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KLIMA/543: Energieeffizienz - EU-Rat beschließt verbindlich unverbindliche Ziele (SB)


Steigerung des Wachstums auf Kosten der Energiewende



Nachdem die Bundesregierung bereits auf nationaler Ebene die sogenannte Energiewende ausbremst, trägt sie nun auch im Europäischen Rat eine ähnliche Entwicklung mit. Dieser hat am 23. Oktober 2014 "Schlussfolgerungen zum Rahmen für die Klima- und Energiepolitik bis 2030" beschlossen und dem von großen Teilen der Bevölkerung befürworteten Trend zur Abkehr von den fossilen und atomaren Energieträgern bei gleichzeitiger Stärkung einer dezentralen Energieversorgung einen kräftigen Dämpfer verpaßt. Zu den Vereinbarungen gehört neben dem CO2-Einsparungsziel von 40 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 auch ein fadenscheiniger Beschluß zur Energieeffizienz:

"Zur Verbesserung der Energieeffizienz bis 2030 gegenüber dem auf der Basis der derzeitigen Kriterien prognostizierten künftigen Energieverbrauch wird auf EU-Ebene ein indikatives Ziel von mindestens 27 % vorgegeben." [1]

Der "fragwürdige Deal", wie der Vorsitzende der europäischen Grünen, Reinhard Bütikofer, den Beschluß laut Spiegel Online [2] nannte, besteht weniger darin, daß die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Mitgliedsländer vom ursprünglich ins Gespräch gebrachten Ziel der Energieeinsparung von 30 Prozent um drei Prozentpunkte nach unten abgerückt sind, sondern erstens in der Ausweisung eines "indikativen" Ziels und zweitens in dem "prognostizierten künftigen Energieverbrauch", der "auf der Basis der derzeitigen Kriterien" abgeschätzt wird.

Letzteres bedeutet, daß nicht beispielsweise der heutige Energieverbrauch oder der Energieverbrauch eines zurückliegenden Basisjahres (wie bei der CO2-Einsparung) als Berechnungsgrundlage verwendet wird, sondern die bloße Vermutung oder eher noch Wunschvorstellung, wieviel Energie in der Europäischen Union im Jahr 2030 verbraucht werden wird.

Da sich der Staatenbund dem Wirtschaftswachstum verpflichtet hat, das stets nur in Verbindung mit einem höheren Energieverbrauch gedacht wird, und er selbstverständlich davon ausgeht, die von ihm prognostizierten Wachstumszahlen bis 2030 auch zu erreichen, findet am Ende keine oder zumindest eine viel geringere Energieeinsparung statt, als es der Wert "27 %" vordergründig aussagt.

Was bedeutet diese spekulative Berechnungsgrundlage für die sogenannten erneuerbaren Energien? Da die EU auf diese Weise die Notwendigkeit zur Energieeinsparung abschwächt, verringert sie den Druck auf die Industrie zur Energiewende. Zudem wird die fossile und atomare Energiewirtschaft, die für das Modell einer zentralistischen Energieproduktion steht, gestärkt.

Weil aber selbst der dann noch verbleibende Druck auf die Wirtschaft, die ja immerzu wachsen soll, zu groß sein könnte, wurde von der EU sowieso nur ein "indikatives Ziel" vereinbart. Man hätte ja auch einfach nur "Ziel" schreiben können, aber hat das vermieden, weil das dann verbindlich gewesen wäre. Mit "indikativ" ist das Gegenteil gemeint: Kein EU-Mitglied wird verpflichtet, Energie einzusparen. Es gibt keine Handhabe gegen Staaten, die das Ziel nicht einhalten, und es ist auch nicht geplant, ein solches Instrument zu installieren. Das indikative Ziel gilt nur für die EU insgesamt. Wenn sie es nicht erreicht, passiert gar nichts.

Natürlich ist jedes Unternehmen schon aus Gründen der Betriebskostensenkung bestrebt, bei den Energiekosten zu sparen. Das muß nicht zwingend auf eine Verbesserung der Energieeffizienz oder eine Abkehr von fossilen Energieträgern hinauslaufen. Gut vorstellbar, daß in der EU in den nächsten Jahren mittels der Methode des Frackings Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten gefördert wird. Falls ein EU-Mitgliedsland beispielsweise darauf verzichtet, einen Förderzins auf Erdgas zu erheben oder diese Fördermethode, bei der unter extrem hohem Druck ein Gemisch aus Wasser, Sand und verschiedenen chemischen Beistoffen in die unkonventionelle Lagerstätte gepreßt wird, um das Gestein aufzubrechen, damit das auf feine Poren verteilte Gas zusammenströmt und aufsteigt, könnte es sein, daß das für ein Wirtschaftsunternehmen eine preiswertere Energiequelle darstellt als beispielsweise Photovoltaik. Zudem könnten die europäischen Unternehmen von billigem Fracking-Erdgas aus den USA und Erdöl aus kanadischen Teersanden profitieren, was dem behaupteten Anliegen, Klimaschutz betreiben zu wollen, widerspräche.

Somit legt die EU ein verbindliches Ziel zum Einsparen von Energie fest, doch das Ziel selbst bleibt unverbindlich, was bedeutet, daß man sich zur Unverbindlichkeit verpflichtet und das auch noch als "ehrgeiziges Ziel" ausweist.

Mit diesem "Paket" will die EU im kommenden Jahr auf der UN-Klimakonferenz in Paris in die Abschlußverhandlungen zu einem internationalen Nachfolgevertrag zum Kyoto-Protokoll antreten. Die anderen Staaten dürften in solchen Winkelzügen nicht weniger gewitzt sein als die EU-Vertreter und mit ähnlichen Mitteln ihre eigenen national orientierten Interessen durchzusetzen versuchen. In Fortsetzung des nahezu auf ganzer Linie gescheiterten Klimagipfels von Kopenhagen 2009 würden dann auch in Paris 2015 keine verbindlichen Vereinbarungen getroffen, mit denen voraussichtlich das übergreifende Ziel, die globale Durchschnittstemperatur um nicht mehr als zwei Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit steigen zu lassen, erreicht werden könnte. Ganz zu schweigen davon, daß Dutzende Staaten die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels fordern. Darüber wird von den wirtschaftlich führenden Staaten, die um den Verlust eben dieser Führungsposition fürchten, gar nicht erst verhandelt.


Fußnoten:

[1] http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/de/ec/145377.pdf

[2] http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/eu-gipfel-angela-merkel-ist-klimawandel-nicht-mehr-so-wichtig-a-998701.html

24. Oktober 2014