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KLIMA/662: Erde - Atmen und ersticken ... (SB)



Die Atmosphäre hat im Laufe der Erdgeschichte mehrmals dramatische Umwandlungen erfahren. Vor vier Milliarden Jahren bestand sie hauptsächlich aus Wasserdampf sowie Kohlenstoffdioxid (CO2) und Schwefelwasserstoff (H2S). Freier Sauerstoff kam so gut wie nicht vor, auch nicht in der nachfolgenden Atmosphäre, die jedoch nun vom Stickstoff dominiert wurde. Es läßt sich ahnen, daß fundamentale Prozesse den Wandel von einer wasserdampf- zu einer stickstoffdominierten Atmosphäre ausgelöst haben.

Die Entstehung der heutigen Atmosphäre setzte vor 500 bis 600 Millionen Jahren ein und wird in der Geologie als "Große Sauerstoffkatastrophe" bezeichnet. Vor rund 350 Millionen Jahren wurde erstmals ein Sauerstoffgehalt von 21 Prozent erreicht. Bis heute schwankte er zwischen 15 und 35 Prozent und liegt gegenwärtig bei 20,9 Prozent.

Zwar existierte organisches Leben bereits vor über drei Milliarden Jahren. Doch das heutige, sogenannte höhere Leben ist Ergebnis eines Vergiftungsprozesses der Atmosphäre, der zu einem Massenaussterben unter den damals bestehenden Arten führte, letzte Überlebende von ihnen in irgendwelche Nischen abgedrängt hat (Natronseen, heiße Tiefseequellen, etc.) und Giftatmer zu den dominanten Spezies aufsteigen ließ. Menschen zählen zu den Giftatmern, da sie auf das Gift namens Sauerstoff existentiell angewiesen sind.

Gegenwärtig nimmt der atmosphärische Sauerstoffanteil in dem Maße ab, wie der Anteil anderer Gase zunimmt. Hier wäre an erster Stelle Kohlenstoffdioxid (CO2) zu nennen, dessen Anteil an der Atmosphäre seit Beginn der Industriealisierung in Folge der Verbrennung fossiler Energieträger Kohle, Erdöl und Erdgas von 280 ppm (parts per million, z. Dt. Teile auf eine Million) auf heute 405 ppm gestiegen ist.

Gemessen an den erdgeschichtlichen Umbrüchen erscheinen solche Veränderungen, die erst ab der vierten Stelle hinter dem Komma auftreten, vernachlässigbar. Und doch zeigen Studien, daß beispielsweise eine Verdoppelung der CO2-Konzentration auf 800 ppm zu einer globalen Erwärmung um drei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit führen würde. Selbst wenn die Menschheit bei 800 ppm von einem Tag auf den anderen aufhören würde, CO2 zu produzieren, hätte sich dessen Gehalt auch nach 1000 Jahren noch nicht abgebaut, sondern läge noch immer bei 500 ppm. Dementsprechend stiege die globale Durchschnittstemperatur um mehr als drei Grad an und fiele - wenn überhaupt - die nächsten mindestens 1000 Jahre nicht auf einen Wert, von dem die Wissenschaft sagt, er wäre für die Menschheit halbwegs akzeptabel, weil dann nicht die Naturkatastrophe der neue Normalzustand wäre.

Die Ozonschicht ist nur wenige Millimeter dick, allerdings sind die Moleküle über ein großes Volumen in 15 bis 25 Kilometer Höhe verteilt. So gering der Anteil des Ozons (O3) am Gesamtvolumen der Atmosphäre auch ist, dem dreiwertigen Sauerstoff kommt eine wesentliche Bedeutung als Schutz von Pflanzen, Tieren und Menschen gegenüber der UV-Strahlung zu. Die Entdeckung eines Ozonlochs über der Antarktis vor 45 Jahren und der von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKWs) ausgelösten chemischen Reaktionen, durch die das Ozon aufgespalten wird, hatte 1989 zum Montrealer Protokoll zum Schutz der Ozonschicht geführt. Auch wenn dieser internationale Klimaschutzvertrag wohl nur deshalb die Zustimmung der USA erhielt, weil die Patente des US-Konzerns General Electric auf FCKW-haltige Substanzen ausliefen und er sich an die Spitze der Nachfolgeprodukte setzen wollte, zeigt dieses Beispiel dennoch, als wie ernst von den politischen Entscheidungsträgern die Bedrohung durch eine Veränderung eines winzigen Teils der Atmosphäre angesehen wurde.

An den vom Meer bedeckten Kontinentalhängen lagern schätzungsweise 1.000 Gigatonnen Kohlenstoff in Form von Methanhydraten. Diese werden dort durch Druck und Temperatur stabil gehalten. Bei einem weiteren Temperaturanstieg der Ozeane könnten sie freigesetzt werden. Das Methan hat eine rund 30fache Klimawirksamkeit von CO2. Obwohl der Anteil von Methan an der Atmosphäre um eine Größenordnung kleiner ist als der des CO2, hätte eine Freisetzung aller Methanhydratvorkommen einen ungeheuren Effekt auf das Erdklima. Die globale Temperatur stiege dramatisch an. Methanfreisetzungen waren nach Einschätzung der Wissenschaft am Massenaussterben während des geologischen Zeitalters des Perm (vor 298,9 - 252,2 Millionen Jahren) beteiligt.

Der Mensch befindet sich in der Not, jeden Tag 10.000 bis 20.000mal Luft holen zu müssen. Ohne dies zu tun würde er rasch ersticken. Das würde er ebenfalls, wenn der Sauerstoffgehalt in der Luft unter einen bestimmten Wert sinkt - möglicherweise weil Sauerstoff durch andere Gasanteile verdrängt wird. Ein Sauerstoffgehalt von 17 Prozent gilt als gesundheitsgefährdend, Lebensgefahr droht bei zehn Prozent und der Tod tritt ein, wenn die Atemluft nur noch sieben Prozent Sauerstoff enthält.

Es bedarf nicht einmal eines apokalyptischen Worst-case-Szenarios, bei dem der Sauerstoff aus der Atmosphäre komplett verschwunden ist, um zu verdeutlichen, wie empfindlich die Lebensvoraussetzungen sind. Es sind nur geringfügige Veränderungen an einigen Stellschrauben der Natursysteme erforderlich, um einen globalen Wandel einzuleiten. Die unverdrossen hohen CO2-Emissionen aus dem Verbrennen fossiler Energieträger beispielsweise verändern das Klima in einer Weise, die sich absehbar negativ auf alle Lebensbereiche des Menschen auswirken. Vor kurzem wurde eine Studie unter anderem des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung veröffentlicht, derzufolge sich die Erde auf eine "Heißzeit" zubewegt, falls es nicht gelingt, den gegenwärtigen Erwärmungstrend zu stoppen.

Hier werden also von der Wissenschaft bereits Veränderungen in einer Größenordnung geschildert, die nicht weniger als den Beginn einer neuen erdgeschichtlichen Epoche bedeuten würde - so, wie sie eingangs beschrieben wurden.

23. August 2018


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