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KLIMA/328: Hegemonie unter dem Vorwand der Klimaschutz-Hilfe (SB)


Kredite statt Zuschüsse

Klimaschutzhilfe der britische Regierung soll Entwicklungsländer in die Verschuldung treiben


Eine langjährige Erfahrung hat sich wieder einmal bestätigt: Immer wenn ein Mitglied der G-8-Staaten behauptet, den wirtschaftlich weniger starken Staaten bei irgendeinem fundamentalen Problem helfen zu wollen, steckt dahinter eine andere Absicht. Ein Paradebeispiel hierfür lieferte jetzt die britische Regierung mit ihrer Ankündigung, die Entwicklungsländer im Kampf gegen die Folgen des Klimawandels mit 800 Millionen Pfund (gut eine Mrd. Euro) für die nächsten drei Jahre unterstützen zu wollen.

Im November vergangenen Jahres hatte sich der britische Premierminister Gordon Brown damit gebrüstet, daß er bzw. sein Land Vorreiter auf den Gebieten Entwicklungshilfe und Klimaschutz sind. Welch eine Farce! Der größte Teil jener via Weltbank zu verteilenden Finanzmittel soll nicht in Form von Zuschüssen gewährt werden, sondern in der von Krediten, die mit Zins und Zinseszins zurückgezahlt werden müssen. Das berichtete John Vidal, Wissenschaftsredakteur der britischen Zeitung "The Guardian" (17. Mai 2008).

Brown und einige seiner Kabinettsmitglieder hatten bislang den Eindruck erweckt, den Entwicklungsländern tatsächlich dabei helfen zu wollen, damit sie den Anstieg des Meeresspiegels, die vermehrten Stürme, Dürren und Überschwemmungen, den Nahrungs- und Wassermangel sowie die wetterbedingten Zerstörungen der Infrastruktur künftig besser kompensieren können. Das wäre auch nur konsequent gewesen, schließlich tragen die wohlhabenden Staaten des Nordens die Hauptverantwortung für den nicht zu unterschätzenden menschlichen Anteil am Klimawandel.

Der "Guardian" beruft sich auf einen Brief, der von den beiden britischen Ministern Phil Woolas (Umwelt) und Gareth Thomas (Entwicklungshilfe) unterzeichnet wurde und besagt, daß die "britischen Beiträge aus dem Umwelt-Transformationsfonds ... hauptsächlich Konzessionskredite sein sollen". Darüber hinaus wolle man mit anderen Geberländern über die Möglichkeit der Vergabe von Zuschüssen sprechen. Aus dem Brief geht ebenfalls hervor, daß die US-Regierung letzteres bevorzugt, und daß sich auch die beiden Minister eigentlich für den Zuschußmodus eingesetzt hatten, aber daß sie vom Finanzministerium überstimmt wurden.

Ohne daß bislang nähere Einzelheiten dafür vorlägen, zu welchen konkreten Zwecken diese "Hilfe" gegen den Klimawandel verwendet werden soll, drängt sich die Vermutung auf, daß damit womöglich westliche Klimaschutz-Technologien oder Beraterdienste erworben werden müssen. Damit würden die Entwicklungsländer gleich mehrfach über den Tisch gezogen: Erstens können sie im Grunde genommen nichts für den Klimawandel, sollen sich aber nun ausgerechnet bei den eigentlich für die Erderwärmung verantwortlichen Staaten verschulden, um die Folgen dieses schwerwiegenden Trends zu bekämpfen. Zweitens leisteten sie gewissermaßen Wirtschaftshilfe, in diesem Fall für Großbritannien, dessen Unternehmen von der Not der anderen profitieren.

Umwelt- und Entwicklungsgruppen haben bereits Stellung gegen den britischen Standpunkt bezogen. WWF-Direktor Toby Qantrill forderte laut dem "Guardian", daß das Geld zusätzlich zur Entwicklungshilfe ausgegeben werden müsse, und Tom Sharman, Politikberater der in London ansässigen Organisation ActionAid, machte auf den Widerspruch aufmerksam, daß Großbritannien einerseits die Schulden der Entwicklungsländer streicht, andererseits diese auffordert, sich neu zu verschulden.

Die Staats- und Regierungschefs der G-8-Staaten wollen bei ihrem Gipfeltreffen im Juli über die Verteilung der Finanzmittel aus Großbritannien und anderen Ländern beraten. Solche "Geber"-Konferenzen haben in der Vergangenheit gezeigt, daß die führenden Wirtschaftsnationen der Welt bei welchen Entscheidungen auch immer, die getroffen werden, eben diese Führung nicht aus der Hand zu geben bereit sind. Beispielsweise fand die Entschuldung der ärmsten Staaten, obgleich seit vielen, vielen Jahren gefordert, erst nach langem Geschachere statt, und dann auch nur unter Bedingungen, die sicherstellten, daß sich die vermeintlich begünstigten Länder von IWF und Weltbank aufoktroyierten Strukturanpassungsmaßnahmen oder anderen Zwangsregimen unterwarfen.

Erst unter dieser entscheidenden Voraussetzung, die den wirtschaftlichen und technologischen Vorsprung der westlichen Staaten garantieren sollte, wurden einige Länder tatsächlich von einem Teil ihrer Schulden befreit. Der Preis dafür bestand jedoch in einer tieferen Abhängigkeit und mündete letztlich in eine sich noch verheerender auswirkenden Verstrickung in den sogenannten Weltmarkt. Heute beugen sich die sogenannten Entwicklungsländer unter den global hohen Erdöl- und Nahrungsmittelpreisen und sind kaum zu bewältigenden inneren Zerreißproben ausgesetzt. Davon zeugen Demonstrationen oder gar Hungeraufstände in Ländern wie Haiti, Burkina Faso, Somalia oder Philippinen.

Die Finanzpolitik der britischen Regierung, die sich in diesem Fall an dem simplen, aber entscheidenen Unterschied zwischen Zuschüssen und Krediten festmachen läßt, soll das Nord-Süd-Gefälle unter dem Deckmantel der Klimaschutzhilfe weiter befestigen.

19. Mai 2008