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RESSOURCEN/164: Expedition "Vema-TRANSIT" - Begleitforschung für zukünftigen Tiefseebergbau? (SB)


Tiefseeforschungsschiff SONNE zur Vema-Fracture-Zone aufgebrochen



Vor kurzem hat das neue deutsche Tiefseeforschungsschiff SONNE im Rahmen der Expedition "Vema-TRANSIT" Kurs auf die Vema-Fracture-Zone (VFZ) im Atlantik genommen. Die Forschergruppe an Bord will das Gebiet kartieren, Aufnahmen machen und die am und im Tiefseeboden existierenden Lebensformen erfassen. An der Expedition beteiligt sind das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, das Zoologische Museum Hamburg und die Universität Köln mit Unterstützung des Deutschen Zentrums für Marine Biodiversitätsforschung der Senckenberg-Gesellschaft. [1]

Die VFZ ist die größte Störungszone, die vom Mittelatlantischen Rücken ausgeht, und bildet von daher auch ein für Geologen hochinteressantes Untersuchungsgebiet. Denn entlang dieses 20.000 Kilometer langen, sich vom Nordpolarmeer bis zum antarktischen Randmeer mitten durch den Atlantik erstreckenden, submarinen Gebirgszugs wird laufend neuer Meeresboden gebildet. Die tektonischen Platten wandern von diesem Rücken aus in mehr oder weniger entgegengesetzte Richtungen auseinander, magmatisches Gestein drängt aus dem Erdinnern empor und füllt die Lücken aus. Dieses geologisch junge Material enthält häufig Elemente, die von der rohstoffverarbeitenden Industrie gebraucht werden.

Ein Großteil der Erdoberfläche ist noch nicht kartiert, geschweige denn geologisch analysiert, nämlich jener Teil, der vom Meer bedeckt ist. Das gilt vor allem für die Tiefsee. Die Meeresbodenebenen, die zwischen 3000 und 6000 Meter Tiefe liegen, nehmen rund 60 Prozent der Oberfläche des Planeten ein.

Die wichtigste Voraussetzung für den Abbau von Rohstoffen ist, daß man weiß, wo sie sich befinden. Was an sich banal klingt, hat weitreichende Konsequenzen. Ohne ein Höhenrelief der terrestrischen und submarinen Oberfläche des Planeten und ohne die anschließende Interpretation der Daten durch Geologen wüßte man in der Regel nicht, wo zum Beispiel Erdöl zu finden ist, nach Gold zu schürfen sich lohnt oder am Tiefseeboden mineralstoffreiche Massivsulfide und Kobaltkrusten liegen. Somit bildet nicht das Abteufen eines Bohrlochs oder Freilegen eines geologischen Aufschlusses den Auftakt zur Förderung von Rohstoffen, sondern bereits die Kartierung einer Landschaft per Satellit, aus der Luft oder vom Boden aus.

Aus den Beschreibungen des Forschungsauftrags der Expedition "Vema-TRANSIT" durch das GEOMAR geht nicht hervor, welche geologischen Untersuchungen genau durchgeführt werden. Doch wie gesagt, sowohl die Kartierung als auch das Anfertigen von Aufnahmen bilden eine wichtige Voraussetzung für die Suche nach Rohstoffen. Für beide Funktionen wird unter anderem das autonome Unterwasserfahrzeug AUV ABYSS eingesetzt.

Ein Indiz dafür, wie eng verwandt die aktuelle Forschungsexpedition und die Suche nach Rohstoffen am Meeresboden sind, zeigt eine zeitlich schon etwas zurückliegende Meldung auf der Internetseite "Blue Mining" der Europäischen Union. An dieser Initiative sind unter Federführung der EU eine Reihe von Staaten und Unternehmen beteiligt, die sich sehr intensiv auf den zukünftigen Meeresbodenbergbau in der Tiefsee vorbereiten. Jene Meldung handelt lediglich davon, daß das GEOMAR an seinem AUV ABYSS einen bestimmten Sensor getestet hat. [2] Wenn sich aber die Initiative "Blue Mining" für dieses autonome Unterwasserfahrzeug so sehr interessiert, sollte man davon ausgehen, daß es eine wichtige Aufgabe bei der geologischen Exploration des Meeresbodens und damit auch hinsichtlich eines potentiellen Bergbaus inne hat.

Zudem ist der wissenschaftliche Leiter der Expedition "Vema-TRANSIT", Prof. Dr. Colin W. Devey, ein ausgewiesener Experte für "Blue Mining". Seit über zehn Jahren forscht und arbeitet er bei GEOMAR zur "Dynamik des Meeresbodens". Seine Disziplin gehört zu den Fachgebieten, auf deren Forschungsergebnisse sich die Industrie später stützen wird, falls sie in den Tiefseebergbau einsteigt. Bezeichnenderweise hatte Devey auf einem internationalen Workshop zu den mineralischen Ressourcen des Meeresbodens, der vom 18. bis 20. März 2013 in Kiel stattfand, zum Abschluß die Industrie aufgefordert, endlich mit dem Meeresbodenbergbau zu beginnen ("Mine it, please!!"). [3] Und das, obwohl viele Experten der Ansicht sind, daß die potentiellen ökologischen Folgen umfassender bergbaulicher Aktivitäten in der Tiefsee noch weitgehend unerforscht sind.

Von der umstrittenen Schleppnetzfischerei ist bekannt, daß sich riesige Sedimentwolken bilden, die lange Zeit nicht absinken und sogar von Meeresströmungen fortgetragen werden können; ähnliches wäre beim Bergbau zu erwarten. Auch würde der durch umfassende Räumaktivitäten verwüstete Meeresboden voraussichtlich irgendwann wieder besiedelt, aber nicht unbedingt von den gleichen Arten, wie sie zuvor dort gelebt haben. Der Bergbau könnte die marine Nahrungskette durcheinanderbringen. Ein weiteres Umweltproblem wird der Abraum darstellen, der nicht einfach so über die Bordwand gekippt werden könnte, ohne große Meeresgebiete mit Sedimenten einzutrüben. Über die Meeresgebiete hinaus würden auch entlang der Transport- und Verarbeitungskette (Bau neuer Hafenanlagen, Ausbau des Schienen- und Lkw-Verkehrs, möglicherweise Aufbau einer verarbeitenden Industrie in Hafennähe) weitere Einfallstore für Umweltzerstörung entstehen, sobald in einem größeren Stil "Blue Mining" betrieben wird.

Das alles hat nur auf den ersten Blick nichts mit der Expedition "Vema-TRANSIT" und der Untersuchung der Zusammensetzung der am Tiefseeboden lebenden Gemeinschaften zu tun.


Fußnoten:

[1] http://www.geomar.de/forschen/expeditionen/detailansicht/exp/current/328698/

[2] http://www.bluemining.eu/testing-self-potential-sensor-on-the-auv/

[3] http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umrb0054.html

21. Dezember 2014