: Präemptive Intervention im Zeichen des Klimawandels (SB)


Sicherung der Hegemonie

Ehemals führende US-Militärs fordern rasche Antwort auf Folgen des Klimawandels


Wenn sich US-Militärs Sorgen über den Klimawandel machen, dann meinen sie etwas anderes, als der einfache Bürger vermuten könnte. Es geht dann um Sicherheitsfragen, die sich aufgrund globalklimatischer Veränderungen stellen, aber im Kern eben nicht um die Frage, wie die Menschheit vor den Klimafolgen geschützt werden könnte, sondern mit welchen Maßnahmen man Umweltflüchtlinge davon abhalten kann, sich auf dem von den USA beanspruchten Territorium in Sicherheit zu bringen. Oder wie Staaten, deren Bevölkerung beispielsweise unter Wassermangel leidet, in ihre Schranken zu weisen sind, so daß das Wasser in die USA oder zu deren Verbündeten transportiert werden kann.

Am Montag wurde in Washington ein 35seitiger Bericht veröffentlicht, der exakt diesen Tenor transportierte. Er ist gewiß nicht der erste seiner Art - im US-Verteidigungsministerium ist man sich der Klimafolgen durchaus gewahr -, aber er läßt die Ahnung aufkommen, daß die Öffentlichkeit Schritt für Schritt auf die kommenden Zeiten allgemeinen Wasser- und Nahrungsmangels sowie bevorstehende fürchterliche Kriege um die Sicherung primärer Überlebensressourcen eingestimmt werden soll.

Der Bericht wurde von dem vermeintlich unabhängigen Think Tank namens CNA Corporation aus Alexandria im US-Bundesstaat Virginia erstellt und von 11 hochrangigen US-Militärs im Ruhestand, sechs Admirälen und fünf Generälen, unterzeichnet. Sie haben gewarnt, daß der globale Klimawandel in den politisch sensibelsten Regionen (Afrika, Asien und Mittlerer Osten) wie ein "Verstärker" der Bedrohungen wirke und daß auch in stabilen Regionen Spannungen aufgebaut würden.

Die USA sollten sich deshalb dringend mit der Frage befassen, wie diesen Gefahren zu begegnen sei. Auch wenn es noch keine letzte Gewißheit hinsichtlich der Folgen der globalen Erwärmung gebe, dürfe man nicht warten, heißt es in dem Bericht, der vom früheren Stabschef der Armee, General Gordon Sullivan, in Washington vorgestellt wurde. Wenn man zögere, könnte es zu spät sein. Eine internationale Zusammenarbeit sei unverzichtbar.

Klimawandel sei kein Thema, das die Vereinigten Staaten allein lösen könnten, beteuerte Admiral Joseph Prueher, ehemaliger Befehlshaber des U.S. Pacific Command und Botschafter der USA in China. Und Vizeadmiral Richard Truly, ehemaliger Astronaut und NASA-Administrator, unkte, daß sich der Klimawandel schleichend bemerkbar mache, überall zugleich geschehe und schwierig vorherzusagen sei.

Vermutlich um die Maske nicht ganz und gar fallen zu lassen, haben sich die Apologeten der weltumspannenden US-Intervention mit grün angehauchten evangelikalen Christen und Umweltschutzgruppen zusammengetan und sich ihre Forderungen zu eigen gemacht. So appellierte der frühere Stabschef der Armee und Verhandlungsführer US-Präsident George W. Bushs im Mittleren Osten, General Anthony Zinni, an die US-Regierung, sie solle dafür sorgen, daß die Treibhausgasemissionen signifikant gesenkt werden.

Zu den natürlichen Gefahren zählen die Autoren des Berichts all jene Faktoren, von denen auch in anderen Einschätzungen zur Klimaentwicklung immer wieder die Rede ist: Extremwetter, Dürre, Überschwemmungen, Meeresspiegelanstieg, Rückzug der Gletscher und Wassermangel, Verschiebungen der Habitate, Ausbreitung lebensgefährlicher Krankheiten.

