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KLIMA/575: Climate Engineering - aus Klimaschutzgründen die Luft verschmutzen ... (SB)


Statt Teufel lieber Beelzebub?

Forschergruppe präsentiert Computersimulationen zur Injektion von Aluminium- oder Diamantstaub (anstelle von Schwefelpartikeln) in der Stratosphäre, um die Sonneneinstrahlung zu verringern


Im Vorwege des "historischen" Klimagipfels in Paris (COP 21) wird von interessierten Kreisen vorsichtiger Optimismus verbreitet, daß die Staats- und Regierungschefs am 11. Dezember ein Abkommen beschließen werden, das nicht so zahnlos bleibt wie das auslaufende Kyoto-Protokoll. Aber was würde passieren, sollte keine Vereinbarung zustandekommen, die zumindest die Aussicht bietet, die globale Erwärmung im Laufe der nächsten Jahrzehnte auszubremsen und anschließend auf einem einigermaßen verträglichen Niveau zu stabilisieren? Oder was würde passieren, wenn COP 21 zwar ein durchschlagender Erfolg wird und sich alle Beteiligten an ihre Klimaschutzzusagen halten, doch das Klima selbst nicht mitspielt - entweder weil die Berechnungsgrundlagen zum Klimawandel falsch waren oder weil bereits Prozesse angelaufen sind, die nicht mehr ohne weiteres umgekehrt werden können?

Dann könnte es sein, daß die Gesellschaft die Frage an die Politik richtet, was sie in dieser verzweifelten Lage zu unternehmen gedenke, und daß die Politik die Frage an die Wissenschaft weiterreicht: Gibt es noch Möglichkeiten, die globale Erwärmung zu stoppen?

Ja, die gibt es, wird die Wissenschaft antworten, aber die Lösung werde mit unkalkulierbaren Nebenwirkungen verbunden sein. Sie könnte aber auch - und hier kommt das "Schmankerl" für alle, die die vorherrschende, profitorientierte Wirtschaftsweise für alternativlos halten - zur Ankurbelung der Wirtschaft durch die Erschließung völlig neuer Geschäftsfelder beitragen. Die Rede ist von Ideen, Konzepten und Methoden des Geoengineerings bzw. Climate Engineerings.

Damit ist die gezielte, unter Umständen schnell wirksame und langfristig angelegte Beeinflussung des Erdklimas gemeint, entweder als Manipulation der Sonneneinstrahlung (SRM - Solar Radiation Management) oder als Verringerung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre (CDR - Carbon Dioxide Removal). Eine dritter, häufig vernachlässigter, da bislang nur von Außenseitern vorgebrachter Ansatz wäre die Verstärkung der langwelligen Wärmerückstrahlung (ERM - Earth Radiation Management). [1]

Ob nun wie beim ERM eine Vielzahl riesiger, jeweils einen Kilometer hoher Türme gebaut oder wie beim CDM unter Einsatz enormer Energiemengen das eben bei der Energieproduktion entstandene Kohlendioxid verflüssigt und gelagert oder ob wie beim SRM riesige Spiegel im Weltall installiert werden sollen, die Aufwände und Kosten wären in allen Fällen gewaltig.

Das gilt auch für einen weiteren Pfeil aus dem Köcher der Geoingenieure, mit dem sie auf das Erdklima zielen ... und im nebenbei auf diejenigen, die durch solche Maßnahmen "zum Wohle der Menschheit", in deren Namen das Klima beeinflußt werden soll, unvermeidbar Schaden erleiden werden. Man könnte an Stelle von Schwefelpartikeln, wie es verschiedentlich vorgeschlagen wurde, Nanopartikel aus Diamant oder Aluminiumoxid in der Stratosphäre verteilen, schreibt eine Forschergruppe um Debra Weisenstein von der Harvard University in Cambridge, US-Bundesstaat Massachusetts, im Journal "Atmospheric Chemistry and Physics" (26. Oktober 2015). [2]

Solche Nanopartikel besäßen in der Stratosphäre ein höheres Rückstrahlungsvermögen als Schwefelpartikel, wie sie regelmäßig in Berichten über potentielle Geoengineering-Techniken erwähnt werden. Es sei zwar klar, daß Diamantstaub sehr teuer ist, aber deshalb sei ihr Vorschlag nicht aus der Welt.

