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KLIMA/509: Keystone XL wird weitergebaut - Richtungsentscheidung der USA gegen Klimaschutz (SB)


In den USA flammen Proteste gegen Pipeline für Teersandöle aus Kanada wieder auf

Keystone XL - Vertreibung von Menschen, hoher Wasserbrauch, Vergiftung der Landschaft und Beschleunigung der Erderwärmung



Angesichts der rasanten weltpolitischen Entwicklungen und des Aufbaus immer neuer Konfliktfelder geraten viele scheinbar nebensächliche Entwicklungen schnell in Vergessenheit. Beispielsweise der Klimawandel. Der wird durch die Verbrennung insbesondere von fossilen Energieträgern wie Braunkohle, Steinkohle, Erdgas und Erdöl angeheizt, und die Bemühungen vieler Menschen, ihre Regierungen zu wirksamen Klimaschutzmaßnahmen zu bewegen, haben bislang nicht in dem erforderlichen Maß gefruchtet.

Auch nicht durch die Umzingelung des Weißen Hauses in Washington im August vergangenen Jahres durch etwa 5000 Demonstranten. Die forderten Präsident Barack Obama auf, den Bau der mehr als sieben Milliarden Dollar teuren Ölpipeline Keystone XL aus einem kanadischen Teersand-Abbaugebiet zum Golf von Mexiko zu stoppen. Die Sicherheitskräfte der USA reagierten auf den etwa zweiwöchigen Ausdruck zivilen Ungehorsams mit Massenverhaftungen. Schätzungsweise 1200 Personen waren vor dem Weißen Haus festgenommen worden. Im Januar beschloß die Obama-Administration, den Bau für ein Jahr auszusetzen, um Zeit für Umweltverträglichkeitsprüfungen zu gewinnen.

Das wurde als Sieg der Umweltbewegung gefeiert, was mal wieder übertrieben war. Denn erstens vergeht ein Jahr schnell und zweitens bedeutet in der Lesart Obamas ein Aussetzen des Projekts nicht, daß es auf ganzer Strecke ausgesetzt wird. Wie die "Los Angeles Times" berichtete, hat das Pipeline-Unternehmen TransCanada am 9. August still und leise begonnen, in der Nähe von Livingston in Texas Teile der Keystone XL aufzubauen [1]. Die Genehmigung dafür wurde ihm im Juli erteilt. Auch in Nebraska und Oklahoma wird bereits an der Pipeline gebaut. Das bringt viele Bürgerinnen und Bürger auf die Palme. Am Donnerstag vergangene Woche begannen sie, gegen den Bau der Pipeline zu protestieren. Zusammengefunden hat sich die Bewegung in der Initiative Tar Sands Blockade, wobei der Name Programm ist. Deren Sprecher, Ron Seifert, sagte gegenüber der LA Times, man sei bereit, zivilen Ungehorsam auszuüben, um das Projekt aufzuhalten, beispielsweise durch Sitzblockaden.

Die gesamte Bewegung gegen Keystone XL ist breit aufgestellt und reicht von der republikanischen Tea Party, Landwirten und Dorfbewohnern, die sich um das Grundwasser sorgen oder gegen die Enteignung ihres Lands wehren, über religiöse Gruppen, den American Indians, der Occupy-Bewegung bis hin zu Aktivistinnen und Aktivisten der internationalen Klimaschutzbewegung.

In Nordamerika existiert mit Keystone bereits eine Pipeline, über die Bitumen aus der kanadischen Provinz Alberta in die USA befördert wird. Mit Keystone XL ist die Erweiterung dieses Systems gemeint. TransCanada will über eine ebenfalls ein Meter durchmessende Pipeline verflüssigtes Bitumen zu den Raffinerien am Golf von Mexiko pumpen. Die insgesamt rund 2500 Kilometer lange Trasse führt durch teils einzigartige Naturlandschaften, die dadurch zerschnitten werden und der potentiellen Gefahr von Leckagen ausgesetzt sind.

Die Pipeline soll auch oberhalb eines wichtigen fossilen Grundwasserspeichers in den Sandhills von Nebraska verlaufen. Die aktuelle Dürre im Mittleren Westen der USA zeigt, daß eine Verseuchung dieses Grundwassers, mit dem landwirtschaftliche Felder bewässert werden, schwerwiegende Folgen für die Umwelt nach sich zöge. Das könnte den landwirtschaftlichen Anbau stark beeinträchtigen. Jener ökologisch empfindliche Abschnitt durch die Sandhills ist es, zu dem Obama eine Prüfung des Streckenverlaufs gefordert hatte. Dem ist TransCanada nachgekommen, eine letztgültige Entscheidung für eine Alternativroute steht noch aus. Unterdessen hat das Unternehmen mit dem Bau des südlichen Teil dieses Mammutprojekts, der Strecke von Oklahoma nach Texas, begonnen, nachdem die letzte rechtliche Bedingung des U.S. Army Corps of Engineers erfüllt worden war.

Die Protestbewegung, die am vergangenen Donnerstag einen "Day of Solidarity" (Solidaritätstag) mit ersten Aktionen in Texas und Oklahoma gegen den Pipelinebau begangen hatte, kündigte weitere Maßnahmen an. "Jeden Tag, an dem wir dem Bau mit direkten Aktionen begegnen, ist ein kleiner Sieg für uns", sagte Ron Seifert gegenüber der LA Times. "Das gibt uns die Chance, die Schäden, Mißbräuche und Gefahren des Pipelinebaus zu verdeutlichen."

Der Abbau von Teersanden geht mit gravierenden Umweltzerstörungen einher. Für jedes Barrel Rohöl, das aus dem Sanden herausgelöst wird, braucht man die dreifache Menge an Wasser. Das wird in riesigen Sedimentbecken gelagert und enthält eine Reihe von gefährlichen Umweltgiften wie Ammoniak und Zyanidverbindungen.

Bei der Produktion und Verbrennung von Bitumen aus Teersanden wird die dreifache Menge an Kohlendioxidemissionen erzeugt wie bei konventionellem Erdöl. Berechnungen zufolge würde sich der Verbrauch an Teersandöl der USA dank der Keystone XL nahezu verdoppeln. Klimaschützer warnen, daß das Projekt Keystone XL eine fundamentale Richtungsentscheidung der US-Politik bedeutet. Das Projekt müsse gestoppt werden, um dem internationalen Klimaschutz eine Chance zu geben, lautet ihre Forderung. Würde Keystone XL in Betrieb gehen, wäre "das Spiel aus", so der bekannte US-Klimawissenschaftler James Hansen mit Blick auf den zu erwartenden Anstieg der Treibhausgasemissionen.


Fußnoten:

[1] "Keystone XL pipeline construction begins amid protests", Los Angeles Times, 16. August 2012
http://www.latimes.com/news/nation/nationnow/la-na-nn-keystone-xl-pipeline-20120816,0,6693892.story

21. August 2012