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RESSOURCEN/110: E85 produziert mehr bodennahes Ozon als Benzin (SB)


Umweltverträglichkeit von Agrotreibstoffen erneut in Frage gestellt


Die Ersatzstoffe für Benzin und Diesel, mit denen die industriegestützte Wirtschaft im auslaufenden Erdölzeitalter und darüber hinaus weiterbetreiben werden soll, erweisen sich häufig als nicht weniger umweltschädlich als fossile Brennstoffe. Einer neuen Studie zufolge wird bei der Verbrennung von Ethanol verstärkt gesundheitsschädliches Ozon erzeugt. Während das aus drei Sauerstoffatomen aufgebaute Ozon in der oberen Atmosphäre die harte UV-Strahlung weitgehend aufhält und als nützlich anzusehen ist, führt das auch als Reizgas bezeichnete Ozon in Bodennähe zu erheblichen Gesundheitsproblemen.

Forscher der Universität Stanford fanden heraus, daß der Treibstoff E85, der 85 Prozent Ethanol und 15 Prozent Benzin enthält, bei der Verbrennung mehr Ozon erzeugt als herkömmlicher Treibstoff. Über ihre Studie werde die Doktorandin Diana Ginnebaugh am Dienstag auf dem Jahrestreffen der American Geophysical Union in San Francisco berichten, kündigte die Internetseite ScienceDaily.com an. [1] Die Ozonzunahme falle zwar nur gering aus, aber selbst ein leichter Anstieg gebe in Städten wie Los Angeles mit ohnehin häufig zu hohen Ozonwerten zu Sorgen Anlaß, meinte Ginnebaugh. Ein weiterer Anstieg sei nicht tragbar.

Normalerweise erzeugen fossile Brennstoffe bei warmen Wetter und hoher Sonneneinstrahlung mehr Ozon als in kälteren Jahreszeiten. Das gilt im Prinzip auch für Biosprit. Bei der Verbrennung von E85 wird jedoch vor allem im Winter deutlich mehr Ozon erzeugt als bei der Benzinverbrennung. Das liegt daran, daß sich die Katalysatoren in den Autos erst aufwärmen müssen, bevor sie ihre volle Leistungsfähigkeit erreichen. Bis dahin entweicht eine größere Menge an Schadstoffen aus dem Auspuff. Bei E85 entstehen andere Luftschadstoffe als bei Benzin. Das betrifft insbesondere Aldehyde, die Vorläufersubstanzen für Ozon sind, und für weitere Umweltschadstoffe, die Augen, Hals und Lungen reizen, aber auch Pflanzen schädigen und zu Ernteeinbußen führen können. Nicht zuletzt begünstigen sie das Risiko der Krebsentstehung.

Ginnebaugh und Mark Z. Jacobson, Professor für Bau- und Umweltingenieurwissenschaften, haben die Daten zu Fahrzeugemissionen aus früheren Studien herangezogen und sie auf Los Angeles angewandt. Da die Nutzung von E85 in den USA gerade erst anläuft, haben die beiden Forscher ihre Daten auf das Jahr 2020 projiziert, wenn wahrscheinlich mehr Fahrzeuge, die E85 verbrennen können, auf den Straßen fahren. Die durchschnittliche Emissionsmenge der Fahrzeuge sei dann wegen des technologischen Fortschritts voraussichtlich 60 Prozent geringer als heute, nimmt die Forschergruppe an.

Im ersten von zwei berechneten Szenarien fahren alle Fahrzeuge mit Benzin, im zweiten mit E85. In einer Computersimulation, in der mehr als 13.000 chemische Reaktionen berücksichtigt werden, wurden die beiden Szenarien vor dem Hintergrund unterschiedlicher Temperaturverhältnisse über einen angenommenen Zeitraum von 48 Stunden durchgerechnet. Bei warmen Temperaturen von bis zu 41 Grad Celsius und klarem Himmel lag der Ozonwert der E85-Verbrennungsmotoren um sieben ppb (parts per billion - Teile pro Milliarde) höher als bei Benzinern. Bei kalten Temperaturen, die bis -37 Grad angenommen wurden, nahm die Ozonmenge bei der Verbrennung von E85 um 39 ppb gegenüber Benzin zu.

Sieben bis 39 Teile Ozon auf eine Milliarde Teile Luft wirkt auf den ersten Blick nicht sonderlich atemberaubend. Zeigen die Studienergebnisse auch einen Trend auf, so wirkt dieser vernachlässigbar. Wichtiger als diese per Computersimulation erbrachten, theoretischen Resultate scheint die Frage, ob eine Verbrennung von E85 oder anderen Ersatzstoffen für Benzin nicht bislang unbekannte oder wenig erforschte Konsequenzen hat, die gesundheitliche Probleme nach sich ziehen können. Jacobson hatte bereits vor zwei Jahren in einer landesweiten Studie, aber mit dem Schwerpunkt Los Angeles, berechnet, daß die verstärkte Nutzung von E85 mehr gesundheitliche Schäden auslösen kann. Damals hatte es geheißen, daß das Ethanol in einigen Regionen zu "signifikant" höheren Ozonwerten führen wird. Jacobson kam damals auf jährlich 200 zusätzliche Todesfälle in den gesamten USA - davon 120 in Los Angeles - als Folge der Verbrennung von E85 im Vergleich zu Benzin. Die jüngste Studie scheint hinter diesem Ergebnis zurückzubleiben. [2]

Bei der Bewertung der aktuellen Untersuchung muß allerdings beachtet werden, daß auch geringe Konzentrationserhöhungen von bodennahem Ozon Auswirkungen auf die Gesundheit haben und daß zumindest die Behauptung, bei einer sozial- und umweltverträglichen Produktion könne dieser Benzinersatz einen wünschenswerten Beitrag zum Klimaschutz leisten, nicht zutrifft. Ozon beeinträchtigt den Pflanzenwuchs, was bedeutet, daß der Atmosphäre durch die Vegetation weniger Kohlendioxid entzogen wird. Das wiederum verstärkt den Treibhauseffekt.


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Anmerkungen:

[1] Stanford University (2009, December 14). Ethanol-powered vehicles generate more ozone than gas-powered ones. ScienceDaily. Retrieved December 15, 2009, from http://www.sciencedaily.com/releases/2009/ 12/091214101408.htm

[2] Stanford University (2007, April 18). Ethanol Vehicles Pose Significant Risk To Health, New Study Finds. ScienceDaily. Retrieved December 15, 2009, from http://www.sciencedaily.com/ releases/2007/04/070418072616.htm

16. Dezember 2009