Aus Schwefel in der Atmosphäre wird Schwefelsäure, die die Ozonschicht angreift. Außerdem reflektieren Schwefelpartikel nicht nur die Sonneneinstrahlung, sondern sie absorbieren auch bestimmte Wellenlängen, was zur Erwärmung der unteren Stratosphäre beitragen würde. Das wiederum könnte sich auf die Zirkulationsmuster der Luftmassen in der Troposphäre auswirken und damit das Klima verändern. Außerdem würde Schwefel das Tageslicht diffus machen, was sowohl das Pflanzenwachstum behindern als auch die Erträge von Solarzellen verringern würde.

Aluminium- oder Diamantstaub erzeugt geringere Probleme, so Weisenstein: "Man hätte einen wesentlich geringeren Einfluß auf Ozon, eine geringere Erwärmung der Stratosphäre und eine geringere Zunahme an diffusem Licht an der Erdoberfläche." [3]

Das Rückstrahlungsvermögen von Aluminium entspricht ungefähr dem von Schwefelpartikeln, Diamantstaub hingegen übersteigt diesen um 50 Prozent. Angesichts der gegenwärtigen Kosten von 100 US-Dollar pro Kilogramm Diamantstaub und der Idee, daß jedes Jahr Hunderttausende Tonnen davon in der Stratosphäre verteilt werden müßten, erscheint das Konzept aberwitzig. Die Harvard-Forscherin und ihre Kollegen schreiben, daß sie keine detaillierte Kostenanalyse aufgestellt haben. Weisenstein gibt aber zu bedenken, daß man bei einer solchen Größenordnung des Verbrauchs annehmen kann, daß der Preis für Diamantstaub sinkt. Und laut dem Klimaforscher David Keith, ebenfalls von der Harvard University, würden sich die Kosten im Jahr 2065, wenn voraussichtlich zehn Milliarden Menschen auf dem Planeten leben, auf 5 Dollar pro Person belaufen, um rund 450.000 Tonnen Diamantstaub "hinaufzupumpen".

Aluminiumstaub ist einfacher herzustellen und sein chemisches Verhalten besser erforscht. Deshalb befassen sich die Forscher zur Zeit eher damit als mit Konzepten zu Diamantstaubinjektionen. Beide Staubarten besäßen unbekannte Risiken, schreiben sie.

Die Forscher geben keine Handlungsempfehlungen ab. Ob die Politik etwas daraus macht, ist kein Thema dieser Studie. Dennoch finden Forschungen - in diesem Fall zum Climate Engineering - in keinem wertfreien Raum statt. Dahinter stehen bestimmte Interessen und sei es auch nur, daß die Beteiligten in der Zeit, in der sie an solchen Studien arbeiten, keine anderen Forschungen betreiben. Beispielsweise zu der Frage, wie zehn Milliarden Menschen auf dem Planeten leben könnten, ohne daß Climate Engineering betrieben werden "muß".

Wer Experimente durchführt, auf Experimentergebnisse anderer Forscher zurückgreift und Computersimulationen erstellt, trägt Mitverantwortung für alles, was die Politik später einmal daraus macht. Denn ohne Forschungen wie diese käme niemand auf die Idee, Diamantstaub in die Stratosphäre zu jagen, um das globale Klima zu beeinflussen. Wenngleich sich Studien wie diese wertneutral geben, zeigen sie die prinzipielle Machbarkeit eines solchen massiven Eingriffs auf.


Fußnoten:

[1] Näheres dazu im Schattenblick unter INFOPOOL → UMWELT → REPORT
BERICHT/090: Klimarunde, Fragestunde - Techniker des Gegenfeuers ... (SB)
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umrb0090.html

[2] http://www.atmos-chem-phys.net/15/11835/2015/acp-15-11835-2015.pdf

[3] http://www.nature.com/news/climate-scientists-ponder-spraying-diamond-dust-in-the-sky-to-cool-planet-1.18634

12. November 2015


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