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KLIMA/281: Gletscher der Westantarktis gleiten rascher ins Meer (SB)


Umwälzende Veränderungen auf dem südlichsten Kontinent


Je mehr sich das Klima wandelt, desto mehr werden die weltweit führenden Interessensgruppen Maßnahmen zur Sicherung der damit einhergehend knapper werdenden überlebenswichtigen Dinge wie Wasser und Nahrung durchzusetzen versuchen. Die Bewahrung der Umwelt respektive des Klimas dürfte zu einem strikten Sanktionsregime führen, in dem Menschen, die bereits heute häufig als "Verbraucher" definiert werden, mehr denn je unter dem Aspekt ihres Schadens für die Umwelt bewertet werden. Mit repressiven Maßnahmen ist zu rechnen. So hat eine Gemeinde in England bereits einen Gebäudewärmeatlas ins Internet gestellt, damit Umweltsünder, deren Haus über keine gute Wärmeisolierung verfügt, von ihren Nachbarn identifiziert werden können. Damit stehen die "Umweltsünder" am Pranger.

Tatsächlich durchläuft das Klima gegenwärtig eine äußerst rasche Wandlung. Die jüngsten Berichte des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), an denen viele hundert Wissenschaftler aus der ganzen Welt mitgearbeitet haben, gelten bereits jetzt, wenige Monate nach ihrer Veröffentlichung, als überholt.

So meldeten britische Forscher des Antarktischen Dienstes (BAS) am Vorabend des G8-Gipfels in Heiligendamm, daß auf der Antarktischen Halbinsel hunderte Gletscher erheblich schneller ins Meer strömten als zuvor. Die Entwicklung werde den Meeresspiegelanstieg beschleunigen, warnten die Experten.

Demnach hat die durchschnittliche Fließgeschwindigkeit von über 300 Gletschern im Beobachtungszeitraum von 1993 bis 2003 um zwölf Prozent zugenommen. Wie die Forscher im US-amerikanischen "Journal of Geophysical Research" berichteten, passen ihre Satellitenbeobachtungen zu den bereits bekannten Entwicklungen, wonach das Schelfeis der Antarktis schrumpft und es dort im Sommer zu einer größeren Schneeschmelze kommt. Erst kürzlich meldeten US-Forscher, daß auf dem antarktischen Hochplateau im Sommer 2005 eine Fläche von der Ausdehnung Deutschlands eine Woche lang geschmolzen gewesen war. So etwas wurde in diesem Ausmaß nie zuvor beobachtet, und es bedeutet, daß die Temperaturen in diesem Gebiet über dem Gefrierpunkt gelegen haben müssen.

Die britischen Antarktisforscher schrieben, daß sich die Fließgeschwindigkeit der Gletscher, je mehr sie sich dem Meer näherten, erhöht habe. Unterhalb der Gletscher habe sich eine regelrechte Gleitfläche aus Wasser, Eis, Sand und Geröll gebildet, auf dem die Gletscher ins Meer glitten.

Die antarktische Halbinsel erstreckt sich über 1300 Kilometer vom Festland bogenförmig auf die Südspitze Südamerikas zu. Auch in früheren Untersuchungen, unter anderem des BAS, war eine höhere Fließgeschwindigkeit der Gletscher registriert worden. Damit werden deren Angaben bestätigt. Zudem erfährt die antarktische Halbinsel die stärkste Erwärmung von der ganzen Erde. Hamish Pritchard, Hauptautor der britischen Studie, berichtete, daß sich die antarktische Halbinsel in den letzten fünfzig Jahren um durchschnittlich fast drei Grad Celsius erwärmt habe. 87 Prozent der Gletscher schrumpften.

Im Februar hatte das IPCC einen Meerespiegelanstieg von 18 bis 59 Zentimeter bis Ende dieses Jahrhunderts vorhergesagt. Dabei wurde als Hauptfaktor die physikalische Ausdehnung der Ozeane aufgrund ihrer Erwärmung angenommen. Die Gletscherschmelze würde diesen Wert noch verstärken, heißt es nun in dem geophysikalischen Fachjournal.

Unterdessen hat die Nationale Akademie der Wissenschaften in den USA eine Studie veröffentlicht, derzufolge die Kohlendioxidemissionen beschleunigt steigen. Habe die Zunahme in den neunziger Jahren noch bei 1,1 Prozent pro Jahr gelegen, so würden in diesem Jahrzehnt bereits rund drei Prozent jährlich verzeichnet. In welchem Ausmaß und vor allem an welcher Stelle der Gesellschaft wollen die G8-Mitglieder Kohlendioxidemissionen reduzieren, um diesen Anstieg auch nur annähernd kompensieren zu können?

7. Juni 2007