Solche Gefahren werden es nach Ansicht der ehemaligen Militärs erforderlich machen, daß die US-Armee künftig häufiger einschreiten und zum Beispiel Kriege um Wasser führen nüsse. Wie ein Freibrief auf alle nur denkbaren präemptiven Interventionen wirkt deshalb eine zentrale Schlußfolgerung des Berichts:

Die USA könnten häufiger in die Lage geraten, daß sie entweder allein oder mit Verbündeten hilft, für Stabilität zu sorgen, noch bevor sich die Verhältnisse verschlechtern und von Extremisten ausgenutzt werden.
(Aus dem Englischen übersetzt nach Reuters, 16.4.2007)

Was die US-Militärs unter "Stabilität" verstehen, müssen sie gar nicht erst ausformulieren, das ist bekannt: Alles, was sich dem eigenen Expansionsstreben nach innen wie nach außen in den Weg stellt, gilt als instabil. Umgekehrt wäre alles, was der Vernutzung keinen nennenswerten Widerstand entgegenzusetzen, stabil.

Sehr auffällig ist in diesem Zusammenhang auch die Bezeichnung "Extremist". Sie ist Ausdruck eines allmählichen Wandels im Jargon der US-Regierung. In den ersten Jahren nach den 9/11-Anschlägen war meist nur von "Terroristen" die Rede, die angeblich die USA, den Weltfrieden, die Demokratie oder allgemein die westlichen Werte bedrohten. Angesichts der sich abzeichnenden Klimakatastrophe, deren Vorboten bereits jetzt in fast allen Regionen der Welt zu spüren sind - in manchen wie die Arktis sogar schon fundamental -, genügt ein Bezichtigungsbegriff wie "Terrorist" nicht mehr. Er ist noch nicht pauschal genug.

Also ist man auf den Extremisten verfallen. Damit wird eine viel größere Gruppe von Menschen abgedeckt. Denkbar wäre zum Beispiel, die Bewohner des brasilianischen Regenwalds als Extremisten zu bezeichnen, wenn sie sich gegen den Raubbau in ihrem Lebensraum zur Wehr setzen, und sei es auch nur verbal. Ein Vorwand für Interventionen ließe sich im Zweifelsfall sowieso leicht erfinden. Man bräuchte die Bewohner der wasserreichen Amazonasregion lediglich beschuldigen, sie hätten Waldarbeiter angegriffen, und schon würden aus Menschen, die ihren angestammten Lebensraum gegen Eindringlinge verteidigen, böse Extremisten, die das vermeintlich höherrangige Verfügungsrecht der Gesellschaft auf die Ressourcen des Regenwalds nicht anerkennten.

Im Sinne des CNA-Reports dürfte das US-Militär in diesem Fall präemptiv eingreifen und der ursprünglichen Bevölkerung den Zugang zu den Ressourcen verwehren. Beispiele dafür, wie Menschen bereits jetzt vom Zugang zu Wasser abgehalten werden, sind die Palästinenser und die in der Südtürkei lebenden Kurden.

Die US-Militärs prognostizieren, daß die extrem instabilen Verhältnisse in dreißig bis vierzig Jahren eintreten werden. Wenn aber bereits Admirale und Generäle im Ruhestand über solch brisante Themen plaudern, muß man davon ausgehen, daß in Washingtons Entscheidungszentralen längst sehr konkrete Pläne ausgearbeitet wurden, wie die Sicherheit, das heißt globale Vorherrschaft der USA, in sehr viel näherer Zukunft gewährleistet werden kann.

Die Kriege gegen Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Somalia sowie demnächst womöglich auch Iran erscheinen vor dem Hintergrund des Klimawandels und der dadurch ausgelösten Not wie ein seichtes Vorgeplänkel. Die USA unterhalten keinen "Verteidigungs"- und Kriegshaushalt von über 700 Milliarden bis eine Billion Dollar jährlich, um einer ominösen Organisation wie Al-Qaida entgegenzutreten.

Die Erderwärmung an sich könnte schon ein unlösbares Problem für die Menschheit darstellen. Angesichts der räuberischen Aktivitäten nicht nur der US-Gesellschaft zur Sicherung des eigenen Überlebens scheint es jedoch völlig aussichtslos, verhindern zu wollen, daß ein großer Teil der Menschheit im Zusammenhang mit dem Klimawandel das Zeitliche segnet, um - so die Rechnung der privilegierten Schichten - einem kleinen Teil das Überleben zu sichern.

18. April 2007