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RESSOURCEN/166: Fracking und die verseuchten Flüsse Pennsylvanias (SB)


Pennsylvanias Trinkwasseraufbereitung überfordert

Dank neoliberalem Politikverständnis ist in den USA das Abwasser aus der Erdöl- und Erdgasindustrie vom Trinkwasserschutzgesetz ausgenommen



Ein weitverbreiteter Irrtum, der von den Lobbyisten der Öl- und Gasindustrie medial kolportiert wird, lautet, daß Fracking harmlos ist, weil es in mehreren tausend Metern Tiefe geschieht und die dabei eingesetzten Chemikalien nicht an die Oberfläche gelangen. Entgegen dieser Darstellung belegen jedoch Erfahrungen im "Fracking-Land" Nummer eins, den USA, daß durch die Erdöl- und Erdgasindustrie Flüsse verseucht, Brunnen vergiftet und die Atemluft mit gefährlichen Schadstoffen belastet wird. Eine aktuelle wissenschaftliche Studie der Duke University in North Carolina, des Dartmouth Colleges in New Hampshire und der kalifornischen Stanford University zeigt, daß die Flüsse im US-Bundesstaat Pennsylvania potentiell gefährliche Umweltgifte aus der Erdöl- und Erdgasförderung enthalten. [1]

Eigentlich kommt Fracking von engl. "to frack" und bedeutet "aufbrechen". Es wird aber inzwischen der Einfachheit halber als Oberbegriff für die Öl- und Gasförderung aus unkonventionellen Lagerstätten, die mittels Horizontalbohrung erschlossen und wiederholt stimuliert werden, verwendet. Bei dem Verfahren wird das Gestein mittels eines unter hohem Druck in den Untergrund gepreßten Cocktails aus Wasser, Chemikalien und Spezialsand aufgebrochen, damit das in feinen Poren und Rissen vorliegende Gas oder Erdöl zusammenströmen und an die Oberfläche gepumpt werden kann.

Abgesehen davon, daß beim Abteufen eines Bohrlochs in der Regel grundwasserführende Schichten durchstochen werden, in die bei unsachgemäßer Absicherung des Bohrlochs mittels einer Betonummantelung Chemikalien eindringen können, weiß man nicht, welche schädlichen Folgen das Zerrütten und die Kontamination des Untergrunds mit den eingebrachten sogenannten Frackfluiden haben können. Man weiß aber sehr wohl, daß das vor der eigentlichen Förderung zu einem Teil wieder hinaufgepumpte Produktionswasser in mehrfacher Hinsicht chemisch verunreinigt ist. Zum einen enthält es Additive, die man vorher eingebracht hat, um zum Beispiel die Mikrobenvermehrung zu unterbinden oder die Fließfähigkeit zu erhöhen, zum zweiten Kohlenwasserstoffverbindungen des Erdgases oder Erdöls und zum dritten Partikel aus der Gesteinsschicht, in der sich die Lagerstätte befindet. Bei letzteren kann es sich sogar um Radionukleotide (Uran, Radon) handeln.

Nachdem US-Wissenschaftler vor einigen Monaten über erhöhte Radioaktivitätswerte in einigen Flüssen Pennsylvanias berichtet hatten [2], werden nun erhöhte Konzentrationen von Ammonium und Jodiden gemeldet. Diese potentiellen Umweltschadstoffe fanden sich sogar unterhalb der Einleitungen aus Trinkwasseraufbereitungsanlagen, was bedeutet, daß diese ungenügend arbeiten. Nach Einschätzung von Prof. Avner Vengosh, Geochemiker und Experte für Wasserqualität an der Duke University's Nicholas School of the Environment und einer von sechs an der Studie beteiligten Forschern, bieten ihre Meßergebnisse Anlaß zur Sorge über die Umwelt- und Gesundheitsfolgen von Abwässern aus der Erdöl- und Erdgasindustrie.

Selbst winzige Mengen an Bromiden und Jodiden können in den Trinkwasseraufbereitungsanlagen, wenn sie dort auf der Desinfektionsstufe mit Chlor in Verbindung kommen, unter Umständen hochgiftige Verbindungen im Trinkwasser entstehen lassen, warnen die Forscher. Solche "Desinfektionsbeiprodukte" werden jedoch weder von den Bundes- noch den Staatsbehörden überwacht. [3] Ammonium kann sich im Wasser in Ammoniak umwandeln, was besonders für aquatische Lebensformen giftig ist. Die Forscher registrierten Ammoniumkonzentrationen von bis zu 100 Milligramm pro Liter und damit das 50fache des Grenzwerts, den die Bundesumweltschutzbehöre EPA zum Schutz aquatischen Lebens festgelegt hat.

Allein in Pennsylvania wurden im Laufe der letzten 150 Jahre mehr als 350.000 Brunnen zur Förderung von Erdöl und Erdgas gebohrt - entsprechend riesige Mengen an Abwasser sind dabei entstanden. Laut den gesetzlichen Bestimmungen fällt dieses hochbelastete Wasser nicht unter das Clean Water Act, das Pendant zum hiesigen Trinkwasserschutzgesetz, und darf direkt in die Flüsse geleitet werden. "Diese Praxis schadet eindeutig der Umwelt, gefährdet die Gesundheit der Anwohner dieser Gebiete und sollte gestoppt werden", fordert deshalb Prof. Vengosh.

In der Studie wurden Abwässer sowohl aus der konventionellen als auch unkonventionellen Erdöl- und Erdgasförderung mehrerer Bundesstaaten untersucht. Man könnte also sagen, daß Fracking nicht umweltschädlicher ist als herkömmliche Fördermethoden. Mit Blick auf die Gesundheits- und Umweltfolgen müßte man es aber wohl andersherum formulieren: Es ist genauso gefährlich.

Manche Praktiken, die in den USA üblich sind, beispielsweise das Sammeln schadstoffreicher Abwässer in offenen Becken, wären in Deutschland verboten. Bei den gegenwärtigen Verhandlungen der Europäischen Union mit den Vereinigten Staaten über den Abschluß eines Freihandelsabkommens (TTIP) geht es, wie der Name schon ahnen läßt, um die "Befreiung" des Handels. Kaum vorstellbar, daß diese "Befreiung" zu keiner Angleichung der Umwelt- und Sozialstandards in beiden Wirtschaftsräumen führen wird ... auf dem jeweils niedrigeren Niveau.


Fußnoten:

[1] "Iodide, Bromide, and Ammonium in Hydraulic Fracturing and Oil and Gas Wastewaters; Environmental Implications", in: Journal Environmental Science & Technology.
http://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/es504654n

[2] http://schattenblick.com/infopool/umwelt/redakt/umre-153.html

[3] http://www.eurekalert.org/pub_releases/2015-01/du-ncf011215.php

18. Januar 2015


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